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Pöttmes: Zu Besuch in der Wurstküche Ottillinger: So wird eine Weißwurst hergestellt

Pöttmes

Zu Besuch in der Wurstküche Ottillinger: So wird eine Weißwurst hergestellt

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    Unter den Schuhen schmatzt das Wasser. Große Metallwannen werden laut klappernd über den roten Industrieboden der Wurstküche geschoben. Es zischt, als die große Vakuumkutter-Maschine nach mehreren Minuten schneiden mit einem lauten Surren ihren hydraulischen Deckel öffnet. Langsam ergießt sich eine fleischige Masse, die "weiße Ware", wie sie Metzgermeister Daniel Trübenbach nennt, über die Förderrampe in die darunter platzierte Wanne. Die Luft füllt sich mit dem Duft von Gewürzen. Eine Note von Petersilie, weißem Pfeffer und Zwiebeln mischt sich mit dem allgegenwärtigen Geruch von roher, gebrühter und geräucherter Fleischware. Die Zeit: 3.08 Uhr. Nur noch etwas mehr als eine Stunde, bis die Weißwürste der Metzgerei Ottillinger ihren Weg von Pöttmes in verschiedene Wursttheken im Landkreises antreten werden. 

    Das Zutatenverhältnis ist bei der Herstellung der Weißwurst entscheidend

    Trübenbachs Arbeitstag ist da schon fast zwei Stunden alt. Um 2.30 Uhr macht er sich an die Weißwurst-Produktion. Mit prüfendem Blick begutachtet der Metzgermeister die Lagerkisten in der Kühlkammer. Zwei, drei geübte Handgriffe genügen dem zweiten Betriebsleiter der Metzgerei Ottilinger, um die richtige Menge und das richtige Verhältnis an Fleischstücken für die Weißwurst-Rohmasse, das Brät, auszusuchen. Seit zehn Jahren arbeitet der 42-Jährige als Metzger in dem Pöttmeser Betrieb und erzählt: "Mein Opa war schon Metzger und ich hab’ recht schnell gemerkt, dass es genau meins ist." 

    60 Kilogramm Kalb und Schweinefleisch, -speck und -backen bugsiert er in eine Rollwanne und schiebt sie auf eine große Waage. "Ein entsprechender Fettanteil ist wichtig bei der Herstellung der weißen Ware - als Geschmacksträger. Außerdem sorgt es für einen flaumigen Biss", erklärt Trübenbach. Die "weiße Ware", also das typisch weiße Brät, dient neben der Weißwurst auch als Grundlage für die Gelbwurst, den Kalbskäse und die Geschwollenen. Von der Waage geht es weiter zum Fleischwolf. Dieser zerkleinert das Fleisch in kleine Fetzen und sortiert automatisch Sehnen und weitere Fleischbestandteile wie Knorpel aus, die den Geschmack beeinträchtigen würden.

    Anschließend karrt Trübenbach die grob geschnittene Masse neben ein großes ringförmiges Gerät, den Vakuumkutter, der entfernt an eine Zuckerwattemaschine erinnert. Ein hydraulischer Arm hebt die Wanne über den Rand der Maschine und füllt die Fleischware in die Ringform hinein. "Darin sind acht Messerreihen, die die Fleischmasse bei starker Rotation sämig zerkleinern", erklärt der Metzgermeister. An einem Regaltisch daneben öffnet er verschiedene Gewürzsäcke und füllt mit einer Art Sandkastenschaufel Salz, Koriander, Zitronengewürz, Muskatnuss und weißen Pfeffer in einen kleinen Eimer. Danach greift er zu einem Beil und zerteilt ein paar große Eisbrocken in einer Wanne direkt neben dem Tisch. 

    Die Abläufe in der Wurstküche sind perfekt aufeinander abgestimmt

    Der Inhalt beider Eimer landet in der mittlerweile fein geschnittenen Brätmasse. Anschließend verschließt der Metzgermeister die Maschine und stellt auf Vakuummodus. Dabei erklärt er: "Das Scherbeneis wird benötigt, um die Fleischmasse bei der hohen Geschwindigkeit nicht zu heiß werden zu lassen und eine gute Sämigkeit zu erreichen." Das Kochsalz ziehe das Eiweiß aus der Masse heraus und verleihe der Wurst in Kombination mit der durch die Rotation entstehenden Wärme so die typisch weiße Farbe. Das künstlich erzeugte Vakuum im Inneren der Maschine soll Luft aus dem Brät ziehen sowie Farbbindung, Haltbarkeit und Bissfestigkeit erhöhen. 

    Während Trübenbach seine Aufmerksamkeit der Maschine widmet, drängt sich ein Kollege an ihm vorbei, der aus einer der Räucherkammern eine Charge Fleischgut herausholt. Binnen weniger Augenblicke verbreitet sich in der Wurstküche ein markantes Raucharoma. "Wir haben hier allein in der Wurstküche fünf Mitarbeitende, die jeder und jede auf einem Gebiet spezialisiert sind", sagt der Metzgermeister, während eine weitere Kollegin eine Kiste Geräuchertes zum Verpackungsraum trägt. Insgesamt seien 40 Menschen am Produktionsstandort in Pöttmes für das Schlachten und Zerlegen der Tiere sowie für das Weiterverarbeiten, Verpacken und Abtransportieren der Fleischwaren zuständig. "Da haben wir alles in der eigenen Hand und können gezielt unsere eigenen Qualitätsstandards anwenden", fügt Trübenbach hinzu. 

    Am Schluss folgt für die Weißwurst der Schock im Eiswasser

    Mittlerweile ist die Temperatur im Kutter deutlich abgesunken. Trübenbach erhöht deshalb leicht die Rotationsgeschwindigkeit und reduziert das Vakuum in der Maschine per Knopfdruck. Dabei erklärt er: "Zehn Grad braucht es, um die perfekten Bedingungen zu erreichen, bei denen sich Wasser, Fett und Mageranteil zur gewünschten Masse vermengen". Für die Wurstmasse gibt es dann noch eine Runde Eis, die typische grüne Petersilie und ein paar ganze, geschälte Zwiebeln. Generell habe aber jede Metzgerei ihre eigene Vorgehensweise und ihr eigenes Rezept. 

    Ein Piepton kündigt das Ende des Schneidevorgangs an. Die Fleischmasse fließt über ein Förderrad in die silberne Transportwanne und wird zur Abfüllstation gebracht. Dort wartet bereits ein Gefäß mit in Wasser eingelegten Naturdärmen. "Wir verwenden Schweinedünndarm mit 30 Millimeter Durchmesser", weiß Trübenbach. Während ein weiterer Hydraulikarm die Wurstmasse in den riesigen silbernen Trichter hievt, zeigt das Display an der Vakuumabfüllstation 85 Gramm Füllung pro Wurst an. Innerhalb weniger Sekunden schießt die Abfüllspritze die Wurstmasse in die Därme und bringt diese zum Rotieren, um die Würste punktgenau abzubinden. So werden in kürzester Zeit 60 Kilogramm Weißwürste abgefüllt. Weitere 60 Kilogramm sollen noch folgen, um den Bedarf von etwa 1400 Stück pro Tag abzudecken. 

    Die Weißwurst-Schlangen werden schließlich in ein großes Heißwasserbad verfrachtet. 35 Minuten lang werden sie dort bei 70 Grad erhitzt, um sie für den Transport und die Lagerung Zuhause haltbar zu machen. Alle zehn Minuten greift Trübenbach zu einem überdimensionalen Heber und dreht die Würste im Kessel um. "So werden alle gleichmäßig gegart", erklärt der Metzgermeister. Nach genau 35 Minuten wartet auf die "Jubilare" ein Eiswasserbehälter in Badewannengröße. "Das kalte Abschocken verhindert, dass die Würste runzlig werden und erhält die schöne weiße Farbe", sagt Trübenbach. Zu Hause müsse man sie jetzt nur noch einmal erhitzen, da die Würste frisch gebrüht am besten schmeckten. 

    Erfindung und "Tag der Weißwurst" werfen auch bei Metzgern Fragen auf

    Davon überzeugt sich Trübenbach direkt selbst und fischt eine Wurst zum Abschmecken aus dem Eiswasser. Mittlerweile zeigt die Uhr 4.35 an. Nach dem bestandenen Geschmackstest geht es für die Weißwürste in Richtung Verpackungsraum. Von dort aus werden die bayerischen Klassiker an die sieben Unternehmensfilialen geliefert, um traditionell am Vormittag gegessen werden zu können. Wieso sie das 12-Uhr-Läuten nicht hören sollen? Trübenbach hat eine Vermutung: "Früher gab es keine entsprechenden Kühlmöglichkeiten. Also wurde schnell verwertet, bevor es draußen zu warm wurde. Mittlerweile ist es aber einfach Tradition." 

    Erfunden wurde die Weißwurst übrigens angeblich 1857. Der Legende nach hat ein Münchner Wirt aus der Not heraus Kalbsbrät in Schweinedärme gefüllt. So schlug die Stunde der bekannte bayerischen Wurstspezialität, der seit 2017 der Tag der Weißwurst gewidmet wird. Eines ist für Trübenbachs Kollegen, Betriebsleiter Markus Guggert, klar: Genießen sollte man sie üblicherweise am besten mit frischen Brezen, süßem Senf und Weißbier. "Es ist eher ein Unding, wenn man da Ketchup oder mittelscharfen Senf dazu isst."

    Metzgermeister mahnen, auf Qualität, Herkunft und Tierwohl zu achten

    Doch nicht alle Menschen möchten heutzutage noch zum Fleischprodukt greifen. Vegetarische und vegane Ernährungsweisen werden immer beliebter. Gleichwohl nicht auf der Hand liegend, sieht Trübenbach darin auch eine Chance: "Die Menschen stellen durch die Diskussion um neue Ernährungsformen immer höhere Anforderungen an das Produkt." Die Metzger-Branche selbst könnte dadurch hochwertiger, schonender und mit einem höheren Augenmerk auf Tierwohl produzieren. Der Verbraucher müsste aber gewillt sein, auch etwas mehr für sein geliebtes Nahrungsmittel auszugeben.

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