Für 50 Jahre Mitgliedschaft im MTV Dießen wurde Helgi-Jón Schweizer zusammen mit etlichen anderen langjährigen Mitgliedern geehrt. In drei Teilen erzählt er im Ammersee Kurier von seinen sportlichen Erlebnissen. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab es noch richtige Winter, so kalt, dass selbst der See zufror und es gab eine neue Sportart, das Eishockey. Im Sommer also war Fußball angesagt, im Winter Eishockey. Für diesen Sport musste allerdings erst eine Anlage geschaffen werden und wo, wenn nicht auf dem Sportgelände. Die Pioniere hatten zwar schon auf dem Metzgerweiher eine Behelfs-Arena aus Balken errichtet, dorthin konnten sie aber kaum ernsthafte Gegner locken. Das Eishockey-Fieber erfasste Dießen und Hunderte säumten bei Flutlicht die Bande am Schiechen Graben.
Die Jugend war begeistert, auch wenn sich Sport und Arbeitsdienst als Schneeräumer nicht selten zeitlich die Waage hielten. Die steigende Wintersonne tat dann das Ihrige, um den Eis-Recken den Spaß zu verderben. Immer wieder bildete sich in der Nord-Ost-Ecke der Arena eine beträchtliche Pfütze, in welche der Puck verschwand, mal landete auch ein Spieler zur Gaudi der Zuschauer in dem seichten Nass. Man schmiedete Pläne, um den Platz zu beschatten oder gar zu überdachen. Eine komplette Kunsteisanlage wurde sogar von einem Münchener Konsumtempel namens Schwabylon angeboten, aber bei dem vielen Hin-und-Her-Wälzen von Plänen und Gedanken erwärmte sich die Erde so weit, dass Dießen mangels Gegner auch ohne Stadion hätte Deutscher Natureis-Meister werden können. Dann, so sagte man sich vermutlich, lieber Asphaltschießen und Gokart-Fahren. Zu getrennten Zeiten versteht sich.
In Innsbruck trainiert Helgi-Jón Schweizer mit den österreichischen Leichtathlektik-Olympioniken
Anfang der 1960er-Jahre wechselte ich als Student von der Münchener an die Innsbrucker Universität. Dort trainierten zu dieser Zeit gerade die österreichischen Leichtathleten für die Olympischen Spiele in Tokio. Allzu viele waren es nicht, weshalb man mich als eine Art Sparringpartner freudig aufnahm. Das Training war streng und zeitraubend neben dem Studium, also musste ich vorübergehend meine Tätigkeit als Turn-Übungsleiter in Dießen aufgeben. Eine Verletzung zwang mich dann nach einigen Jahren auch die Leichtathletik-Träume zu begraben, die wissenschaftliche Konkurrenz ersetzte die sportliche. Da sich dies auf Dauer als wenig gesund herausstellte, erkundigte ich mich am Sportinstitut nach einer für Schreibtischtäter geeigneten Sportart und erhielt die Antwort „Badminton“. Davon war ich wenig erbaut, denn Federball gehörte für mich wie Wassergymnastik, Minigolf oder Fischen zu den Freizeitbeschäftigungen, nicht aber zum Sport. Ich wurde eines Besseren belehrt.
Badminton ist doch etwas mehr als eine Freizeitbeschäftigung
Als ich schließlich entdeckte, daß man von Dießen aus nicht nur nach München, sondern auch nach Innsbruck pendeln kann, zog ich wieder nach Hause und brachte das Badminton mit im Gepäck. Eine Sparte war schnell gegründet und gedieh prächtig, trotz ungeeigneter Hallenverhältnisse. Die alte Halle war nicht nur zu klein und zu niedrig, sondern es fehlten auch Markierungen. Die Felder mussten vor jedem Training ausgemessen und mit etwa hundert Metern Klebeband markiert werden. Trotz alledem spielte, der Ausdruck ist sehr passend, zeitweilig mit uns ein indonesischer Weltmeister. Er besuchte einen Kurs im Coop-Seminar und langweilte sich.
Ernst wurde es mit dem Badminton in Dießen dann erst nach dem Bau der Mehrzweckhalle. Die für Badminton außergewöhnlich günstige Halle lockte Aktive aus der ganzen Umgebung an, die Mannschaft hatte Erfolge und die Jugend setzte sich auf Turnieren durch. Die Probleme kamen ironischerweise mit dem Erfolg der Sportart. Zu viele Vereine warben um zu wenige aktive Spieler. Die Starken wurden stärker, die Schwachen wurden schwächer. Am Ende gaben die Schwachen auf und nur die Zentren konnten sich halten. In Dießen überlebte Badminton als Fitness-Sport.
Dann entdeckten die Fitness-Center das platzsparende und preiswerte Badminton als eine sprudelnde Einnahmequelle und versetzten dem Vereinssport damit einen Tiefschlag - den die Dießener allerdings auch wegsteckten. Der K.-o.-Schlag kam dann aber schließlich doch, und zwar aus einer unerwarteten Ecke, nämlich von einer öffentlichen sozialen Einrichtung, die Badminton für jedermann zum Nulltarif anbot. Ein Beitrag sozusagen zur Volksgesundheit.
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