Der Hochzeitssaal von Sebastian und Sonja Ziegler ist so außergewöhnlich, dass er das Prädikat einzigartig verdient. Das Paar heiratete im Juli in einem denkmalgeschützten Stadel, den es selbst in zwei Jahren mühevoller Arbeit hergerichtet hat. Der Stadel gehört zum Woidl-Hof, der mitten in Gundertshausen (Schiltberg) liegt.
Im ehemaligen Kuhstall war Platz fürs Buffett; wo früher Heu und Getreide lagerten, fand die Trauung statt, spielte die Band und stand die Hochzeitstafel. Ein Einstand nach Maß auf dem Woidl-Hof. Doch bis das junge Ehepaar dort wohnen kann, muss es noch einmal zwei Jahre Arbeit investieren. Denn jetzt ist das fast 100 Jahre alte Wohnhaus an der Reihe.
Bei dem Anwesen handelt es sich um einen denkmalgeschützten Zweiseithof. Das Bauernhaus im oberschwäbischen Stil wurde laut Ziegler 1929 gebaut, der Stadel 1934, nachdem er abgebrannt war. Seit Sonja Ziegler, geborene Wenhardt, denken kann, hat sie den Woidl-Hof vor Augen. Schräg gegenüber steht ihr Elternhaus, in dem das Paar momentan eine Wohnung hat. Von dort aus zuschauen, wie der Hof zusammenfällt, wollte Ziegler nie. Der gelernte Elektriker, der Elektro- und Informationstechnik studierte und als Software-Ingenieur arbeitet, hat die richtige Frau gefunden. Auch sie sagt über das Bauernhaus: „Hergegeben hätten wir es nie.“
Der Großvater des Hofbesitzers wächst auf dem Woidl-Hof auf
Sebastian Ziegler ist wie seine Frau in Gundertshausen aufgewachsen. Sein Großvater hat auf dem Woidl-Hof seine Kindheit verbracht und erbte später das Anwesen, das er wiederum seinem Sohn vermachte. Der Vater des heutigen Hof-Besitzers vermietete das Anwesen, mit dem er selbst nie richtig warm wurde. Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn und dessen Frau. Der Hof gehört ihnen seit Ende 2021. In ihrer beider Augen blitzt es, wenn sie von ihren Plänen erzählen. Dabei hatten die Mieter, die 2013 auszogen, den Hof miserabel behandelt. Sie waren Messies. Alles war vermüllt und im Kuhstall, wo die Mieter Pferde hielten, stand der Mist meterhoch. Gelegentlich taucht noch immer irgendwo Unrat auf.
Hinter all dem Schmutz und Verfall erkannten die jungen Leute die Schönheit des Alten. Das Paar nahm Kontakt auf zum Landesamt für Denkmalpflege und startete vor zwei Jahren ein sogenanntes Vorprojekt. Dabei dokumentierten Fachleute den bauhistorischen Wert und den aktuellen Zustand mit sämtlichen Schäden und erarbeiteten mit dem Paar ein Nutzungskonzept. Etwa die Hälfte der 30.000 Euro Kosten gab es an Zuschuss, der von Denkmalamt, Landratsamt, dem Bezirk Schwaben und der Gemeinde kam. Verpflichtet war das Paar damit zu nichts. Doch beide wussten schon zuvor: „Wir wollen, dass das Haus so erhalten bleibt, wie es ist.“
Die Besitzer müssen mit ihrem Bauernhaus Kompromisse machen
Der bürokratische Aufwand im Vorfeld ist nicht zu unterschätzen, selbst für eine Verwaltungsfachangestellte wie Sonja Ziegler. Sie arbeitet im Landratsamt und erzählt das lachend. Das Paar, das sich über eine Förderung aus dem Bauernhaus-Programm des Landkreises freut, schätzt und wünscht sich die Unterstützung der Behörden. Die Annahme, man werde zu sinnlosen Maßnahmen gezwungen, sei ein Vorurteil. Die Hofbesitzer fanden mit den Denkmalschützern manchen Kompromiss. Bei den 40 Fenstern zum Beispiel. Deren Restaurierung samt neuer Vorfenster innen hätte unerschwingliche 180.000 Euro gekostet. Jetzt wird pro Etage jeweils ein Fenster originalgetreu erhalten. Der Rest wird neu angefertigt in der alten Optik. Ein weiterer Kompromiss ist die Fassade mit ihren gelben und rot-orange-farbigen Elementen. Ein Dämmputz ist erlaubt, weil Stuckateure die Fassade danach neu herstellen. Akzeptiert wurde zudem, dass sich das Paar nicht von einem teuren Projektteam begleiten lassen möchte. Die 32-Jährige sagt: „Wir sind überzeugt, dass wir das können. Es muss auch so sein, dass das ein normaler Mensch bewältigen kann.“
Kompromisse sind nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit dem Haus nötig: „Es ist so, wie es ist und man muss damit zurechtkommen.“ Die vier großen Räume je Etage werden übernommen, ebenso wie Abtrennungen aus der Vergangenheit. Deshalb hat die Küche eine Speis. Den breiten Gang wollen die Zieglers nutzen für Schränke, vielleicht eine Leseecke oder Spielfläche für mögliche Kinder. „Wir erhalten richtig viel“, sagt die junge Frau und zählt stolz Fensterläden, Türen und Türstöcke auf, die breiten Holzdielen in der Stube, die „richtig cool“ seien, oder die Betonplatten im Gang.
Selbstverständlich gibt es auch Neues. Das Paar will zwar in einem Denkmal wohnen, aber nicht im Museum. Wo es möglich ist, wird eine Fußbodenheizung verlegt, die eine Hackschnitzelheizung im Stadel versorgt wird. Am meisten freut sich die junge Frau auf das künftige Herzstück des Hauses: einen modernen Kachelofen zwischen Stube und Küche. Hier werden flaschengrüne Kacheln verwendet, die vor etwa 100 Jahren auf dem Hof verbaut waren. Bei 160 Quadratmetern Wohnfläche pro Etage wird das Obergeschoss so konzipiert, dass eine zweite Wohnung möglich ist.
Der Fahrplan für die Sanierung steht. Im August starten die Zimmerer die Dachsanierung. Dabei wird der an manchen Stellen faule Dachstuhl versteift. Die Falzziegel, die nach 100 Jahren am Ende sind, werden durch neue ersetzt. Im September wird der Holzwurm mit Hitze bekämpft. Schlag auf Schlag soll es weitergehen. Sonja Ziegler ist zuversichtlich: „Ich denke, wir schaffen das in zwei Jahren.“
Die Bauherrin ist glücklich, jeweils Handwerker aus der Umgebung gefunden zu haben. Vieles, allen voran die Elektrik, wird selbst gemacht, unterstützt von den Familien. Die Zieglers scheuen die Arbeit nicht. Schlimmer seien Vorbehalte und Sätze wie „reißt‘s das alte Zeug weg!“. Der Bauherr sagt: „Irgendwann hört man auf zu erklären.“ Verstehen kann er es trotzdem nicht. Es gebe doch auch bei einem Neubau viele Vorschriften und viel Arbeit. Es sei wichtig, zu schätzen, was man habe. Die Baukultur zum Beispiel.
Die Begeisterung für die bäuerliche Baukultur ist spürbar, wenn das junge Paar durch das alte Haus führt, wenn es von seinen spannenden Recherchen zur Hofgeschichte erzählt, die bis 1752 zurückreicht, davon, dass es auch positive Resonanz und Hilfsangebote gebe und die Sanierung nachhaltig sei. Der Softwareingenieur genießt es, nach Feierabend etwas zu tun, „was man sieht“. Irgendwie, sinniert das Paar, sei das alles eine Art Lebenseinstellung. Sonja und Sebastian Ziegler lächeln sich an. Dann fällt der Satz: „Das ist einfach unser Ding.“
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