Full House im Blauen Haus. Und das nicht etwa am Wochenende, sondern am Donnerstagabend. Zur ersten Ausgabe von „einfach tanzen“, zu der Brigitte Gattinger und DJ Rupen nach Dießen geladen haben, sind gut 100 Gäste erschienen, um sich drei kurze Stunden lang die Seele aus dem Leib zu tanzen. Denn das ist das Konzept der After-Work-Party, die Gattinger und Rupen Gehrke schon sehr erfolgreich in der Tagesbar auf Gut Kerschlach etabliert haben. Los geht’s bereits um 18 Uhr, Schluss ist um 21 Uhr, vielleicht ein klein wenig später, aber immer so, dass die Tänzerinnen und Tänzer am nächsten Morgen noch bürotauglich sind.
„Wir wollen unter der Woche für ein bisschen mehr Lebensfreude sorgen“, erklärt Veranstalterin Gattinger und schaut zufrieden auf die bouncende, hüftschwingende und Arme-in-die-Luft-werfende Feiergemeinschaft, die ihrem Ruf in die neue Location gefolgt ist. Der Frauenanteil überwiegt zwar deutlich. Doch mögen die Herren auch in der Unterzahl sein, so zeigen die meisten keine falsche Scham und tanzen, was das Zeug hält. Neben Partygästen aus Landsberg und sogar Augsburg ist auch die Herrschinger Malerin Sadyha Suthan dabei, die zuvor die Feierfeste von DJ Rupen in Kerschlach oder auch im Museum der Phantasie in Bernried besucht hat.

Die Möglichkeit, auf der anderen Seeseite „einfach zu tanzen“, konnte sie sich natürlich nicht entgehen lassen. „Tanzen ist mein Lebenselixier“, sagt die 71-Jährige mit der Ausstrahlung einer jungen Frau. „Rupen legt eine Musik auf, bei der man von ganz alleine tanzt, da muss man gar nicht viel machen“, findet die Herrschingerin, die ohne Begleitung ins Blaue Haus gekommen ist, aber sich sichtlich wohl fühlt unter all den Feiernden. „Dass hier 30-Jährige und 80-Jährige zusammenkommen und gemeinsam tanzen, das ist so toll“, schwärmt Sadyha. Sie könne sich noch gut an die schiefen Blicke erinnern, die sie geerntet habe, als sie mit 35, 40 Jahren in die Disco gegangen sei.
Auch ohne Begleitung lässt es sich im Blauen Haus gut feiern.
Dass sich ältere Semester kaum auf die deutschen Dance Floors trauen – anders als in vielen südlichen Ländern, wollte DJ Rupen bereits in den 1990er-Jahren ändern und lud zu den ersten Münchner Ü-30-Partys ein, die damals schon ziemlich eingeschlagen sind. Die Jalla-Partys, die er mit seinem Partner DJ Dimitri jahrelang zum Beispiel im Foyer des Völkerkundemuseums gefeiert hat, erreichten in der Münchner World-Music-Szene schnell Kultstatus.
Rupens musikalischer Mix aus Global Beats, Afro, Cumbia, Balkan, Global Pop, New Tropical und Oriental Beat fährt auch den Gästen in Dießen ordentlich in die Glieder. Da wird mit Peter Fox „Dein Speck“ geschüttelt, bis die Schwarte kracht (und das ein oder andere Kniegelenk), da wird kompromisslos Henning Wehlands Aufforderung „Tanz um dein Leben!“ gefolgt, zu Balkan Pop gehüpft und zu Latino-Beats mit dem Po gewackelt. Kaum ein Hemd, kaum eine Bluse, die da trocken bleiben.

„Ich hab‘ all meinen Freunden Bescheid gesagt“, erklärt Ulissa aus Pähl, die zur Gruppe derer gehört, die schon seit letztem Sommer darum baten, „einfach tanzen“ auch in Dießen zu etablieren. Und so lässt es die 57-Jährige jetzt mit ihrer Augsburger Freundin im Dießener Kulturforum krachen, das an diesem Abend dank des Discolichts eher bunt statt blau ist. „Wem 21 Uhr zu früh ist, der kann ja noch in der Ludwigs Bar nebenan einen Absacker nehmen“, schlägt Ulissa vor.
Nach Gut Kerschlach findet das neue Format „einfach tanzen“ auch in Dießen großen Anklang
Ob es die Dießener Yogalehrerin Sophia noch in die angrenzende Bar schaffen wird, ist allerdings fraglich: Ihr Mann schaut eher skeptisch drein und hält sich stoisch am Bierglas fest, das ihn vor dem Tanzen-Müssen schützen soll. Sein Ding sei die Musik nicht so ganz, er stehe mehr auf Jazz und Motown und würde demnächst mal nach Hause wollen. Wenig beeindruckt von der Tanzes-Unlust des Gatten hakt sich Sophia bei ihren Freundinnen ein und dreht noch eine Runde. Als Halbgriechin geht das mit dem Füßestillhalten wohl nicht so gut, wenn der richtige Beat aus den Boxen kommt. „Ich tanze einfach zu gerne, ich tanze auf jede Musik“, sagt Sophia.
Die nächste Gelegenheit hätte sie dazu am 8. Mai sowie am 26. Juni im Blauen Haus sowie am 10. April und 5. Juni auf Gut Kerschlach.
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