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Sportporträt: Der Sport hilft auch der Seele

Sportporträt

Der Sport hilft auch der Seele

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    Jeden Montagabend wird in der Aichacher Realschule Sitzball trainiert. Manfred Kaschner ist ein Meister dieses Sports, im Hintergrund Helmut Kristl.
    Jeden Montagabend wird in der Aichacher Realschule Sitzball trainiert. Manfred Kaschner ist ein Meister dieses Sports, im Hintergrund Helmut Kristl.

    Aichach Vor 56 Jahren hatte Manfred Kaschner einen schrecklichen Unfall. Er arbeitete damals bei der Deutschen Bahn in Memmingen. Nach dem Rangieren war er auf dem Gleis unterwegs. Ein Zug, der verspätet einfuhr, erfasste ihn und nahm ihn 60 Meter mit. Kaschner verlor bei diesem Unfall sein rechtes Bein. Er verbrachte die nächsten eineinhalb Jahre im Krankenhaus.

    Dennoch hat sich der heute 74-Jährige niemals aufgegeben. Er kämpfte sich rasch zurück ins Leben, fing drei Jahre später wieder bei der Bahn an und fand im Sitzball eine neue sportliche Herausforderung. Seit der Gründung gehört er dem Versehrtensportverein (VSV) Aichach an, der 1968 als Augsburger Untergruppe entstand und seit 1995 eigenständig ist. Vorsitzender ist derzeit Helmut Grimm. Stellvertreter und Sportwart Kaschner ist eines von drei Gründungsmitgliedern, die noch leben. Seit über 40 Jahren ist er dort als Übungsleiter aktiv.

    Jeden Montagabend ab 17 Uhr treffen sich die aktiven Mitglieder des Vereins in der Aichacher Realschule. Während die einen schwimmen, trainieren die anderen in der Sporthalle Sitzball. „Das Spiel funktioniert ähnlich wie Volleyball, nur eben im Sitzen“, erklärt Kaschner.

    Jedes Team besteht aus fünf Spielern; das Spielfeld misst acht auf zehn Meter. In der Mitte ist eine 1,10 Meter hohe Leine gespannt. Nach der Angabe des Gegners darf der Ball mit der Vorderhand oder Rückhand dreimal gespielt beziehungsweise berührt werden, bis er wieder über die Leine muss. Er darf zwischen jeder Berührung einmal auf dem Boden aufkommen. Bei Turnieren werden zweimal sieben Minuten spielt.

    Stammposition: hinten links

    Turniere hat der Rentner schon einige gespielt – meist auf seiner Stammposition hinten links. Mit dem VSV Aichach wurde er 1986 schwäbischer Meister in Senden. „In den 70er- und 80er-Jahren waren wir gefürchtet, auch weil wir vorne zwei ganz große Spieler hatten“, erzählt Kaschner. Er war auch im Team der Sektion München, das sechsmal an der deutschen Meisterschaft der Eisenbahnversehrten teilnahm. Zweimal holten die Münchner den Titel, zweimal wurden sie Zweiter und einmal Dritter.

    In früheren Jahren haben die Aichacher auch in der Landesliga gespielt. Doch weil dafür der Aufwand zu groß ist und die meisten der rund 50 Mitglieder bereits über 70 Jahre alt sind, spielt die Mannschaft „nur“ noch auf Bezirksebene. Da es generell immer weniger Versehrtenvereine gibt, werden die Gegner aber langsam rar. Auch der VSV Aichach würde sich freuen, wenn mehr junge Mitglieder zum Verein dazustoßen. Kaschner ist sicher, dass es noch viele Versehrte gibt, die sich bisher nicht getraut haben. Dabei helfe der Sport auch der Seele. „Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, dass man doch noch einen Sport machen kann“, sagt er. „Bei uns können die mitmachen, die sonst nirgends mehr mitmachen können.“

    In der Regel sind die Mitglieder des Vereins Bein- oder Armamputierte sowie Allgemeinversehrte, die etwa Probleme mit dem Knie, der Hüfte oder der Wirbelsäule haben. Als der Verein gegründet wurde, gehörten ihm laut Kaschner 30 Kriegsversehrte an, heute sind es noch drei.

    Der gebürtige Schlesier Kaschner, der seit 1957 in Aichach lebt, ist auch in anderen Vereinen ehrenamtlich tätig. Immer wieder wird er flotten Schrittes in der Aichacher Innenstadt gesichtet – mit seinen beiden Krücken. Die Prothese, die er früher trug, liegt arbeitslos zu Hause. Noch weniger brauche er einen Rollstuhl. „Ich will ja laufen.“

    Manchmal wundert sich der Witwer und Vater eines Sohnes über die Leiden der sogenannten Zweibeiner: „Wenn ich Leute sehe, die zwei Beine haben und daherkommen wie Alte, sage ich immer, von nichts kommt nichts.“

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