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Kühbach-Unterbernbach: Heilpädagogik: Darf der Paulihof in Unterbernbach bleiben?

Kühbach-Unterbernbach

Heilpädagogik: Darf der Paulihof in Unterbernbach bleiben?

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    Ulrike Heigenmooser (links) und Sandra Sailer betreiben den Paulihof im Kühbacher Ortsteil Unterbernbach, eine tiergestützte, therapeutische Einrichtung. Dazu gehören auch die beiden Esel.
    Ulrike Heigenmooser (links) und Sandra Sailer betreiben den Paulihof im Kühbacher Ortsteil Unterbernbach, eine tiergestützte, therapeutische Einrichtung. Dazu gehören auch die beiden Esel. Foto: Stefanie Brand

    Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer, die Leiterinnen der Paulihof-Kinderhilfe gGmbH, werden langsam unruhig. Zur Mitte des Jahres, genauer gesagt zum 30. Juni, könnte der Verpächter, der Kinderschutz München, den Pachtvertrag für die Anlage im Kühbacher Ortsteil Unterbernbach kündigen. Das würde bedeuten, dass die Kinder und Jugendlichen, die aktuell auf dem Paulihof leben, ebenso in eine ungewisse Zukunft blicken wie die Tiere auf dem Hof - und die beiden Heilpädagoginnen sowie 14 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

    Die heilpädagogische Wohngruppe gibt es seit 2005. Seitdem wird dort heilende Pädagogik mit Tieren und Naturerleben 24 Stunden täglich und an sieben Tagen in der Woche gelebt. Die Tiere auf dem Paulihof - drei Esel, vier Pferde, sieben Ponys, 20 Schafe und Ziegen, zwei Schweine, 15 Hühner und eine Gans - haben durchaus Ähnlichkeiten mit den Kindern und Jugendlichen, die über das Jugendamt auf den Paulihof kommen. Ängstlich und mit dem Gefühl, dass niemand für sie da ist und sie nicht gewollt sind, kam so manches Tier auf den Hof - und nicht anders ist es so manchem menschlichen Bewohner ergangen, bevor er oder sie nun die Chance bekommen hat, zu lernen, wie sich Vertrauen anfühlen kann.

    "Zugepanzert" vor der Welt

    Was für Außenstehende recht kryptisch klingen mag, erkennen Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer an ihren Schützlingen an winzig kleinen Details. Wer seinen Fuß bereits unter einem Pferdehuf hatte, der weiß, dass das weh tut, erklärt Ulrike Heigenmooser. Einige "ihrer" Kinder empfänden dabei aber keinen Schmerz. "Zugepanzert" hätten sie sich vor der Welt, die ihnen verbal, emotional und auch körperlich Schmerzen zugefügt hat. Auch Schrei- und Wutanfälle sind Verhaltensweisen, mit denen sich das Paulihof-Team auseinandersetzt, berichtet Sandra Sailer. Denen begegnen die Heilpädagoginnen mit Zuverlässigkeit, in dem sie ihren Kindern in diesem Moment Halt geben.

    Der Alltag auf dem Hof und mit den Tieren ist für die Kinder und Jugendlichen, die mindestens zwei Jahre auf dem Paulihof verbringen sollen, der Weg in ein neues Leben. Zum Hofalltag gehört es, die Tiere zu versorgen und den Garten zu pflegen. Das gibt den Kindern und Jugendlichen sowohl eine Aufgabe, die ihr Selbstwertgefühl stärkt, als auch Struktur, die ihnen Sicherheit bietet. Die Paulihof-Tiere sind Wegbegleiter, Therapeuten und Freunde gleichermaßen.

    Tiere geben das Gefühl, gebraucht zu werden

    Ohne Leistungsanspruch und Wertvorstellungen erlernen die Kinder und Jugendlichen im Umgang mit den Tieren, wie sich Nähe anfühlen kann. Die klare, non-verbale Kommunikation, die im Umgang mit den Tieren auf Körpersprache basiert, ist ein wichtiges Detail, das die Arbeit auf dem Paulihof zu etwas Besonderem macht. Die Tiere sind für die Kinder und Jugendlichen Motivation und geben ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden. Das Leben in der Gruppe inklusive Regeln und Pflichten ist eine weitere Komponente.

    Dass der Ansatz eine besondere Herausforderung ist, weiß Ulrike Heigenmooser, die seit der Eröffnung des Paulihofs 2005 dort arbeitet, nur zu genau. Was ihr jedoch deutlich mehr Kraft raubt, ist die Zitterpartie, die mit dem Pachtvertrag und dessen Verlängerung zusammenhängt. Bis Oktober 2020 war der Verein Kinderschutz München Träger der Einrichtung. Seither betreiben Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer den Paulihof als gemeinnützige Gesellschaft. Mit dem Münchner Kinderschutz, dem der Hof gehört, schlossen sie einen Jahresvertrag, der stillschweigend verlängert werden kann - aber nicht muss. Um diese Zitterpartie langfristig zu beenden und nicht alle Jahre wieder bangen zu müssen, haben Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer nun Ideen geschmiedet.

    Gesellschafterinnen würden den Paulihof am liebsten kaufen

    Am liebsten würden sie auf dem Paulihof bleiben, ihn kaufen oder langfristig für fünf oder gar zehn Jahre pachten. Das würde ihnen Planungssicherheit geben. Dann wären vielleicht sogar Investitionen möglich, wie etwa in einen Schwimmteich. Auf Anfrage unserer Redaktion zu den möglichen Optionen für die Paulihof-Gesellschafterinnen, erklärte Beate Zornig, die beim Kinderschutz München für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist: "Uns liegt keine Anfrage bezüglich einer Veränderung von Vertragsinhalten vor. Der Vertrag verlängert sich stillschweigend, wenn keine der Vertragsseiten Änderungswünsche hat."

    Für den Fall, dass es dennoch keine Zukunft für den Paulihof in Unterbernbach gibt, haben Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer einen Plan B. Sie würden mit dem Paulihof auch umziehen. Am liebsten würden sie aber in der Gegend bleiben, um den Kindern und Jugendlichen einen Schulwechsel zu ersparen. Infrage käme ein Zweifamilienhaus mit mehreren Kinderzimmern, zwei bis drei Bädern, Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und Büro. In Stall und Außenbereich muss Platz sein für die Tiere. Denkbar wäre auch, eine alte Landwirtschaft wiederzubeleben, erklären Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer.

    Umzug in der Region wäre möglich

    Die Kinder würden - wenn es wirklich zur Kündigung des Pachtvertrags käme - übrigens nicht das Dach über ihrem Kopf verlieren, erklären die Heilpädagoginnen. Der Kinderschutz München würde die Kinder sicherlich anderweitig unterbringen. Damit würden sie jedoch abermals ihres Bezugspunkts beraubt, den sie im Hofalltag, in der Wohngruppe und mit den Tieren auf dem Paulihof gefunden haben. Für alte Tiere, wie etwa den 35-jährigen Sörli, eines der Pferde, wäre es ebenfalls schwer, wenn nicht gar unmöglich, ein neues zu Hause zu finden. Deswegen setzen Ulrike Heigenmooser und Sandra Sailer alles daran, die menschlichen und tierischen Bewohner und Bewohnerinnen zusammenzuhalten - am liebsten dort, wo sie jetzt leben. Wenn das nicht klappt, zumindest in der Gegend.

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