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Dießen: Die Wohnanlage im Färbergaßl in Dießen besteht seit 50 Jahren

Dießen

Die Wohnanlage im Färbergaßl in Dießen besteht seit 50 Jahren

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    Vor 50 Jahren wurde die Wohnanlage im Färbergaßl im Dießener Ortszentrum erstmals bezogen.
    Vor 50 Jahren wurde die Wohnanlage im Färbergaßl im Dießener Ortszentrum erstmals bezogen. Foto: Gerald Modlinger

    Wie kostengünstiger Wohnraum in Dießen geschaffen werden kann, ist eine Frage, die die Kommunalpolitik auch in früheren Jahrzehnten immer wieder beschäftigt hat, vor allem in den Großstädten. Nach Flucht und Vertreibung infolge des Zweiten Weltkriegs stellte sich die Wohnungsfrage auch in kleineren und mittleren Orten wie am Ammersee-Westufer. Auch in den 1960er- und 1970er-Jahren wurde viel gebaut, neue Stadtteile wie Neuperlach in München oder das Schwaben-Center in Augsburg, aber auch in

    "Dießener Altenwohnheim festlich eröffnet", lautete am 1. Juni 1974 die Überschrift auf der Dießen-Seite des Ammerseekuriers, und während heutzutage das "Färbergaßl" ein feststehender Begriff in Dießen ist, wurde damals als Örtlichkeit das Josefsgaßl angegeben. Tatsächlich liegt die nach dem Wohnstift zweitgrößte Wohnanlage im Markt Dießen an beiden dieser Gässchen und damit mitten im Ortszentrum. Bis Anfang der 1970er-Jahren dehnte sich dort noch eine Wiese mit Obstbäumen aus, die zum Färber-Anwesen an der Mühlstraße gehörte. Das sei sehr schön gewesen, erinnert sich Nachbarin Annemarie Apadula aus der Prinz-Ludwig-Straße. Obwohl es ihr und etlichen Nachbarn schon etwas "gestunken" habe, dass die freie Fläche zugebaut wurde, "war das doch eine vernünftige Idee", die es älteren Menschen ermöglichte, so zentral im Ort leben zu können, blickt sie zurück.

    50 Jahre Färbergaßl: Eine Wohnung zu bauen, kostete 1974 100.000 Mark

    "Mit diesem Bau ist praktisch die Wohnungsnot in Dießen behoben", sagte der damalige Bürgermeister Max Weiher bei der Einweihung. 57 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 3286 Quadratmetern (im Mittel 58 Quadratmeter pro Einheit) umfasste der damals eingeweihte erste Bauabschnitt, der heutige Nord- und Westflügel. Gekostet haben diese laut dem damaligen Zeitungsbericht 5,7 Millionen Mark, was 2,9 Millionen Euro entspricht. Der durchschnittliche Mietpreis lag bei 4,50 D-Mark pro Quadratmeter (inklusive Nebenkosten). Der Landkreis investierte damals 900.000 D-Mark, der Markt Dießen steuerte 100.000 D-Mark bei, der Rest wurde offenbar per Darlehen finanziert, da es heißt, es sei eine jährliche Schuldenlast von 245.000 D-Mark abzudecken.

    Interessant ein Vergleich zu heutigen Wohnungsbaukosten – 50 Jahre später. 17 Wohnungen (mit Tiefgaragenstellplätzen, Fotovoltaikanlage und Küchen), die der Markt Dießen am Waffenschmiedweg mithilfe eines staatlichen Zuschusses kaufen will, werden 7,4 Millionen Euro kosten. Man hofft dabei, dass die Wohnungen am Ende für zwölf bis 13 Euro pro Quadratmeter (23,47 bis 25,43 D-Mark) angeboten werden können. Zielgruppe sind dabei Personen mit mittlerem Einkommen. 

    2005 wurde die Färbergaßl-Wohnanlage teilweise aufgestockt

    Zurück in die 1970er-Jahre: Die 57 Wohnungen waren erst der Anfang. 1975 folgten weitere 23 und 1979 weitere 28 Wohnungen. Heute umfasst die Anlage 115 Einheiten, nachdem das Gebäude 2005 teilweise aufgestockt und ein bestehender, aber nicht genutzter Aufenthaltsraum in eine Wohnung umgebaut wurde. 

    Bis heute sind die Mieten im Färbergaßl für Dießener Verhältnisse und auch im Vergleich zu preisgünstigen Neubauten vergleichsweise niedrig: 5,82 Euro pro Quadratmeter gibt das Landratsamt aktuell als Durchschnittspreis an. Die Mieten sind unterschiedlich hoch, sie steigen mit der Anzahl der Stockwerke. Von der obersten Etage kann man sogar den Ammersee erblicken. Alle drei Jahre wird ihre Höhe nach dem Verbraucherpreisindex angepasst. Die Wohnungen sind noch bis 2030 sozial gebunden. Das heißt, alle, die eine Wohnung mieten wollen, müssen einen Wohnberechtigungsschein vorweisen und darüber hinaus mindestens 60 Jahre alt sein.

    Von der Wohnanlage sind Supermärkte, Apotheken, der Bahnhof und der Ammersee zu Fuß erreichbar

    Hervorgehoben wurde auch schon im Zeitungsbericht von 1974 die Lagegunst der Anlage: "Der Vorzug des Gebäudes ist die Einbettung im Ortskern mit kurzen Versorgungswegen und trotzdem abseits des Verkehrslärms." Zu den Supermärkten sind es kaum mehr als 200 Meter, zum Bahnhof 350 und zum Ammersee gut 500 Meter. Und inzwischen ist das "Färbergaßl" auch eingebettet in eine Parklandschaft rund um das benachbarten Awo-Seniorenheim und den Seerichtergarten, den die Gemeinde in den 2000er-Jahren gekauft und für die Allgemeinheit geöffnet hat.

    Auch wenn das Haus die Atmosphäre der 1970er-Jahre-Bauweise atmet und die Wohnungen durch lange, eher dunkle Gänge erschlossen werden, tut das deren Attraktivität keinen Abbruch. Leerstand gibt es praktisch nicht. Seit der umfassenden Renovierung in den 2010er-Jahren setzt die Wohnanlage mit ihrer rot-weiß-grauen Fassadengestaltung einen neuen Akzent im Ortsbild. Für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeutsam war die damalige Sanierung von Leitungssystemen, Bädern und Küchen.

    Elisabeth Tschimmel lebt im Westflügel des Wohnkomplexes im Färbergaßl.
    Elisabeth Tschimmel lebt im Westflügel des Wohnkomplexes im Färbergaßl. Foto: Gerald Modlinger

    Elisabeth Tschimmel etwa öffnet die Tür zu ihrer Zweizimmerwohnung mit Loggia. Sie wohnt im dritten Stock des Westflügels. Hell und freundlich wirken die Räume, die sich um den kleinen Flur gruppieren: Wohnzimmer, dazwischen eine kleine Küche, daneben Schlafzimmer und innenliegend das Bad. "Sie ist wirklich sehr schön geschnitten", sagt die Seniorin. Ein paar Verbesserungswünsche flicht sie zwar schon gesprächsweise ein und macht auf ein "Defekt"-Schild an einem von zwei Aufzügen aufmerksam. Sie hebt auch hervor, wie umfangreich das Bad modernisiert und auch altersgerechter gestaltet wurde – unter anderem mit Duschen statt Badewannen und aufklappbaren Sitzen und Aufstehhilfen an den Toiletten. Insgesamt gefällt ihr das Wohnumfeld. "Es leben unwahrscheinlich tolle Menschen hier", meint Tschimmel, selbst Künstler seien darunter, "ein bunt gemischtes Publikum", zu dem aktuell auch elf ältere Geflüchtete aus der Ukraine gehören.

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