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Region Augsburg: Demographie: Wächst die Region Augsburg zu schnell?

Region Augsburg

Demographie: Wächst die Region Augsburg zu schnell?

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    Immer mehr Menschen leben in der Region – Tendenz steigend: In den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg steigen die Bevölkerungszahlen bis 2038 um acht Prozent (und mehr). Macht die Infrastruktur das mit?
    Immer mehr Menschen leben in der Region – Tendenz steigend: In den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg steigen die Bevölkerungszahlen bis 2038 um acht Prozent (und mehr). Macht die Infrastruktur das mit? Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenn Christian Rindsfüßer, 56, über Statistik redet, braucht er beide Hände. Mit der rechten ruft er an seinem Laptop eine Präsentationsfolie nach der anderen auf. In der linken hat er einen Kugelschreiber, mit dem er Entwicklungen in die Luft zeichnet. Auf dem PC-Bildschirm sind Kurven, Tabellen, gelbe, grüne, rote Törtchen- sowie Balken-Diagramme, Raster, Karten zu sehen. Die Törtchen und Balken stehen für Menschen, es geht um die Einwohner in der Region Augsburg.

    Region Augsburg: Vor fünf Jahren hat keiner so viele Geburten vorher gesehen

    Bayern, Schwaben, die Kreise Augsburg und Aichach-Friedberg wachsen. Immer mehr Menschen leben an Lech, Wertach und Paar. „Vor fünf Jahren hat keiner vorher gesehen, dass die Zahl der Geburten in

    Seinen Kaffee hat Rindsfüßer noch nicht angerührt und wird das bis zum Ende des Gesprächs auch nicht tun, so sehr ist er in seinem Element: Prognosen, Entwicklungen, Folgen. Eine Voraussage schaute sich Rindsfüßer diesen Monat genau an: Die Einwohnerzahl in Bayern steigt bis 2038 um vier Prozent an. Das ist das Ergebnis der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes. 13 Millionen Menschen leben derzeit im flächenmäßig größten Bundesland. In Schwaben sind es knapp 1,9 Millionen. Die Kreise Augsburg, derzeit 252000 Einwohner, und Aichach-Friedberg, 133000, legen bis 2038 besonders stark zu: Rund 8,2 Prozent mehr Menschen im Kreis Augsburg und acht Prozent mehr im Wittelsbacher Land leben dann in der Region. Im Dezember hat Augsburg die 300000-Einwohner-Marke geknackt.

    Christian Rindsfüßer, Statistiker und Leiter des Instituts für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (Sags) in Augsburg.
    Christian Rindsfüßer, Statistiker und Leiter des Instituts für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (Sags) in Augsburg. Foto: Philipp Schulte

    Aichach-Friedberg: Kinder-Boom nur ein Grund des Wachstums

    Dass immer mehr Kinder in Aichach-Friedberg und im Kreis Augsburg geboren werden, ist für Rindsfüßer nur ein Grund für den Bevölkerungszuwachs. Ein weiterer ist, dass es viele Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze in der Region gibt. Als Teil der Metropolregion München sei der Ballungsraum Augsburg attraktiv. Zudem sei die Audi-Stadt Ingolstadt mit der Paartalbahn und über die B300 gut zu erreichen. Interessant an der Analyse ist, dass es ohne Zuzügler mittel- und langfristig zu einem Bevölkerungsrückgang in der Region kommen würde. In den nächsten Jahren sterben laut Rindsfüßer mehr Menschen, als geboren werden.

    Woher stammen die Menschen, die ins Wittelsbacher Land und in den Kreis Augsburg ziehen? Rindsfüßer fallen zuerst Menschen aus der Europäischen Union und anderen Ländern ein: Süd-, Südost- und Osteuropäer, die mit ihren Familien kommen. Der Flüchtlingszuzug hingegen werde überschätzt, sagt der Statistiker, der in seiner Heimatstadt Neusäß Stadtrat ist. Bedeutender seien hierbei junge Familien, die von der Stadt aufs Land ziehen. „Das erste Kind“, sagt Rindsfüßer, „bekommen Paare meist noch in der Stadt“. Dann werde es dort zu klein und zu teuer, sodass junge Familien ins Grüne ziehen.

    Manche Verkehrsprojekte für weniger Menschen konzipiert

    Die höheren Einwohnerzahlen führen Rindsfüßer zufolge dazu, dass die Infrastruktur zum Teil an Grenzen komme. Manche Verkehrsprojekte seien in den 1970er- Jahren für weniger Menschen konzipiert worden. Die Folge seien Staus und volle Züge. „Wir brauchen mehr Straßenbahnen und Busse“, sagt Rindsfüßer. Und vor allem Menschen, die sie fahren. „Von Mitte der 2020er-Jahre an wird der Personalnotstand deutlich größer“, sagt er und zieht Kreise mit seinem Stift. Menschen aus der Generation der Babyboomer, also zwischen Mitte der 1950er- bis Ende der 1960er-Jahre Geborene, gingen in Rente. Die Region brauche etwa mehr Polizisten, Lehrer, Pflegekräfte oder Erzieher. Außerdem steige die Zahl der Pflegebedürftigen sowie der Bedarf an Hospiz- und Palliativversorgung, weil es in diesem Jahrzehnt immer mehr über 85-Jährige gebe.

    Mering, Friedberg, Aichach und Kissing sind besonders gefragt

    Einer, der bereits spürt, dass immer mehr Menschen im Wittelsbacher Land leben, ist Robert Englmeier, 47. Er ist Geschäftsführer der Wohnbau GmbH für den Kreis Aichach-Friedberg, eine Wohnungsbaugesellschaft, und seit 26 Jahren in der Immobilienwirtschaft tätig. Besonders für Mering, Kissing, Friedberg und Aichach fragten Wohnungssuchende wegen bezahlbaren Wohnungen an. „Ich sehe mit Schrecken, was die Leute zahlen müssen“, sagt er. Zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter Miete und 4000 bis 5000 Kaufpreis seien in den beliebten Gebieten normal. „Viele Grundstückeigentümer haben hohe Preisvorstellungen, da es ein geringes Angebot und hohe Nachfrage gibt.“ Aus Englmeiers Sicht müssen neue Flächen für öffentlich geförderten Wohnungsbau in Gebieten mit guter Infrastruktur, sprich in der Nähe von Schulen, Haltestellen oder Ärzten ausgewiesen werden. Aber Grundstücke seien endlich und übermäßiger Flächenfraß aus ökologischer Sicht problematisch. Eine Möglichkeit sei, bestehende Flächen nachzuverdichten, also Gebäude zu ergänzen oder durch größere zu ersetzen.

    Todtenweis: Neu bauen stößt auf Widerstand

    Dass neu bauen auch auf Widerstand trifft, zeigt ein Beispiel aus dem Dorf Sand in der Gemeinde Todtenweis im Norden des Wittelsbacher Landes, 425 Einwohner. Der Bauunternehmer Franz Pils aus Klosterlechfeld im Kreis Augsburg hat dort ein 13000 Quadratmeter großes Grundstück gekauft. Sein Vorhaben gleicht dem Bau eines städtischen Wohnviertels: Sechs Mehrfamilienhäuser, sechs Einfamilienhäuser, zwei Doppelhäuser, eine Kita und ein Geschäftshaus sollen entstehen. 175 Menschen könnten dort leben. Doch der Gemeinderat lehnte die Bauvoranfrage im Dezember ab. Bürgermeister Konrad Carl sagte, dass das Projekt nicht in das Dorf passe und die Gemeinde nicht in der Lage sei, das Gebiet zu erschließen. Der Investor kritisierte die Entscheidung.

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