Generationen von Fußballern haben sich hier mit Fußballschuhen eingedeckt. Jedes Jahr im Spätherbst haben sich hier Generationen von Skifreunden vor dem Saisonstart ihre Brettl einstellen, schleifen und wachsen lassen. Das Sportgeschäft Anneser ist in Aichach eine Institution für Sportbegeisterte und Menschen, die sich gerne draußen bewegen. Jetzt endet diese Tradition.
Werner Anneser führt das Geschäft in dritter Generation. Das Aus hat sich schon länger abgezeichnet. Unter seinen fünf Kindern fand sich keines, das Interesse an einer Übernahme gehabt hätte - auch wenn das kurzzeitig anders aussah. Deshalb hat sich der 63-Jährige zur Schließung entschlossen. Schlaflose Nächte habe ihm das nicht bereitet. Aber ein Schritt ist ihm besonders schwergefallen.
Großvater Karl Anneser eröffnet 1935 eine Lederhandlung
Der Untere Stadtplatz wird mit dem Ende von Anneser sein Gesicht weiter verändern. Gegenüber hatte bereits Mitte 2018 das Traditionsgeschäft Strasser Cilly, das Schreib- und Tabakwaren sowie Zeitschriften verkaufte, geschlossen. Vorübergehend war ein Laden mit Geschenkeartikeln untergebracht. Seit Anfang März ist hier das Kindermodengeschäft Zartherb mini beheimatet.
Mit Intersport Anneser endet auch ein Kapitel der Familiengeschichte. Großvater Karl Anneser hat das Anwesen 1935 unweit des Unteren Tores gekauft und eröffnete eine Lederhandlung. Es gab Lederhosen, Lederstiefel oder Treibriemen für landwirtschaftliche Maschinen. Den Letzten davon hat der heutige Inhaber übrigens vor fünf Jahren verkauft.
1969 übernahm Sohn Karl Anneser den Betrieb. Er begann in den 70er-Jahren auch Fußballschuhe und Skier zu verkaufen. Das lief offenbar recht gut. Ende des Jahrzehnts erweiterte Anneser den Laden auf die heute bekannte Größe, indem er das Gebäude nach hinten anbaute.
Seither hat sich viel geändert. Sohn Werner Anneser, gelernter Einzelhandelskaufmann, stieg 1980 ins Geschäft ein. Er erinnert sich gut an die sportlichen Anfänge. Damals gab es drei verschiedene Arten von Fußball- oder Turnschuhen. Heute ist das Angebot auf dem Weltmarkt schier unüberschaubar geworden. Fast alle drei Monate gebe es ein neues Sortiment, sagt er.
Werner Anneser, der 1992 das Geschäft übernahm, konnte in den Anfangsjahren noch auf Rat und Tat seines Vaters bauen. Er schloss sich 1994 nach dem Konkurs des bisher genutzten Einkaufsverbandes Intersport an. Diese Verbindung hat er nie bereut. Zwar musste er den Laden umbauen nach den Intersport-Vorgaben. Doch ohne einen solchen Verband "ist es extrem schwer". Dieser kümmert sich zum Beispiel um die Werbung und nur über den Verband sei es aufgrund der Größenordnung möglich, bestimmte Marken ins Sortiment zu bekommen.
Wirtschaftlich kann Werner Anneser nicht klagen
In all den Jahren sei das Geschäft Fordernder geworden. "Man muss immer auf dem Laufenden bleiben", sagt der Geschäftsmann mit Blick auf die raschen Entwicklungen im Sportartikelbereich. Fordernder seien auch die Anbieter und Kunden geworden. Das Internet präsentiert sämtliche Möglichkeiten, manche Kunden erwarteten die gesamte Palette auch im Geschäft - eine Unmöglichkeit. Bisweilen lassen sich Kunden ausführlich beraten und kaufen dann im Internet. "Dann ärgert man sich", erzählt Anneser. Doch er spricht von Einzelfällen. Die meisten kauften im Geschäft. Es kann auf viele Stammgäste bauen.
Überhaupt kann Anneser nicht klagen. Wirtschaftlich sei es immer gut gelaufen, auch als es noch mehr Konkurrenz in Aichach gab. Aktuell ist Intersport Anneser der einzige Sport-Vollsortimenter in der Kreisstadt. Der Inhaber weiß, dass er seiner Kundschaft fehlen wird. Kurzzeitig hatte es so ausgesehen, als ob Sohn Thomas einsteigen würde. Er arbeitete einige Jahre im Geschäft mit. Inzwischen studiert er Lehramt. Dabei hat der Junior gesehen, wie viel Zeit in so einem Geschäft steckt, wie oft ein Sonntag für Markttage oder Messen investiert werden muss. Schließlich hat er abgewinkt.
Der Vater hadert nicht. Er hat Verständnis dafür. Für ihn aber war schon mit 20 klar, als er ins Geschäft einstieg: "Mit 63 höre ich auf." Jetzt hat er dieses Alter erreicht und er macht die Ankündigung wahr. Emotional schwierig war es für ihn, die Angestellten zu informieren. Das sei ihm sehr schwergefallen und es seien Tränen geflossen. Die Mitarbeiter wissen seit einem Monat Bescheid - und alle bleiben "bis zum bitteren Ende", erzählt der Inhaber. Es ist ihm anzusehen, wie sehr ihn das freut.
Der Ausverkauf bei Intersport Anneser startet am Freitag
Am Freitag startet der Ausverkauf. Wie lange er dauert, ist abhängig davon, wie er läuft. Auch Winterware werde es noch geben, versichert Anneser. Spätestens bis Jahresende soll Schluss sein.
Was kommt danach? Das ist offen. Die Idee, eine Mitarbeiterin könnte das Geschäft übernehmen, hat sich nicht verwirklichen lassen. Über Intersport ist die Suche bislang ebenfalls erfolglos geblieben. Trotzdem ist Anneser zuversichtlich, dass er das Geschäft vermieten kann.
In dieser Hinsicht hängt er noch in der Luft. Was seine künftige Tagesgestaltung angeht, ist sich der 63-Jährige hingegen völlig sicher. Dann hat er endlich mehr Zeit für seine vielen sportlichen Interessen, angefangen von Tennis und Schwimmtraining bis hin zu Laufen, Klettern und Mountainbiken. "Und dann wird endlich mal mein Wohnmobil bewegt", sagt Anneser mit einem Lächeln.