Der Kauf von 17 Wohnungen von einer Bauträgerfirma, an der Freie Wähler-Gemeinderat Florian Zarbo beteiligt ist, durch den Markt Dießen ist jetzt beschlossene Sache. Nach einer kontroversen Diskussion, die teilweise auch im öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung geführt wurde, stimmte das Gremium hinter verschlossenen Türen dem Kauf wie erwartet mehrheitlich zu.
7,4 Millionen Euro beträgt der Verkaufspreis für die 17 Wohnungen mit Größen von 35 bis 75 Quadratmetern in drei Mehrfamilienhäusern in Holzbauweise mit einer Gesamtwohnfläche von 982 Quadratmetern. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von 7532 Euro. Inbegriffen sind dabei auch 14 Tiefgaragenstellplätze, eine Dachflächen-Photovoltaikanlage und Einbauküchen. Die Wohnungen erfüllen den KfW-40-Standard und die Kriterien des QNG-Zertifikats für nachhaltige Gebäude. Alle Wohnungen sind barrierefrei, dementsprechend findet sich in jedem Gebäude ein Aufzug.
Florian Zarbo stellt als Bauträger das Wohnungsbauprojekt vor
Das sind die wichtigsten Eckdaten zu dem Projekt, das Florian Zarbo und sein Kompagnon, der Architekt Cedric Ehlers, dem Gremium und den zahlreich erschienenen Besuchern in einer 25-minütigen Präsentation vorstellten. Beide verwiesen darüber hinaus auf den ästhetischen Anspruch, den sie an ihr Projekt stellen: Die Gebäudeform passe sich mit Satteldächern und Gauben in die umgebende Bebauung in St. Georgen ein, die städtebauliche Dichte sei „angemessen“ und stehe für einen „sparsamen Umgang mit Grund und Boden“. Großer Wert werde auch auf die Freiflächengestaltung gelegt, zu der unter anderem ein von einem lokalen Künstler gestalteter Spielplatz gehöre. Holz als Baustoff sei nachhaltig, zeitgemäß und auch langlebig.
Zuvor hatte Bürgermeisterin Sandra Perzul (Dießener Bürger) ebenso ausführlich die von Kritikern des Wohnungskaufs als zu hoch eingeschätzten Kosten verteidigt. Der Bauträger habe „open book“ gemacht, also Einblick in seine Kostenstruktur gegeben, schickte sie voraus. Demnach betrügen die reinen Hochbaukosten 3500 Euro pro Quadratmeter, dazu kommen rund 200 Euro für den KfW-40- und QNG-Standard. Dann seien die Kosten für den Kauf des Grundstücks mit einer Fläche von 2008 Quadratmetern zu berücksichtigen, dessen Herrichten und Erschließung, technische Anlagen, Stellplätze, Finanzierungs- und Planungskosten.
Die Bürgermeisterin spricht von einem Ertrag von unter zehn Prozent des Kaufpreises
Makler, Immobilienfachleute und Mitglieder des Gutachterausschusses für die Ermittlung der Bodenrichtwerte im Landratsamt hätten ihr bestätigt, dass die Kosten „eindeutig im Rahmen“ seien. Mutmaßungen, der Bauträger mache einen Gewinn von 20 bis 30 Prozent, wies Perzul zurück: „Das stimmt nicht, das finanzierende Institut sagt, der Ertrag liege unter zehn Prozent in einem niedrigen sechsstelligen Euro-Bereich.“ Die Regierung von Oberbayern habe bereits schriftlich ihre Zustimmung für einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn gegeben.
Zugleich zog Perzul einen Kostenvergleich mit den von 2017 bis 2020 errichteten gemeindlichen Sozialwohnungen in Neudießen: 1250 Quadratmeter Wohnfläche inklusive Tiefgarage, aber ohne Photovoltaik hätten sechs Millionen Euro gekostet, was 4800 Euro pro Quadratmeter seien (Waffenschmiedweg 7532 Euro). Dabei hätten jedoch keine Grundstückskosten angesetzt werden müssen, weil die Baufläche bereits dem Markt Dießen gehört habe. Außerdem sei der Baukostenindex seit 2020 um 37,7 Prozent gestiegen. Was damals 4800 Euro pro Quadratmeter gekostet hat, würde demnach heute 6610 Euro kosten.
Die Grünen bezweifeln die Wirtschaftlichkeit des Wohnungskaufs
Nach wie vor waren aber etliche Gemeinderatsmitglieder von dem Wohnungskauf nicht überzeugt: Dr. Holger Kramer (Grüne) sagte, dadurch werde kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen, weil die Gemeinde etwas kaufen wolle, was ohnehin gebaut werde. Außerdem würde er bei so einem Paketkauf einen Rabatt erwarten. Er bezweifelte auch die Wirtschaftlichkeit für die Gemeinde und warnte davor, dass durch diesen Kauf Wohnbauprojekte auf eigenen Flächen wie an der Prälaten- und St.-Georg-Straße, aber auch die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, der Ausbau der Feuerwehr und die Sanierung der Mehrzweckhalle ins Hintertreffen geraten würden.
Frank Fastl (Freie Wähler) sah hingegen die Wirtschaftlichkeit durch entsprechende dem Gemeinderat vorgelegte Berechnungen gegeben. Die Investition werde in 30 Jahren mit den Mieten abbezahlt sein. Mithilfe der staatlichen Zuschüsse schaffe die Gemeinde „langfristig Vermögenswerte“: „Die Wohnungen kosten die Gemeinde nach Abzug der Zuschüsse 4,3 Millionen Euro, und wenn sie fertig sind, sind sie fast das Doppelte wert.“ Die Gemeinde habe kein Risiko, sie zahle den Kaufpreis erst, wenn die Wohnungen fertiggestellt sind.
CSU-Gemeinderat Johannes Wernseher hätte sich mehr Wettbewerb gewünscht
Zunächst war es in der Debatte auch um das Prozedere gegangen. Er hätte sich mehr Transparenz gewünscht, sagte Johannes Wernseher (CSU). Wäre von vornherein öffentlich über einen Wohnungskauf diskutiert worden, hätten vielleicht auch andere Bauträger Wohnungen angeboten und die Gemeinde hätte unter mehreren Offerten wählen können. Die Gemeinde hätte auch einen Gutachter beauftragen müssen, um zu klären, welcher Preis angemessen ist. So sei Markt Dießen beispielsweise beim Grundstückskauf an der Prälaten- und St.-Georg-Straße vorgegangen.
Nach Wernsehers Wortmeldung warf Franz Sanktjohanser (Dießener Bürger) ein, es sei eine „bodenlose Frechheit“ gewesen, als gesagt worden sei, „wir machen der Bürgermeisterin doch kein Wahlgeschenk“. „Solche Leute“, so Sanktjohanser, „haben in diesem Gremium gar nichts zu suchen.“
Patrik Beausencourt (SPD) zieht einen Vergleich mit einer anderen Ebene
Diskussionsbedarf sah aber auch Patrik Beausencourt (SPD): Immerhin gehe es um ein Siebtel des Haushaltsvolumens und das vor dem Hintergrund, dass dem Gemeinderat seit Jahren verdeutlicht werde, die Kommune stehe kurz vor der Pleite. Außerdem sei es „immer ein Problem, wenn der Nutznießer aus dem Gemeinderat kommt“. Der Kauf der Wohnungen sei vergleichbar mit dem Fall, dass ein Bundestagsabgeordneter mit dem Bund ein 70-Milliarden-Euro-Geschäft machen würde. „Da wäre das Geschrei groß und deshalb muss die Öffentlichkeit eingebunden werden.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden