Michael Teuber aus dem Odelzhauser Ortsteil Dietenhausen hat in seiner Karriere bereits fünf paralympische Goldmedaillen gewonnen. Der 49-jährige Profi-Radrennfahrer ist seit einem Unfall behindert. Seit seinem 18. Lebensjahr sind Teubers Unterschenkel komplett gelähmt. An Sport war zunächst nicht zu denken, doch er kämpfte sich zurück. Vor vier Monaten siegte Teuber im olympischen Straßenrennen von Rio de Janeiro. Am Sonntag macht er sich auf, den 6278 Meter hohen Berg Chimborazo in Ecuador zu besteigen.
Herr Teuber, wie kommt man auf die Idee, einen solchen Berg zu besteigen?
Michael Teuber: Ich habe ja schon etwas Erfahrung im Bergsport. Das Bergsteigen war schon immer eine Herausforderung für mich. Das Gefühl, wenn man den Gipfel erreicht, ist einfach toll.
Was macht die Faszination für Sie aus?
Teuber: Man kommt etwas zur Ruhe und besinnt sich auf einen selbst. Das Bergsteigen hat mich schon immer fasziniert. Das ist für mich eine riesige Herausforderung. Aufgrund meines Handicaps muss ich schauen, was geht und wo meine Grenzen liegen. Ich habe zunächst ein paar Berge mit 3000 Metern bewältigt und mich dann gesteigert. 2010 war ich auf dem Kilimanjaro – der ist 5985 Meter hoch. Und jetzt wage ich mich an den 6000er.
Wie kamen Sie zum Bergsteigen?
Teuber: Ich war als Kind mit den Eltern öfter in den Bergen und durch den Wintersport als Jugendlicher habe ich eine Leidenschaft für die Berge entwickelt. Nach dem Unfall war an Klettern nicht zu denken. Zehn Jahre danach habe ich wieder eine Tour unternommen.
Und jetzt geht es nach Ecuador. Warum gerade dieser Berg?
Teuber: Die höchsten Berge Südamerikas faszinieren mich schon länger. Prinzipiell muss ich schauen, was für mich aufgrund meiner Behinderung machbar ist. Wenn die Wege zu steil sind, komme ich mit meinem Handicap nicht hoch, weil ich keine richtige Klettertechnik beherrsche. Vulkane wie der Chimborazo sind etwas flacher.
Gefährlich ist es aber trotzdem?
Teuber: Natürlich! Es gibt nicht nur dort einen großen Bergsteigerfriedhof. Eine spezielle Gefahr für mich ist die Kälte. Da ich wegen meiner Lähmung die Beine nicht spüre, besteht die Gefahr, dass ich nicht merke, wenn meine Füße erfrieren. Gerade deshalb ist die Vorbereitung sehr wichtig, genauso wie eine gute Ausrüstung. Wanderstöcke und Eispickel sind Pflicht. Dennoch bleibt immer ein Stück Unsicherheit und die Angst, dass etwas passieren könnte. Mit meiner Behinderung ist es eine besondere Herausforderung, aber auch ein zusätzliches Risiko.
Ihre Frau war bestimmt begeistert?
Teuber: Wenn Sie Zeit gehabt hätte, wäre sie wohl bis zum Hochlager mitgekommen. Sie findet es einerseits toll, hat aber natürlich auch Angst um mich.
Wie bereiten Sie sich auf so eine Tour vor?
Teuber: Ich stelle mein Training um, gehe viel Wandern und mache Nordic Walking. Seit sechs Wochen bin ich nur noch vereinzelt aufs Rad gestiegen. Vor Ort machen wir zunächst ein Höhentraining, bei dem wir Berge mit 4000 und 5000 Meter besteigen, um uns zu akklimatisieren.
Das klingt, als wären Sie dabei nicht allein?
Teuber: Ich gehe in einer regulären Gruppe unter der Leitung von Bergsteigerlegende Marco Cruz hoch. Mein Freund Thilo Komma-Pöllath, der auch Co-Autor meiner Autobiografie „Aus eigener Kraft“ ist, bildet mit mir und einem Bergführer eine Seilschaft. Als Solist könnte ich gar nicht auf den Gipfel gehen.
Warum gehen Sie da hoch, wollen Sie eine Botschaft vermitteln?
Teuber: Es kommt nicht darauf an, ob man körperlich benachteiligt ist oder nicht. Der Wille zählt. Ich möchte mit meinen Leistungen zeigen, dass man auch mit einer Behinderung viel erreichen kann. Ich setzte damit aber auch ein Zeichen für das Thema Inklusion. Denn diese Herausforderung kann ich nicht als Einzelkämpfer, sondern nur im Team der Seilschaft bewältigen.“
Was ist die größte Herausforderung bei dieser Bergtour?
Teuber: Das ist definitiv der Gipfeltag. Bei Minus 20 Grad geht es um Mitternacht aus dem Zelt im Hochlager (5600 Meter) raus. Im Dunkeln steigen wir dann den 45 Grad steilen Gletscher hinauf. Dazu kommt die dünne Höhenluft – das wird eine echte Kraft- und Willensprobe. Bei Sonnenaufgang kommen wir dann hoffentlich oben an. Dann folgt der lange Abstieg bis ins Basislager (4000 Meter), insgesamt werden wir circa 15 Stunden unterwegs sein. Bei so einem Pensum musst du über deine Schmerzgrenze drüber gehen, darfst dich aber auch nicht überschätzen.
Was ist der Unterschied zum Radfahren?
Teuber: Natürlich habe ich die notwendige Kondition vom Radfahren. Aber ich brauche immer längere Zeit, um mich an die veränderten Herausforderungen zu gewöhnen. Beim Bergsteigen ist vor allem Muskelkraft gefragt, da nutzt einem irgendwann die Kondition nichts mehr.
Sehen wir Sie in Zukunft nur noch auf den Bergen oder was macht das Radfahren?
Teuber: Bis Tokio 2020 fahre ich auf jeden Fall weiter Rad. Ende August sind die Weltmeisterschaften in Südafrika. Das ist mein großes Ziel, für das ich schon bald wieder anfange, zu trainieren.