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Oberach: Flut in Oberach: Gerettete Kälber kehren in ihren Stall zurück

Oberach

Flut in Oberach: Gerettete Kälber kehren in ihren Stall zurück

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    Feuerwehrleute und freiwillige Helfer retteten gemeinsam rund 100 Rinder der Familie Riegl in Oberach vor dem Ertrinken.
    Feuerwehrleute und freiwillige Helfer retteten gemeinsam rund 100 Rinder der Familie Riegl in Oberach vor dem Ertrinken. Foto: Laura Burger

    Diesen Sonntag werden die Menschen in Oberach vermutlich nie vergessen. Am 2. Juni werden sie von einer verheerenden Flutwelle überrascht, die fast die Hälfte des Rehlinger Ortsteils innerhalb weniger Stunden unter Wasser setzt. Besonders betroffen ist die Landwirtsfamilie Riegl am Ortsausgang Richtung Sportgelände. Dort stehen plötzlich rund 100 Kälber kniehoch im Wasser. Sie warten aufgeregt auf Rettung.

    Am ersten Juniwochenende gilt im ganzen Landkreis Aichach-Friedberg Katastrophenalarm. Der Dauerregen hat Flüsse wie Paar und Ecknach an vielen Stellen über die Ufer treten lassen. Es ist ein bis dahin bisher nicht erlebter Einsatz von Hilfskräften nötig. Das Hochwasser verursacht enormen Schaden an Hab und Gut und bringt viele Menschen in den betroffenen Gebieten schier zur Verzweiflung. Auch in Oberach.

    In kurzer Zeit schwappt das Wasser über die Sandsäcke in den Riegl-Hof

    Wo heute wieder die Sonne scheint und (fast) alles trocken ist, wird die Lage an dem Wochenende Anfang Juni bedrohlich. Sie hätten nach dem Starkregen die Situation genau beobachtet, erzählt Seniorbauer Karl Riegl. Um Mitternacht zum Sonntag sieht er das Grundwasser aus Sägmühl und Anwalting Richtung Unterach strömen und sich den Häusern im Süden und Westen Oberachs nähern. Das Wasser bildet schon eine riesige Seenplatte. Doch der Pegel steigt weiter – schnell und unaufhörlich. Riegl ist klar: Jetzt heißt es handeln.

    Am 2. Juni stand der Riegl-Hof in Oberach einen Dreiviertelmeter unter Wasser. Die Flut richtete auch im Keller des Wohnhauses viel Schaden an. Dort stand es zwei Meter hoch. Die Berufsfeuerwehr Augsburg pumpte mit einer Spezialpumpe, die 12.000 Liter pro Minute fördert, das Wasser Richtung Flutgraben.
    Am 2. Juni stand der Riegl-Hof in Oberach einen Dreiviertelmeter unter Wasser. Die Flut richtete auch im Keller des Wohnhauses viel Schaden an. Dort stand es zwei Meter hoch. Die Berufsfeuerwehr Augsburg pumpte mit einer Spezialpumpe, die 12.000 Liter pro Minute fördert, das Wasser Richtung Flutgraben. Foto: Josef Abt

    Der 63-jährige Landwirt bemüht sich um Silosäcke, um die Hofzufahrten abzuschotten. Auch die örtliche Feuerwehr liefert Sandsäcke zu neuralgischen Stellen. Doch es geht alles viel zu schnell. Das Wasser schwappt nach kurzer Zeit über diese Barrieren und in den Hof. Der Rinderstall und das nebenliegende Wohnhaus sind bereits am Sonntagmorgen großräumig völlig überschwemmt. Von den Hochbeeten vor dem Stall ist fast nichts mehr zu sehen. Karl Riegl und seine Familie mit Ehefrau, zwei Töchtern und zwei Söhnen versuchen noch, einiges aus dem Keller zu retten. Doch als die Wassermassen durch die Dichtungen der Kellerfenster einströmen, wird allen klar, dass alle Versuche nutzlos sind.

    Das Szenario draußen ist nicht weniger alarmierend. In und um den Rinderstall einschließlich der Silos mit den Futtervorräten steht das Wasser gut einen Dreiviertelmeter hoch. Strohballen schwimmen in dem mit Mist vermischten Wasser. Einer der Riegl-Söhne setzt einen Notruf ab. Die Feuerwehr Rehling hat gerade am Riedweg alle Hände voll zu tun, um Anwohner und deren Hab und Gut zu schützen. In kurzer Zeit trifft dennoch eine größere Abordnung am Riegl-Hof ein. Die im Wasser stehenden Tiere müssen dringend weg: die rund 100 Kälber vom jungen Milchkälbchen bis zum rund zwei Jahre alten Fresser.

    Die Rettung kommt in kurzer Zeit. Via Smartphones werden Helfer aktiviert. Die beiden jungen Riegl-Burschen benachrichtigen ihre Kumpels vom Bauwagen Unterach. Sie sind rasch zur Stelle. Ebenso wie Landwirte, die der Hilferuf erreicht. Traktoren, Viehanhänger und Lastwagen zum Viehtransport kommen aus allen Richtungen. In einem nahe gelegenen Betrieb werden eilends Baustellengitter angefahren. So können die verschüchterten Tiere kontrolliert die rund 80 Meter Strecke bis zur Verladung geleitet werden. Im Stall wuseln die Helfer, es surren Pumpen, und über allem lärmt der Hubschrauber, der die Lage in Oberach kontrolliert. Doch nach ein paar Stunden ist die Verlegung der aufgeregten Tiere geschafft.

    Auch 60 Hühner müssen aus dem Stall gerettet werden

    Heute kann Karl Riegl sogar darüber lachen, dass er länger überhaupt nicht wusste, wo sich seine Kälber befinden. Die Landwirte stimmen sich untereinander ab, wer wie vielen Tieren Asyl gewähren kann. Aber der Bauer weiß damals zumindest, dass sie gut versorgt sind. Die Riegls haben so ihren Kopf frei, um sich um das ganze Chaos in Wohnhaus und Hof zu kümmern. Die spontane Hilfe bewegt den Landwirt bis heute. Er dankt Jakob Haberl (Allmering), Johann Schmid (Rehling), Alois Haider (Rehling), Markus Knauer (Appertshausen), Roland Brandmeier (Stotzard) und Hans Jakob (Ebenried), die seine Kälber aufgenommen haben.

    An jenem Sonntag ist längst nicht alles überstanden. Nach der ganzen Aufregung um die Rinder muss an die rund 60 Legehennen im Hühnerstall gedacht werden. Auch der ist kniehoch überschwemmt. Die Hühner sitzen, aufgeregt gackernd, oben auf ihren Stangen. Junge Burschen verfrachten sie in Kisten und bringen sie auf den Scheicherhof nach Allmering, wo sie für die nächsten Tage im Trockenen sitzen können. 

    Sogar aus Augsburg kommt Hilfe. Ein größerer Trupp der Berufsfeuerwehr pumpt Wasser mit speziellen Geräten, die 12.000 Liter pro Minute leisten, zum nahen Flutgraben. Das Wasser im Keller steht an die zwei Meter hoch. Es hat die gemütlichen Hobby- und Aufenthaltsräume überflutet, die Waschküche samt Waschmaschinen und Trockner, die Heizung und die Öltanks, einen Holzhofen und das Brennholz. Der Stromverteiler muss stillgelegt werden. Der Anblick, sagen die Riegls, sei zum Weinen gewesen. Wie ihnen geht es vielen Menschen in Oberach: Im Baugebiet „Kobeswiesen“, innerorts im Riedweg oder in der Lechfeldstraße herrscht Land unter, und aus fast allen Kellern führen Leitungen von Wasserpumpen ins Freie. 

    Erst zwei Tage später zieht sich das Wasser langsam zurück. Jetzt kann die ausgetretene Gülle samt darin schwimmender Strohballen zu einem örtlichen Landwirt mit leerer Grube gebracht werden. Jetzt gilt es, den Stall zu säubern, den Keller auszupumpen, noch brauchbare Gegenstände im Freien trocken zu lassen. Vieles müssen die Riegls neu beschaffen: Elektrogeräte, Türen, Fenster, Heizungszubehör, Elektroleitungen und Installationsmaterial.

    Eine Woche waren rund 100 Kälber von Karl Riegl im Rehlinger Ortsteil Oberach „ausquartiert“, nachdem das Hochwasser den Stall rund 80 Zentimeter hoch geflutet hatte. Jetzt sind die Tiere zur Freude von Senior-Bauer Karl Riegl wieder zu Hause.
    Eine Woche waren rund 100 Kälber von Karl Riegl im Rehlinger Ortsteil Oberach „ausquartiert“, nachdem das Hochwasser den Stall rund 80 Zentimeter hoch geflutet hatte. Jetzt sind die Tiere zur Freude von Senior-Bauer Karl Riegl wieder zu Hause. Foto: Josef Abt

    Eine Woche nach der Flut kehren die Kälber von ihrem „einwöchigen Urlaub mit Vollpension“, wie sich Karl Riegl scherzhaft ausdrückt, zurück. Georg und Alexander Schwegler aus Aindling organisieren einen geeigneten Transporter. Im heimischen Stall fühlen sich die Kälber schnell wieder wohl. Der Landwirt ist bis heute voller Dankbarkeit für die große Unterstützung. Er nennt besonders die Feuerwehren, die Burschen vom Bauwagen sowie Josef und Florian Gamperl aus Binnenbach und weitere Helfer: „Hier hat man wieder erfahren, wie gut die Gemeinschaft auf dem Land funktioniert und alle zusammenhelfen, wenn die Not am größten ist.“ Kraft, Mut und Ausdauer brauchen all die Betroffenen in Oberach trotzdem noch zur Genüge. Die Riegls wünschen allen, dass sie dieses Ereignis schnell aufarbeiten und die Schäden bald beseitigen können. 

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