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Warum Fridolin-Reisen seinen Betrieb nach 30 Jahren einstellt

Kühbach

Zu viel Bürokratie: Fridolin-Reisen aus Kühbach stellt Busbetrieb nach 30 Jahren ein

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    Mit den drei großen Bussen des Kühbacher Unternehmens Fridolin-Reisen sind schon viele Landkreisbürger auf große Fahrt gegangen. Jetzt stellt die Firma die Reisesparte ein, bietet aber weiterhin Patientenfahrten an.
    Mit den drei großen Bussen des Kühbacher Unternehmens Fridolin-Reisen sind schon viele Landkreisbürger auf große Fahrt gegangen. Jetzt stellt die Firma die Reisesparte ein, bietet aber weiterhin Patientenfahrten an. Foto: Fridolin-Reiseservice

    Dieser 2. Oktober ist kein leichter Tag für Jürgen Senger. An diesem Tag wird der letzte Bus seines Kühbacher Unternehmens abgeholt. Der Fridolin-Reiseservice stellt seinen Busbetrieb ein. Senger sieht keinen anderen Weg mehr, weil die Bürokratie nicht mehr zu bewältigen sei. „Ich bin vor 31 Jahren mit dem Anspruch angetreten, außergewöhnliche Reisen zu organisieren.“ Das sei ihm auch gelungen. Die Fahrten seien gut angenommen worden. Doch jetzt zerplatzt dieser Traum.

    Ab dem 3. Oktober bietet Fridolin-Reisen keine Busfahrten mehr an. Die ursprünglich in diesem Jahr noch geplanten Reisen nach Extremadura in Spanien und Bibione in Italien wurden annulliert. Auch Vereinsfahrten führt das Kühbacher Unternehmen nicht mehr durch. Der Betrieb geht aber dennoch weiter. Nach wie vor werden mit Kombis und Rollstuhlfahrzeugen Patienten zu Terminen wie Dialyse oder zur Strahlentherapie gefahren. Nach Norwegen, Irland, Rumänien oder Albanien geht es mit den Fridolin-Bussen aber nicht mehr.

    Senger bedauert die Aufgabe der Reisesparte sehr, aber in den vergangenen Jahren seien immer mehr Regeln und Bestimmungen dazugekommen, die ihm und anderen Unternehmen das Leben schwer machten. „Ich bräuchte allein einen Mitarbeiter, der sich nur um die Einhaltung der Bestimmungen kümmert. Da ist noch lange keine Reise organisiert und keine Unterkunft gebucht“, erzählt der 66-Jährige. Nicht nur EU-weite Vorschriften, sondern auch individuelle Regelungen und Gebühren in den einzelnen Ländern verkomplizierten die Planungen extrem.

    In vielen Städten gibt es heutzutage keine Parkplätze mehr für Reisebusse

    Seit Neuestem müssen laut Senger beispielsweise alle Busreisegäste unter 18 Jahren, die nach Polen fahren, eine Abstammungsurkunde mitführen. „Entweder ich muss das alles vorher kontrollieren oder ich habe an der Grenze ein Problem“, erklärt er. Ein weiteres Unding sei, dass der Bus zwar das umweltfreundlichste Verkehrsmittel sei, aber es in vielen Städten keine Parkplätze mehr für Busse gebe. Dafür gebe es genau fest gelegte Zeitslots, etwa von 30 Minuten, in denen die Busse ihre Fahrgäste in der Stadt aussteigen lassen dürfen. Steht der Bus aber auf der Autobahn im Stau, verpasst er diese Zeitspanne und darf entweder nicht in die Stadt fahren oder muss Strafe zahlen.

    Ein weiteres Beispiel für ein Bürokratiemonster ist für den Reisefreund eine neue EU-Regelung zu Pausen- und Lenkzeiten, die vor 15 Jahren einmal abgeschafft worden und jetzt wieder gültig sei. Selbst erst drei oder vier Jahre alte Fahrtenschreiber in den Fahrzeugen weisen diese Bestimmung aber als Fehler aus und können laut Senger auch nicht upgedatet werden. Das bedeutet seinen Abgaben nach, dass alle Fahrtenschreiber bis Ende des Jahres erneuert werden müssten, was in seinem Fall eine Investition von 30.000 Euro bedeuten würde. Neben der Bürokratie werde es zudem immer schwieriger, Ersatzteile für die Busse zu bekommen.

    Viele Fridolin-Reisen waren deshalb etwas Besonderes, weil sie an Orte führten, in die nur selten Busse von weither kamen. Äußerst beliebt war die Reise durch den kompletten Balkan nach Albanien, die jetzt zum 18. und letzten Mal stattfand. Vor 20 Jahren sei der zweite deutsche Bus, der überhaupt jemals in diesem Land gewesen sei, aus Kühbach gekommen, berichtet Senger. Gerade bei den Busfahrten in weiter entfernte Länder wie Marokko oder Norwegen schätzten die Kundinnen und Kunden nicht zuletzt den Komfort, dass für jeden Mitfahrer stets zwei Plätze reserviert waren und die Reisegruppen daher nicht größer waren als 22 Personen.

    Viele Vereine aus dem Landkreis Aichach-Friedberg sind mit Fridolin gefahren

    Auch viele Vereine setzten bei ihren Ausflügen auf das Kühbacher Unternehmen. Doch Senger sagt: „Auch die Vereinsfahrten werden immer weniger. Auch die haben viel mit Bürokratie zu kämpfen.“ Seit bekannt ist, dass der Busbetrieb von Fridolin eingestellt wird, hat der 66-Jährige unzählige Anrufe und Nachrichten erhalten. Viele Kundinnen und Kunden seien traurig und bedauerten diesen Schritt sehr. Auf dem Markt gibt es laut Senger „leider“ kaum mehr per Hand ausgearbeitete Reisen, dafür viel „Massenware“.

    Ans Aufhören denkt der 66-Jährige aber noch nicht. Acht seiner zwölf Mitarbeiter sind weiterhin für Patientenfahrten im Einsatz, die sich nicht selten von 5.30 Uhr bis 23 Uhr erstrecken. Er selbst springt immer wieder als Fahrer ein, wenn Not am Mann ist. Ansonsten macht er „notgedrungen“ Büroarbeit. Manche Reisefreunde geben die Hoffnung auf neue Fridolin-Fahrten trotz allem nicht auf. Wie Senger berichtet, sagen viele: „Wenn es doch weitergehen sollte, dann gib uns Bescheid.“

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