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Ringen: Oguz Özdemir: Trainer, Ziehvater und Freund zugleich

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Oguz Özdemir: Trainer, Ziehvater und Freund zugleich

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    Eine Ringerfamilie: Trainer Oguz Özdemir (links) pflegt eine besondere Beziehung zu seinen Schützlingen. Auch privat gibt der 38-Jährige den jungen Sportler Hilfestellung. Auch Obaid Besmelabi (rechts) hat seinem Coach und dem TSV Aichach viel zu verdanken.
    Eine Ringerfamilie: Trainer Oguz Özdemir (links) pflegt eine besondere Beziehung zu seinen Schützlingen. Auch privat gibt der 38-Jährige den jungen Sportler Hilfestellung. Auch Obaid Besmelabi (rechts) hat seinem Coach und dem TSV Aichach viel zu verdanken. Foto: Johannes Graf

    Wenn Oguz Özdemir über seinen Sport spricht, strahlt er. Dem Trainer der Aichacher Ringer merkt man sofort an, dass er die Zusammenarbeit mit seinen Athleten liebt und lebt. Doch als sich der 37-Jährige das Video ansieht, wird er plötzlich ganz still. Der Trainer der Ringer des TSV Aichach spricht nun deutlich langsamer bis er schließlich ganz aufhört zu reden. Auf dem Smartphone läuft ein Film, der seinen ehemaligen Ringer Anton Malz zeigt. Beim Anblick seines Schützlings kann Özdemir die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der Augsburger Malz war am 17. Dezember 2015 an Herzversagen im Alter von nur 23 Jahren gestorben.

    Anton Malz (links) fehlt im Team der Aichacher Ringer. Er starb vor einem Jahr an Herzversagen im Alter von nur 23 Jahren.
    Anton Malz (links) fehlt im Team der Aichacher Ringer. Er starb vor einem Jahr an Herzversagen im Alter von nur 23 Jahren. Foto: Peter Thurner

    Eine traurige Melodie begleitet das Video, das dem Verstorbenen gewidmet ist: „Until we meet again (in memory of Anton Malz) – zu deutsch: Bis wir uns wieder sehen (in Erinnerung an Anton Malz). Es zeigt den Ringer, der seit 2009 für den TSV Aichach auf die Matte ging: Kämpfe, Jubel und Freude – aber auch das drumherum aus vielen Jahren TSV. Ein Jahr nach seinem Tod erinnert das Video an den 23-Jährigen. Zwei Freunde haben es zusammen mit dem HDTV 1 Studio München produziert und online gestellt. Özdemir hat den Kurzfilm schon öfter gesehen. Dennoch gehen ihm die Bilder jedes Mal nahe. „Anton, Anton“ – rufen die Zuschauer am Anfang und am Ende des Videos. Auch Özdemir ist zu sehen. Er bereitet seinen Schützling auf den Kampf vor, feuert ihn an und umarmt ihn nach einem Sieg. „Seine Frisur war in den Anfangsjahren schrecklich“, sagt Özdemir, während er seine Brille abnimmt und sich die Tränen aus den Augen wischt. Er holt tief Luft und flüstert: „Es ist eine schöne Erinnerung, aber es macht auch deutlich, dass Anton nie wieder kommen wird.“

    Özdemir: „Er war ein besonderer Mensch.“

    Der Verlust geht Özdemir auch deshalb nahe, weil er eine sehr enge Beziehung zu seinen Ringern pflegt. Malz übernachtete an Wettkampfwochenenden sogar öfter bei seinem Coach. „Er war ein besonderer Mensch.“ Allgemein setzt sich der Industriekaufmann für seine Sportler ein. „Ich kämpfe immer mit“, sagt der Trainer, der seinen Schützlingen mehr beibringen will als Wurftechniken: „Beim Ringen geht es um Charakter und Einstellung. Ich möchte etwas zurückgeben. Sie sollen auch etwas fürs Leben mitnehmen.“ Der ehemalige Zweitliga-Ringer ist auch abseits der Matte für seine Schützlinge da. „Er macht so viel für die Nachwuchsathleten und den Verein. Er ist mit viel Leidenschaft dabei“, beschreibt Abteilungsleiter Robert Held die Arbeit Özdemirs. Egal ob bei der Sponsorensuche oder der Organisation von Turnieren – Özdemir, der seit 2006 beim TSV als Trainer arbeitet, helfe immer. Und das obwohl er seit dieser Saison auch noch den Oberligisten KSV Unterelchingen (Baden-Württemberg) trainiert.

    Özdemirs Hilfsbereitschaft kennt auch Obaid Besmelabi. Der Afghane kam vor zwei Jahren als Flüchtling nach Deutschland. Özdemir holte den heute 19-Jährigen zum TSV Aichach, obwohl Besmelabi in einer Unterkunft in Ingolstadt untergebracht war. An den Wochenenden beherbergte ihn Özdemir. Dank Trainer und TSV-Vorstand gelang es, dem Ringer eine Stelle bei der Firma Decker in Aichach zu vermitteln, wo er seit März als Produktionshelfer arbeitet. Mittlerweile wohnt Besmelabi, der im Aichacher Dress noch unbesiegt ist, in Kühbach. Özdemir ist zusätzlich Dolmetscher – die beiden verständigen sich auf Türkisch. Die Abteilung hilft bei Behördengängen. Derzeit kämpfen sie um eine neue Arbeitsgenehmigung, die samt Ausweis am 17. Januar abläuft.

    Der ehemalige Aichacher Ringer Denis Kudla präsentiert seine Bronze-Medaille.
    Der ehemalige Aichacher Ringer Denis Kudla präsentiert seine Bronze-Medaille. Foto: Sergei Ilnitsky (dpa)

    Ehemaliger Aichacher Ringer holt Bronze bei Olympia

    Viel zu verdanken hat dem Trainer auch Denis Kudla. Der 21-jährige Ringer gewann bei den Olympischen Spielen in Rio im August die Bronzemedaille. Als Kind trainierte er sechs Jahre lang unter Özdemir in Aichach, bis er mit 12 Jahren weiterzog. „Ich habe an seinem Erfolg keinen Anteil, das hat er sich selber erarbeitet“, sagt Özdemir, der Kudlas Kämpfe in der TSV-Gaststätte verfolgt hatte und fast mehr ins Schwitzen gekommen war als der Kämpfer selbst: „Ich habe nicht nur mitgefiebert, sondern mitgerungen.“ Nicht von ungefähr schaute der Olympia-Dritte wenige Wochen nach seinem Erfolg bei seiner alten Aichacher Ringerfamilie vorbei.

    Zusammenhalt: Die Ringer des TSV Aichach tragen T-Shirts mit dem Bild ihres verstorbenen Teamkollegen Anton Malz.
    Zusammenhalt: Die Ringer des TSV Aichach tragen T-Shirts mit dem Bild ihres verstorbenen Teamkollegen Anton Malz. Foto: Peter Thurner

    Dieser Zusammenhalt gefällt Özdemir besonders gut. „Wir sind mittlerweile fast ausschließlich Aichacher Jungs. Da entsteht ein enges Band.“ Vor der Saison ließen sich die TSV-Ringer T-Shirts mit einem Bild ihres verstorbenen Teamkollegen Anton Malz bedrucken: „Die hatten wir bei jedem Kampf an. Auf der Fahrt nach Kottern haben wir alle gemeinsam an Antons Grab halt gemacht“, erzählt der Trainer, der trotzdem nach vorne blickt. „Wir müssen weitermachen, auch für Anton.“ Mit der abgelaufenen Landesliga-Saison und Platz vier ist Özdemir zufrieden: „Wir hätten sogar noch weiter vorne landen können. Für unsere Verhältnisse war das eine gute Leistung.“

    TSV Aichach: Gedenken an Anton Malz

    Bevor die neue Saison im September beginnt, stehen für die Aichacher Ringer erst einmal viele Einzelturniere an. Highlight ist das Wittelsbacher-Land-Turnier, bei dem jedes Jahr Nachwuchsringer aus ganz Europa an den Start gehen. Egal ob Turnier oder Wettkampf, Anton Malz begleitet seinen Trainer. Um den Hals trägt Özdemir eine Kette mit Anhänger: Dort ist das Gesicht seines verstorbenen Schützlings zu sehen.

    „Hallo Anton, heute vor einem Jahr bekam ich die Nachricht, dass du von uns gegangen bist. Noch heute bin ich schockiert. Mein Ringer, mein Freund, mein Ziehsohn. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dich denke. Ich trage Dich an und bei mir. ANTON DU FEHLST UNS! DU FEHLST MIR!“ – diese Worte postete Özdemir auf seinem Facebook-Profil am 17. Dezember, dem Todestag von Anton Malz.

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