Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Seniorin durch Romance Scam um Erbe betrogen: Prozess in Augsburg

Augsburg

Betrügerbande bringt Seniorin mit Romantik-Masche im Internet um ihr Vermögen

    • |
    • |
    Zwei Justizbeamte führen den Angeklagten, der Fußfesseln tragen muss, zur Anklagebank. Er soll gemeinsam mit drei anderen Beteiligten eine Seniorin um ihr Vermögen gebracht haben, indem sie ihr im Internet eine Liebesbeziehung vorgaukelten.
    Zwei Justizbeamte führen den Angeklagten, der Fußfesseln tragen muss, zur Anklagebank. Er soll gemeinsam mit drei anderen Beteiligten eine Seniorin um ihr Vermögen gebracht haben, indem sie ihr im Internet eine Liebesbeziehung vorgaukelten. Foto: Philipp Holzhey

    In Fußfesseln wird der Angeklagte von zwei Justizbeamten zur Anklagebank geführt. Seit Mai sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Gablingen in Untersuchungshaft. Er soll zusammen mit drei weiteren Beteiligten eine Münchner Seniorin um das Vermögen gebracht haben, das sie von ihrem verstorbenen Lebenspartner geerbt hatte. Mit dem erfundenen Profil des amerikanischen Architekten Jerry Anderson spielten sie der 70-jährigen Frau auf einer Online-Singlebörse eine Liebesbeziehung vor. Dass die Seniorin keine Erfahrung im Online-Dating hatte, nutzten sie aus. Welche Rolle der Angeklagte im komplexen Betrugskonstrukt spielte und welche Strafe ihn erwartet.

    Die Anklageschrift, die Staatsanwältin Christina Knöpfle zu Beginn der Verhandlung des Schöffengerichts am Augsburger Amtsgericht verlas, war lang. Sie warf dem Angeklagten vierfachen gewerbsmäßigen Betrug mit einem Gesamtschaden in Höhe von 72.000 Euro vor. Dabei soll der 29-Jährige gemeinschaftlich mit zwei bereits im Juni verurteilten Beteiligten, darunter eine Aichacherin, und einem nach wie vor unbekannten Hintermann die Planung und Organisation übernommen haben, wie die illegal erhaltenen Geldbeträge legal weiter transferiert werden konnten. Alle vier Tatbeteiligten stammen aus Nigeria.

    Münchner Seniorin fällt auf gefälschte Bankseite herein

    Die Nachrichten, die die Münchnerin von dem falschen Architekten erhielt, verfasste der unbekannte Hintermann und leitete sie an eine 24-jährige Aichacherin weiter, die dann als Jerry Anderson mit der Seniorin in Kontakt trat. Schon nach kurzer Zeit gab Anderson an, für ein Projekt nach Zypern zu müssen. Wenig später tauchten angeblich Probleme auf. Er müsse Steuern zahlen, um weiterarbeiten zu dürfen. Insgesamt 28.000 Euro. Zudem gab er an, keinen Zugriff mehr auf sein Konto zu haben und bat die Seniorin, ihm auszuhelfen.

    Sie sollte sich von Deutschland aus in seinem Bankkonto anmelden und ihm die Summe überweisen. Um die 70-Jährige zu täuschen, erstellten die Kriminellen eine gefälschte Bank-Website, die einen Kontostand von etwa 1,3 Millionen Dollar anzeigte. Kurz darauf sperrte sich das Konto und die Frau wurde in dem Glauben gelassen, dass ihr Login-Versuch schuld an der Sperrung sei. Da sie die Vermögenswerte des angeblichen Architekten für echt hielt, überwies sie das Geld, um Anderson in seiner vermeintlich misslichen Lage auszuhelfen.

    Angeklagter nahm die Rolle des Vermittlers zwischen Hintermann und Tatbeteiligten ein

    Es folgten weitere vorgetäuschte Schwierigkeiten und die Seniorin überwies insgesamt viermal auf ein deutsches Konto, das Anderson ihr angegeben hatte – 72.000 Euro in Summe. Der Angeklagte nahm dabei die Rolle des Vermittlers zwischen Hintermann und den beiden bereits verurteilten Tatbeteiligten ein. In seiner Aussage bestritt er, jemals etwas davon mitbekommen, geschweige denn gewusst zu haben, dass es sich bei dem Geld um Betrugsgeld handelte.

    Der Hintermann, den alle nur Emmanuel oder Emma nennen und dessen Nachnamen der Angeklagte nicht kennen will, habe ihn angerufen und um Hilfe gebeten, Gelder zu überweisen. „Ich habe ihn dann gefragt ,was für Gelder?‘ und er hat gesagt, ,Business-Gelder‘“. Ich habe erst nach meiner Festnahme erfahren, woher das Geld stammte“, sagte der Angeklagte. Die Seniorin will er weder gekannt noch Kontakt zu ihr gehabt haben. Da er laut eigener Aussage kein deutsches Konto hatte, beauftragte er einen Bekannten damit, die Überweisungen der Seniorin weiterzuleiten. In kleinen Beträgen und auf verschiedene Konten, um bei den Banken keinen Geldwäscheverdacht zu erregen.

    Angeklagter beteuert, von Hintermann einer Gehirnwäsche unterzogen worden zu sein

    „Emmanuel hat mich einer Gehirnwäsche unterzogen, dass ich auch Teil dieser Straftat werde, die er begangen hat“, beteuerte der Angeklagte. Er selbst habe nie Geld erhalten oder gesendet. Das konnte ihm tatsächlich nicht nachgewiesen werden, jedoch bewiesen Chats mit seinem Bekannten, die die Polizei auf seinem Handy sicherstellte, dass er sehr wohl darüber Bescheid wusste, was mit der Münchner Seniorin passierte.

    Auch seinen Kontakt zu Hintermann Emma konnte der 29-Jährige dem Gericht nicht glaubhaft erklären. Diesen habe er seit der Schulzeit in Afrika nicht mehr gesehen. Staatsanwältin Knöpfle hinterfragte das: „Irgendein Emmanuel ruft Sie an und weist Sie an, ,Business-Money“ zu transferieren?“ Eine plausible Antwort gab der Angeklagte aber nicht.

    Richterin sieht hohe kriminelle Energie und organisationsähnliche Strukturen

    In Konsequenz sah Knöpfle in ihrem Plädoyer alle Anklagepunkte als bestätigt an. Man könne anhand der Chatnachrichten genau nachvollziehen, dass der Angeklagte wusste, worum es ging. Er habe die Rolle des Mittelsmanns eingenommen. Aufgrund des erheblichen finanziellen und psychischen Schadens, den die Geschädigte erlitt, forderte sie eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Verteidigerin Catharina Müller konnte aufgrund der Beweislage nur darauf abstellen, dass ihr Mandant beteuerte, unschuldig zu sein und nicht vorbestraft ist. Sie hielt eine Freiheitsstrafe von unter drei Jahren für angemessen.

    Richterin Susanne Scheiwiller kündigte bereits nach den Plädoyers an: „Wir werden nicht lange brauchen.“ Und sie hielt Wort. Nach etwa fünf Minuten stand das Urteil fest: drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe. Sie begründete es damit, dass dem Angeklagten die Handynummer, von der aus die Chatnachrichten geschrieben worden waren, eindeutig zugeordnet werden konnte. Zudem sah sie eine hohe kriminelle Energie und organisationsähnliche Strukturen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden