Brauchen wir jeden Brauch? Nein! So manches, was unsere Vorfahren als Brauchtum pflegten, war rassistisch oder diskriminierend und kann gerne für immer in der Mottenkiste der Geschichte vermodern. Wir brauchen aber auch keine amerikanischen Verkaufsaktionen wie dieses unsägliche Kommerz-Halloween, das uns seit einigen Jahrzehnten als keltische Tradition untergejubelt wird und nahezu überall heimsucht. Wenn Kinder oder Jugendliche dann noch glauben, dass es zur Tradition gehört, rohe Eier gegen Hausfassaden zu schmeißen, dann wird es echt unterirdisch gruselig. Mittlerweile macht der Einzelhandel – Heidi Klum und Co. sei Dank – hierzulande mehr Umsatz mit Fratzen, Totenschädeln und sonstigem glibbrigen Krimskrams als mit Faschingsartikeln.
Muss ja niemand mitmachen, kann man ja ignorieren, locker bleiben, wenn es Kindern und nicht so verknöcherten Erwachsenen halt so viel Freude macht – so lautet die übliche Gegenrede für die „Spaßbremse“. Stimmt. Wenn aber Skelette, Hexen und andere irre Monster am Vorabend von Allerheiligen als Mutprobe auf Friedhöfen geistern, dann hat die Toleranz ein Ende. Hier beginnt nämlich der Respekt vor jahrhundertealten Traditionen und Werten. Aber wir lassen es ja auch zu, dass der Nikolaus, der mit den Armen teilt und Kinder am 6. Dezember besucht, über vier Wochen hinweg von Horden teils übergriffiger säkularisierter Rauschebart-Werbe-Weihnachtsmänner verdrängt wird.
Der Landesverein für Heimatpflege startet Umfrage-Projekt zu Bräuchen
Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege hat aktuell sein größtes Umfrage-Projekt seit 120 Jahren gestartet. Mit „Heimat Bayern im Wandel“ sollen unter anderem die heute gepflegten Bräuche im Freistaat dokumentiert werden. Die Umfrage hat neben anderen Experten der frühere Aichacher Stadtarchivar und heutige schwäbische Bezirksheimatpfleger Christoph Lang erarbeitet. Beim Landesverein ist dafür der Sielenbacher Michael Ritter, Referent für Brauch, Tracht und Sprache, zuständig.
Wir sind gespannt, was bei dieser Umfrage speziell zum Wittelsbacher Land herauskommt. Zentrales Thema sind dabei aktuelle Veränderungen und die Herausforderungen. Es ist nicht so, dass sich nichts verändern soll und darf. Wie das Alltagsleben sich ändert, so müssen sich die Bräuche ebenfalls wandeln, sonst verschwinden sie aus dem Leben oder mutieren zur Folklore. Die Frage ist, ob wir unsere Kultur jedem Marketing-Trend opfern oder Traditionen pflegen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Das Maibaum-Aufstellen ist heute zum Beispiel eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen eine Dorfgemeinschaft noch wirklich zusammenkommt. Solche Bräuche können wir gut brauchen – und gerne mehr davon.
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