Wenn es einen Satz gibt, den Sabine Mengel nicht mehr hören kann, dann ist es: „Man kann alle Pilze essen – manche davon nur einmal.“ Die Obergriesbacherin ist Pilzsachverständige und Mitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, also der Wissenschaft, die sich mit Pilzen auseinandersetzt. Als solche bietet sie etwa Pilzwanderungen an, Mengel ist auch als Giftnotrufberaterin tätig. Außerdem steht sie für Fragen zur Verfügung, wenn Waldgänger sich bei gesammelten Pilzen etwa nicht sicher sind, ob sie genießbar sind. Für die angelaufene Pilzsaison hat sie für Sammlerinnen und Sammler nützliche Tipps und Tricks parat.
Vor kurzem begann die neue Jahreszeit: Mit wechselhaftem Wetter und gelegentlicher Frische steht nun der Herbst an. Für begeisterte Pilzsammler bedeutet das: Endlich geht es los. „Die größte Auswahl gibt es, wenn es im Herbst schön feucht ist, also in etwa zwischen September und Ende Oktober“, sagt Sabine Mengel. Erste Exemplare gibt es sogar schon früher, Speisepilze wie Sommersteinpilze oder Pfifferlinge sprießen zum Teil ab Juni oder Juli. Gerade für Anfänger seien die Speisepilze der beliebteste Einstieg in die Welt der Pilze.
Für die ist Mengels wichtigster Hinweis: „Niemals einen Pilz essen, bei dem man sich nicht hundertprozentig sicher ist, dass er überhaupt essbar ist.“ Bei vielen bekannte Pilzen wie Champignons oder Pfifferlingen gibt es zahlreiche ungenießbare oder sogar giftige Doppelgänger oder Pilzarten, die ihnen zumindest ähneln. Der Champignon hat in der eigenen Familie etwa einen giftigen Verwandten, den Karbol-Champignon oder auch -Egerling. „Das sind eigentlich die meisten Vergiftungsfälle, die mich erreichen: Leute, die sagen, sie hätten schöne Champignons aus ihrem Garten gegessen – und dann bekamen sie Bauchweh.“
Pilze bestimmen lassen von Experten: Die meisten Speisepilze haben giftige Doppelgänger
Im Falle des Karbol-Champignons unterscheidet sich dieser von seinem essbaren Verwandten nur durch eine gelbe Verfärbung an der Stilbasis. Das ist auch ein weiterer Tipp von Mengel: Für die Bestimmung ist wichtig, dass der Pilz „richtig“ gesammelt wurde. Dafür müssen Sammlerinnen und Sammler nicht nur den oberflächlich sichtbaren Teil des Pilzes, sondern vorsichtig den ganzen Fruchtkörper aus der Erde ziehen. „Es kann wichtig sein, ob die Pilze eine Knolle haben oder nicht, wie die Knolle aussieht und ob sie sich verfärbt, wenn man sie anschneidet“, erklärt Mengel.
Gerade Anfängerinnen und Anfängern könnten solche Nuancen verborgen bleiben, Pilzsachverständige wie Mengel verschaffen Abhilfe: „Wenn man gefundene Pilze bestimmt haben möchte, kann man die Sachverständigen kontaktieren und mit den Pilzen vorbeikommen.“ Denn auch Geruch und minimale optische Unterschiede können bei der Pilzbestimmung entscheidend sein. „Eine Essensfreigabe per Whatsapp-Foto gibt es nicht“, sagt Mengel, die auch dringend von Pilzerkennungs-Apps abrät. Pilzsachverständige sind sowohl auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie als auch auf dem Auftritt der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft mit Kontaktdaten hinterlegt. „Typischerweise ist das auch kostenlos, die Leute machen das ehrenamtlich“, sagt Mengel.
Maronen-Pilze: Die essbare Braunkappe kann man nur mit anderen Speisepilzen verwechseln
Der für Anfänger ungefährlichste Pilz ist auch gleichzeitig der, der mit am häufigsten in den hiesigen Wäldern vorkommt: die Braunkappe, auch Maronen-Röhrling genannt. Bei der Braunkappe erinnert der kugelige Hut des Pilzes an das Aussehen der Esskastanie. Mengel sagt: „Der ist einigermaßen gut zu erkennen oder höchstens mit anderen Speisepilzen zu verwechseln.“
Auch die Leistlinge, zu denen der Pfifferling zählt, gelten allesamt als essbar – Anfängern würde Mengel dennoch davon abraten: „Die Leistlinge muss man erkennen können, sonst erwischt man vielleicht einen giftigen Pilz.“ Eine solche Verwechslung war auch für eine der schlimmsten Vergiftungen verantwortlich, mit denen Mengel im Giftnotruf zu tun hatte. Ein Sammler hatte anstatt eines Pfifferlings einen Spitzgebuckelten Raukopf erwischt – der schwere Nierenschäden verursacht.
Pilzexpertin Sabine Mengel: „Viele Pilze – auch essbare – sind in rohem Zustand giftig“
Beim Sammeln müssen Waldgänger sich nur über die Lagerung Gedanken machen: Das Sammeln selbst gehe ohne Sicherheitsmaßnahmen, ihre Giftstoffe setzen Pilze erst beim Verzehr frei. Im Pilzkorb sollten die Exemplare, bei denen man sich nicht sicher ist, aber getrennt von den eindeutig essbaren aufbewahrt werden – „nicht, dass Lamellenstücke oder Ähnliches sich auf die anderen Pilze verirren“. Auch da müssten Einsteiger aufpassen, sagt Sabine Mengel: „Viele Pilze – auch essbare – sind in rohem Zustand giftig. Deshalb muss man sie vor dem Verzehr gründlich erhitzen.“ Es gebe beispielsweise auch Pilze, deren Giftwirkung erst nach zwei oder drei Wochen einsetze.
Ansonsten legt Mengel Einsteigern nahe, sich etwa bei Pilzwanderungen oder in Internetforen mit anderen auszutauschen, die das Hobby teilen: „In der Praxis erfährt man noch einmal viel mehr als aus Büchern.“ Nur mit Pauschaltipps für gute Pilzfundorte kann Mengel nicht dienen. Pilze hätten unterschiedliche Bedürfnisse: „Für meinen Lieblingspilz zum Beispiel, die Krause Glucke, müsste ich irgendwo hingehen, wo es Kiefern gibt. Das muss aber nicht heißen, dass es dort auch Krause Glucken gibt.“ Am Ende sei das Erlebnis „in die Pilze gehen“ ein Abenteuer: „Der Weg ist das Ziel.“
Info: In einer kleinen Pilzausstellung vor ihrem Haus an der Talstraße 17 in Obergriesbach präsentiert Sabine Mengel mitsamt Erklärung verschiedene Exemplare, die sie in hiesigen Wäldern gesammelt hat.
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