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"Man fühlt sich nur als halber Mensch"

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"Man fühlt sich nur als halber Mensch"

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    Richard Hirsch - hier mit seiner Sammlung von Feuerwehrautos in einem Maßstab von 1:87. Foto: Peter Stöbich
    Richard Hirsch - hier mit seiner Sammlung von Feuerwehrautos in einem Maßstab von 1:87. Foto: Peter Stöbich Foto: Peter Stöbich

    Richard Hirsch wird ihn wohl nie vergessen, den 8. August 2007, als er wegen Überstunden unverhofft einen Tag frei hat und in Augsburg Friedensfest ist. Mit seiner Frau Christine sitzt er gemütlich daheim beim Frühstück, als die Alarmierung kommt. "Geh, bleib doch da", bittet sie ihn, doch sein Pflichtgefühl siegt. Schließlich ist Hirsch schon seit seinem 16. Lebensjahr im Feuerwehrdienst engagiert: als Atemschutzträger, Gruppenführer, Maschinist, elf Jahre lang als zweiter und erster Kommandant.

    Mit seinem älteren Sohn Martin rückt er also aus zu einem an sich unnötigen Einsatz, denn einem Baindlkirchner ist bei starkem Regen die Pumpe ausgefallen. Als der Kommandant die Außentreppe hinuntergeht, rutscht er aus und stürzt auf den Rücken. "Ich spürte einen wahnsinnigen Schmerz und hab' sofort daran gedacht, wie gern ich Motorrad und Ski fahre." Seine Kameraden verständigen Dr. Robert Guha, der umgehend die Notärztin alarmiert. Auch Christine Hirsch kommt zum Unfallort; ihr Mann, der sich nicht bewegen kann, erhält starke Schmerzmittel und wird mit dem Auto ins Zentralklinikum Augsburg transportiert. "Dort ist wegen des Friedensfestes nicht viel passiert und meine Frau hat darauf gedrängt, dass ich nach Murnau oder München komme."

    Schließlich wird Richard Hirsch - wieder mit dem Auto - nach Bogenhausen verlegt, wo er nach einem Stau auf der Autobahn rund sieben Stunden nach seinem Unfall endlich ankommt. Die Diagnose: Deckplatteneinbruch, der erste Lendenwirbel ist beschädigt. "Bis Januar des folgenden Jahres war ich krank und habe dann nur wenige Tage gearbeitet, weil es nicht mehr ging." Heftige Schmerzen zwingen den Kfz-Mechaniker immer wieder zu langen Pausen und während der Sorge um seinen eigenen Job wird auch noch seine Frau arbeitslos.

    Seit 15. März dieses Jahres ist Hirsch erneut daheim, vom 28. Juli bis 14. August war er stationär in der Murnauer Klinik zu einer schmerzhaften Therapie, bei der die Nerven blockiert werden. "Man fühlt sich nur als halber Mensch, geistert nachts schlaflos durchs Haus und hat Angst vor dem Rollstuhl und der Zukunft", fasst er seine Empfindungen zusammen. Die Zeit vertreibt sich Richard Hirsch bei Spaziergängen mit dem Hund, mit seiner umfangreichen Sammlung von Feuerwehrautos und Lokomotiven. Beim Bau des neuen Feuerwehrhauses hätte er gern mit angepackt; stattdessen muss er sich auf seinen langen Spaziergängern fragen lassen, ob er denn immer noch Urlaub habe? Von der Kreisfeuerwehrführung hat sich nie jemand beim ehemaligen Kommandanten blicken lassen. "Da kommt zu allem anderen noch die menschliche Enttäuschung hinzu." Ab 6. September ist Richard Hirschs Wiedereingliederung mit vier Arbeitsstunden pro Tag geplant. "Aber bis zur Rente werde ich es wohl nicht schaffen."

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