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Todtenweis: Zeugnisse der Vergangenheit aus den Äckern rund um Todtenweis

Todtenweis

Zeugnisse der Vergangenheit aus den Äckern rund um Todtenweis

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    Im Gruin-Haus in Todtenweis zu sehen ist dieser Oberwanger-Bronzehohlring. Im Hintergrund ein Foto der Ringe, die aus dem Hügelgräberfeld in Sand stammen.
    Im Gruin-Haus in Todtenweis zu sehen ist dieser Oberwanger-Bronzehohlring. Im Hintergrund ein Foto der Ringe, die aus dem Hügelgräberfeld in Sand stammen. Foto: Franz Riß

    Nach zwei Jahren Zwangspause wegen der Corona-Pandemie präsentierte der Förderverein "1000 Jahre Todtenweis" im Oktober im Gruin-Haus eine Ausstellung zum Thema "Lesefunde aus unserem Lechfeld". Damit beging er gleichzeitig ein kleines Jubiläum – nämlich das zehnjährige Bestehen des Heimatmuseums. Zum Tag des offenen Denkmals am 9. September 2012 öffnete das "Gruin-Haus" erstmals seine Haustüre, um Besucherinnen und Besuchern einen Einblick in die kleinbäuerlichen Lebens- und Wohnverhältnisse im ausgehenden 19. Jahrhundert zu geben. 

    Von diesem Typus Bauernhaus mit erdgeschossigem Satteldachbau gibt es nur noch wenige im ganzen Landkreis Aichach-Friedberg. Das Gruin-Haus steht repräsentativ für die frühere Hauslandschaft, in der nicht die großen Bauernhöfe dominierten, sondern die Kleinbauernhäuser über zwei Drittel aller Bauernhäuser ausmachten. 

    Das Gruin-Haus in Todtenweis beherbergt seit zehn Jahren das Heimatmuseum der Gemeinde.
    Das Gruin-Haus in Todtenweis beherbergt seit zehn Jahren das Heimatmuseum der Gemeinde. Foto: Franz Riß

    Das Gruin-Wohnhaus hat seinen Hausnamen von einer Familie Groll (im Dialekt "Grui" gesprochen) bekommen. Diese hatte das im Dreißigjährigen Krieg abgebrannte Anwesen erworben und wieder aufgebaut. Das Gruin-Haus ist das letzte Wohnhaus im Ort, an dem in den vergangenen 100 Jahren keinerlei bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Im Kern kommt es wohl auf ein Alter von über 370 Jahren. Es ist als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen und wurde vier Wochen nach dem ersten Öffnungstermin mit einem Festakt am 12. Oktober 2012 offiziell als Heimatmuseum eingeweiht. Durch wechselnde Ausstellungen wird auch "Bildung im Museum" angeboten. Das wird vermehrt auch von der Aindlinger Mittelschule angenommen, deren sechste Klassen Unterrichtsgänge zum Todtenweiser Museum unternehmen. 

    Das vom damaligen Gemeinderat beschlossene Nutzungskonzept als Museum mit wechselnden Ausstellungen hat sich von Anfang an bewährt, wie die Besucherzahlen bei den Ausstellungen immer wieder zeigen. Seit 2012 gab es sieben Sonderausstellungen mit Themen wie "Häuser in bäuerlicher Tradition", "Heiraten ist kein Kinderspiel" (dabei wurden Hochzeitskleider und Kinderspielzeug früherer Jahre gezeigt), "200 Jahre kommunale Selbstständigkeit" (2018) oder "Die Elektrifizierung in Todenweis" (mit vielen Haushaltsgeräten der ersten Stunde). Dadurch weckt das Museum immer wieder Interesse, auch bei Einheimischen, die das Museum schon kennen. 

    So sieht die Wohnstube im Gruin-Haus aus. Die Tischvitrine links birgt die Waffensammlung.
    So sieht die Wohnstube im Gruin-Haus aus. Die Tischvitrine links birgt die Waffensammlung. Foto: Franz Riß

    Bei der neuen Ausstellung kommen erstmals zwei neue Vitrinen zur Geltung, die der Förderverein beschafft hat. Zusammen mit der schon älteren Tischvitrine können so anschaulich die vielen archäologischen "Lesefunde" betrachtet werden, die in den vergangenen 50 Jahren besonders auf dem Lechfeld "aufgelesen" – nicht ausgegraben – wurden. Am häufigsten werden Keramikscherben, Münzen oder Werkzeuge aus Stein (Steinzeit) und Metall (Bronze-/Eisenzeit) in der Feldflur entdeckt. Im Gemeindegebiet kommen als Besonderheit die vielen Hufeisen dazu, die schon seit Jahrhunderten von den Bauern bei der Bestellung ihrer Felder gefunden werden. 

    Die neue Ausstellung ist in drei Themenbereiche gegliedert: In der ehemaligen Schlafkammer (erstes Zimmer rechts vom Gang) wird in einer Schrankvitrine die Vielfalt von Lesefunden dokumentiert. 

    Neue Hochvitrine in der Schlafkammer

    Geldmünzen und Keramikscherben aus unterschiedlichen Zeitepochen, handgeschmiedete Nägel für unterschiedliche Zwecke, zum Beispiel für den Hufeisenbeschlag, oder Einzelstücke wie die Essgabel eines Fuhrmannes, ein steinerner Stößel eines Handmörsers zum Stampfen oder Zerkleinern im Altertum oder eine Fibel – eine Art Sicherheitsnadel, die seit der Bronzezeit bis ins Mittelalter als Gewandnadel verwendet wurde – werden mit Begleittexten anschaulich präsentiert. 

    Das Herzstück der Vitrine ist ein verzierter Bronzehohlring aus der Keltenzeit (Hallstattzeit 800 – 500 vor Christus). Dieses leicht beschädigte Schmuckstück, das 1992 der Oberwanger-Bauer Rudi Leopold (2021 verstorben) beim Pflügen in der Feldflur "mittlere Kreit" (etwa 500 Meter nördlich vom Durachgelände) entdeckte, stammt aus der gleichen Zeit wie die vielen großen und kleinen Bronzehohlringe, die sich bei der großen Grabungskampagne 1981/82 in Sand fanden. In Todtenweis ist sein Foto von ihnen zu sehen. Die Ringe befinden sich im Wittelsbacher Museum in Aichach im Unteren Stadttor. Solche Hohlringe wurden von den Keltenfrauen als Schmuck verwendet und solche großen wie das Ausstellungsstück meist paarweise an einem Kleidergürtel gehängt. 

    Größtes Grabhügelfeld in Bayerisch-Schwaben bei Sand

    Bei der bisher größten Ausgrabung im Gemeindegebiet wurden im Zuge der geplanten Wohnbebauung zwischen Kapellen- und Wiesenstraße 13 Grabhügel geöffnet. Das Sander Bestattungsfeld mit Brand- und Körpergräbern, das zu den größten Grabhügelfeldern in ganz Bayerisch-Schwaben zählt (1966 wurden noch 230 erkennbare Grabhügel gezählt) und inzwischen überwiegend durch Wohnhäuser und das Durach-Gelände überbaut wurde, ist durch Luftbildaufnahmen dokumentiert und erstreckte sich auch nördlich der Kapellenstraße und nach Westen, einschließlich dem Durachgelände. Auf dem heute noch am deutlichsten erkennbaren Grabhügel steht die Feldkapelle in der Kapellenstraße. 

    In der ehemaligen Schlafkammer steht eine Schrankvitrine.
    In der ehemaligen Schlafkammer steht eine Schrankvitrine. Foto: Franz Riß

    Wie nun der Oberwanger-Fund aufzeigte, war dieses Gräberfeld vielleicht sogar noch größer, als bisher angenommen, wobei nicht auszuschließen ist, dass der vermutlich beim Herausackern beschädigte Oberwanger-Bronzering durch Wildtiere vom ursprünglichen Standort zum Fundplatz verschleppt wurde. Mit Ausnahme dieses keltischen Schmuckstückes gehören alle sonstigen Lesefunde dieser Vitrine der Familie Esser, die diese dem Museum als Dauerleihgabe überlassen hat. Die Familie hat alle Gegenstände auf ihrem großen Wiesengrundstück westlich ihres Hofstadels in den vergangenen Jahren mithilfe eines Metalldetektors gefunden. 

    Fischstecher, Lanzenspitzen und ein Degen in der Wohnstube

    Die zweite Hauptgruppe der Lesefunde befindet sich in einer Tischvitrine der Wohnstube. Es handelt sich dabei vor allem um Gegenstände, die Bauhofmitarbeiter Peter Wagner als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Sein Schwiegervater Karl Lichtenstern, der beim Kieswerk Seemüller arbeitete, stieß 1982 bei der Sichtung von angeliefertem Kies auf drei Lanzenspitzen, eine Bartaxt, einen Fischstecher und ein Hufeisen. Ein Fischstecher dieser Art mit ursprünglich fünf Zacken wurde vom Mittelalter bis in das 17. Jahrhundert zum Fischfang verwendet. Das Hufeisen stammt ebenfalls aus dieser Zeit und wurde von Zugpferden beim Ackerbau verloren. 

    Besonders interessant für die Geschichte von Todtenweis sind die Lanzenspitzen, unter denen sich eine äußerst selten aufgefundene Flügellanzenspitze befindet. Eine solche wurde überraschenderweise 1994 erneut aus der gleichen Kiesabbaugegend geholt. Sie wurde dem Römermuseum in Augsburg geschenkt, wo sie im Depot verschwand. Die beiden Flügellanzenspitzen verdienen nicht nur wegen ihrer Seltenheit, sondern auch wegen ihrer Verwendungszeit besondere Aufmerksamkeit. Durch den Fund eines ungarischen fürstlichen Pferdegeschirrs im Sommer 2011 als erstem und bisher einzigem archäologischen Nachweis der Lechfeldschlacht erfuhren nämlich auch die beiden Flügellanzen eine Neubewertung der Archäologen. Sie umfasst eine schon 1982 ebenfalls in diesem Bereich aufgefundene Pferdetrense, die inzwischen eindeutig als ungarisch identifiziert wurde. 

    Waffen, die bei den Ungarnkämpfen verwendet worden sein könnten

    Die Flügellanzen sind Weiterentwicklungen der einfachen Lanzenspitzen und wurden als Wurflanzen (Speere) verwendet. Entwickelt in der Karolingerzeit (751 bis 919), ist auch eine spätere Verwendung in der Ottonenzeit (ab 919) im ostfränkischen-deutschen Reich nicht ausgeschlossen. Wie die Bartaxt, die auch zur Ausstattung von berittenen Kriegern diente, könnten deshalb auch die Flügellanzen bei den Ungarnkämpfen in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts Verwendung gefunden haben, wo in den Jahren 910 (erster Angriff auf Augsburg), 926 (Belagerung Augsburgs) und 955 (Lechfeldschlacht) auch das Lechfeld nördlich von Augsburg betroffen war. 

    Vervollständigt wird die Waffensammlung in der Tischvitrine durch eine weitere Lanzenspitze, die der Aindlinger Peter Schmidberger vor drei Jahren dem Heimatmuseum übergab. Der gebürtige Binnenbacher fand sie beim Aufkiesen des Sägewerksgeländes seines Bruders Matthias mit Kies aus einer gemeindlichen Grube etwa 400 Meter nördlich des Aindlinger Wasserwachtweihers ("U-Weiher"). Wie die beiden Tüllen-Lanzenspitzen aus dem Lichtenstern-Fundgut stammt die Waffe aus der Merowingerzeit und damit aus dem Frühmittelalter (Ende des 5. Jahrhunderts bis Anfang des 8. Jahrhunderts). 

    Im Gruin-Haus zu sehen: zwei Flügellanzen (links) und die Schmidberger-Lanzenspitze (rechts).
    Im Gruin-Haus zu sehen: zwei Flügellanzen (links) und die Schmidberger-Lanzenspitze (rechts). Foto: Franz Riß

    Zur Ausstattung der Tischvitrine gehört auch ein Degen, der im Herbst 2012 in einem Acker im Lechfeld mit den Flurnamen "Am Wandwasser" gefunden wurde (etwa 500 Meter nordwestlich des "Straller-Feldkreuzes" am Radweg). Er stammt vermutlich aus dem 18. Jahrhundert und könnte im Zusammenhang mit dem Lechübergang einer französischen Division am 24. August 1796 während des 1. Koalitionskrieges stehen. Eine französische Armee unter General Moreau überschritt damals bei Kissing und nördlich von Augsburg bei der Langweider Lechfurt in einem Zangenangriff den

    Auffallend kleine Hufeisen auf dem Lechfeld entdeckt

    Der dritte Teil der Ausstellung befindet sich in der ehemaligen "Schwarzen Küche" des Gruin-Hauses. Im Lechfeld sind die Böden oft besonders schwer, sodass dort immer wieder Pferde, die als landwirtschaftliche Zugtiere dienten, locker sitzende Hufeisen verloren. Bei der Bearbeitung ihrer Äcker fanden die Bauern immer wieder diese verlorenen Hufeisen. Nachdem die meisten davon im Vergleich zu heutigen Hufeisen sehr klein waren, werden sie bis heute als "Hunneneisen" bezeichnet. Wie man heute weiß, waren die Pferde der Hunnen und Ungarn allerdings nicht beschlagen. Woher stammen also diese kleinen Hufeisen? Pferde im Mittelalter hatten ein durchschnittliches Stockmaß von 135 Zentimetern und erreichten selten 150 Zentimeter. Laut einer Präsentation von Kreisheimatpfleger Hubert Raab kann man angesichts der Maße von Schienbein- und Röhrbeinknochen sicherlich nicht von massigen Kaltblütern sprechen, sondern vielmehr von relativ zierlichen und gedrungenen Pferden. Solche Pferde würde man heute bestenfalls als Kleinpferde bezeichnen. 

    Im Gruin-Haus zu sehen: ein Teil der Hufeisensammlung im linken Fach der Vitrine in der Küche.
    Im Gruin-Haus zu sehen: ein Teil der Hufeisensammlung im linken Fach der Vitrine in der Küche. Foto: Franz Riß

    Die Sammlung besteht aus vielen unterschiedlich großen Hufeisen, und grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die kleinsten davon auch die ältesten sind. Den Grundstock zu dieser Hufeisensammlung lieferte Bürgermeister Konrad Carl, der sie auf dem ererbten ehemaligen Hof seines Onkels Albert Riegl in Sand vorfand. Außerdem hinterließ ein unbekannter Finder einige Hufeisen bei der Ausgrabungsstätte des germanischen Urnengräberfeldes 2019 bei den Kleiberwiesen südöstlich des Gewerbegebietes Sand. Ein Hufeisen aus dem Lichtenstern-Fundgut und zwei Eisen von Peter Schmidberger, die dieser erst bei seinem Besuch bei der letzten Öffnung mitbrachte und dem Museum schenkte, komplementieren die Sammlung. 

    Ausstellung auch 2023 noch zu besichtigen

    Die Ausstellung ist noch bei der nächsten offiziellen Öffnung des Museums Ende März 2023 zu besichtigen. Dann sind außerdem zwei Uniformröcke eines königlich-bayerischen Hatschiers (Königlicher Leibgardist) zu sehen, die der Aindlinger Altbürgermeister Tomas Zinnecker im Oktober dem Heimatmusem überließ. 

    Eine weitere neue Erwerbung ist ein "Boarisches Gewand", wie es am Lechrain in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts getragen wurde. Die Hannesbäuerin trägt es auf einem Familienporträt aus dem Jahr 1868 (Heimatbuch Seite 309). Im Original kann das goldfarbene Miedergeschnür mit den vielen Miederhaken bestaunt werden. Das Gewand wurde von Maria Kammerer, die 1913 auf dem Bachwolf-Anwesen (Gaststätte Golling) geboren wurde und in Immendorf bei Pöttmes verheiratet war, in diesem Jahr für das Heimatmuseum abgegeben. Führungen für kleiner Gruppen im Rahmen von Familienfeiern, Klassentreffen oder für Schulveranstaltungen können jederzeit beim Gemeindearchivar oder über den Bürgermeister vereinbart werden. 

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