Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Fabian Hürzeler, Trainer des FC St. Pauli, im Interview

Interview

St. Paulis Erfolgscoach Hürzeler: "Aufstiege vergisst du nie"

    • |
    St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler spricht im Interview über die aktuelle Situation beim Zweitligisten.
    St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler spricht im Interview über die aktuelle Situation beim Zweitligisten. Foto: Christian Charisius, dpa

    Herr Hürzeler, vor etwas mehr als vier Jahren waren Sie noch beim FC Pipinsried – hätten Sie zum damaligen Zeitpunkt gedacht, dass Sie zeitnah um den Aufstieg in die Bundesliga mitspielen werden?
    FABIAN HÜRZELER: Nein, als Cheftrainer schon gar nicht. Natürlich hat man sportliche Ambitionen, aber im Fußball ist es nicht wirklich planbar.

    Acht Punkte Vorsprung auf Rang drei, was macht den Erfolg des FC St. Pauli aus?
    HÜRZELER: Unsere Mannschaft ist sehr homogen. Die Jungs können sich auch mal die Meinung sagen, ohne dass man am nächsten Tag nicht mehr miteinander spricht. Sie unterstützen und fordern sich im Training gegenseitig. Es gibt keine Grüppchenbildung. Das macht diese Mannschaft besonders. 

    Es geht auf den Endspurt zu. Wie gehen Sie mit dem Druck in Sachen Aufstieg um?
    HÜRZELER: Du musst dich darauf konzentrieren, was du beeinflussen kannst. Wir wollen uns jeden Tag weiterentwickeln, das gilt für die letzten Wochen genauso wie für die ersten. Wir machen also nichts anders. 

    Es wäre nicht ihr erster Aufstieg. 2017 gelang mit dem FC Pipinsried der Sprung in die Regionalliga, können Sie sich noch daran erinnern?
    HÜRZELER: Sehr gut sogar. Das sind Erinnerungen, die du mit Freunden und Spielern hast. Die wirst du dein Leben lang nicht vergessen. Immer wenn Emotionen ins Spiel kommen, ist das sehr einprägsam, das war es 2017 definitiv.

    2017 schaffte Hürzeler in seiner ersten Saison den Aufstieg in die Regionalliga mit dem FC Pipinsried.
    2017 schaffte Hürzeler in seiner ersten Saison den Aufstieg in die Regionalliga mit dem FC Pipinsried. Foto: Wolfgang Zink

    Auf welchen Gegner würden Sie sich in der Bundesliga am meisten freuen?
    HÜRZELER: Allein in der Bundesliga zu sein, wäre eine tolle Chance und Herausforderung. Wir wollen mit unseren Gedanken aber weiterhin in der Gegenwart bleiben.

    Als Cheftrainer ging es für Sie immer entweder um den Aufstieg oder gegen den Abstieg - der Druck macht Ihnen wohl nichts aus, oder?
    HÜRZELER: Es ist schön, dass es immer um etwas geht. Ich bin keiner, der gerne um die goldene Ananas spielt. Wenn du gegen den Abstieg spielst, musst du dem Druck standhalten. Wenn du oben stehst, musst du auch viel aushalten und Opfer bringen. 

    Gibt es diesbezüglich eigentlich Gemeinsamkeiten zwischen Pipinsried und St. Pauli?
    HÜRZELER: Die Situationen sind vergleichbar, auch wenn die Öffentlichkeit größer ist und wir in einer anderen Liga spielen. Von den Gedankengängen, den Dynamiken und Prozessen innerhalb einer Mannschaft gibt es viele Parallelen, wenn du um den Aufstieg kämpfst - egal ob Bundesliga oder Regionalliga.

    Viele Niederlagen gab es für Sie in den vergangenen Jahren sowohl in Hamburg als auch in Pipinsried nicht. Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
    HÜRZELER: Wir gehen mit einer Niederlage ähnlich um wie mit einem Sieg. Wir analysieren das Spiel und arbeiten die positiven Dinge genauso heraus wie die negativen. Wir wollen den Spielern Lösungsansätze aufzeigen und setzen das dann in der Woche um. Gerade nach einer Niederlage wie jetzt in Karlsruhe ist es wichtig, herauszuheben, was uns stark macht. 

    Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt?
    HÜRZELER: Extrem geprägt hat mich Mehmet Scholl. Nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch. Daniel Bierofka war für mich ein Vorbild, was sportliche Ambitionen und Ehrgeiz angeht. In meiner Jugendzeit beim FC Bayern München hatte ich auch tolle Trainer. Alle hatten Ansätze, die ich heute noch verwenden kann. Eine Person herauszuheben, ist schwierig. Von allen habe ich etwas mitgenommen.

    In Pipinsried arbeitete Hürzeler unter anderem mit Ex-Profi Manfred Bender zusammen.
    In Pipinsried arbeitete Hürzeler unter anderem mit Ex-Profi Manfred Bender zusammen. Foto: Sebastian Richly

    Was ist der größte Unterschied zwischen der Arbeit als Chefcoach und der als Co-Trainer?
    HÜRZELER: Man muss als Chef Entscheidungen treffen, die Menschen verletzen können.

    Was unterscheidet Hamburg von Ihrer Heimatstadt München?
    HÜRZELER: Das Wetter. In Hamburg gibt es sehr viel Niederschlag, sehr wechselnde Bedingungen. Von den Menschen her ist es gar nicht so unterschiedlich. Viele Viertel sind auch vergleichbar, wie etwa das Glockenbachviertel und Winterhude. Einzig die Schanze und St. Pauli findet man nur in Hamburg. Das Viertel ist sehr multikulturell und hier fühle ich mich auch am wohlsten. Dort halten sich auch die meisten St. Paulianerinnen und

    Können Sie eigentlich über die Schanze gehen, ohne erkannt zu werden?
    HÜRZELER: Unter der Woche gehe ich sehr selten raus. Unerkannt bleibe ich meist nicht. Aber die Menschen gehen sehr respektvoll mit einem um. Sie dringen nicht in meine Privatsphäre ein. Für mich ist es ein Gefühl von Heimat, ich kann hier einfach Ich sein.

    Andere Trainingsbedingungen: Beim FC Pipinsried ging  es bei Minusgraden auf den Platz, beim Hamburger Klub geht es im Winter meist ins Trainingslager in den Süden.
    Andere Trainingsbedingungen: Beim FC Pipinsried ging es bei Minusgraden auf den Platz, beim Hamburger Klub geht es im Winter meist ins Trainingslager in den Süden. Foto: Sebastian Richly

    Apropos Heimat, verfolgen Sie eigentlich noch, was der FC Pipinsried macht.
    HÜRZELER: Na klar, das Pokalspiel gegen Würzburg habe ich im Fernsehen gesehen. Schade, dass es nicht gereicht hat für das Finale. Ich finde es toll, was in Pipinsried entstanden ist. Die Regionalliga war ein toller Erfolg, aber wir sind auch an unsere Grenzen gekommen. Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn sich der Verein erst einmal in der Bayernliga etabliert. Ich habe noch Kontakte zu ehemaligen Spielern, auch zum jetzigen Präsidenten und zu Konrad Höß, aber der Austausch ist nicht regelmäßig. 

    Kann man den FCP eigentlich mit St. Pauli vergleichen?
    HÜRZELER: Bei allen Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten, etwa das Familiäre. Ich erinnere mich an die Abende nach dem Training im Sportheim, als Kathi Höß Wiener und Käsekrainer gemacht hat. Das werde ich nie vergessen. Ein ähnliches Gefühl habe ich bei St. Pauli auch. Für mich ist es ein Gefühl von Familie, von Zusammensein. Das war mir in Pipinsried wichtig und ist es auch heute noch. 

    Wie wichtig waren Ihre Erfahrungen beim FC Pipinsried?
    HÜRZELER: Ich hatte neben den Aufgaben als Trainer noch weitere Tätigkeitsfelder, etwa die Sponsorensuche. Der Spieltag musste geplant werden, die Reisen, es war deutlich mehr Organisatorisches. Davon profitiere ich heute noch. Das Umfeld war damals kein professionelles. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren Ehrenamtliche. Die bekommen kein Geld, deshalb musst du zu ihnen einen anderen Zugang aufbauen und sie emotional mitnehmen. Das habe ich damals gelernt und das hilft mir heute noch. 

    Vermissen Sie den Amateurfußball manchmal?
    HÜRZELER: Natürlich ist man befreiter, wenn man nicht Woche für Woche an Ergebnissen gemessen und alles, was man sagt, auf die Goldwaage gelegt wird. Vermissen ist aber das falsche Wort, sonst wäre ich hier fehl am Platz. 

    Beim Karlsruher SC kassierte der FC St. Pauli die dritte Saisonniederlage. Das ärgerte den Chefcoach.
    Beim Karlsruher SC kassierte der FC St. Pauli die dritte Saisonniederlage. Das ärgerte den Chefcoach. Foto: Uli Deck, dap

    Zurück zur 2. Bundesliga, wie wichtig ist Ihre Vertragsverlängerung für den Saisonendspurt?
    HÜRZELER: Es war das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt. Ich genieße eine hohe Wertschätzung, habe ein super Team um mich herum und Spieler, die sich ständig verbessern wollen. Ich hoffe, dass wir die Saison erfolgreich beenden und weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten. 

    Zur Person

    Fabian Hürzleler (Jahrgang 1993) ist ein ehemaliger Fußballspieler und heutiger -trainer. In der Region erlange er Bekanntheit als Spielertrainer des FC Pipinsried, den er 2017 zum Aufstieg in die Regionalliga Bayern führte. Daneben arbeitete er als Nachwuchscoach in den Jugendmannschaften des DFB. 2020 verließ er Pipinsried, um Co-Trainer beim FC St. Pauli zu werden. Seit 2022 ist er Chefcoach der Hamburger.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden