Schuld ist der Biber. Der ist sehr aktiv draußen am Zellerbächlein zwischen Lechlingszell und Oberbaar. Das ist zu viel für den kleinen Bach. Deshalb hat die Gemeinde Baar die Genehmigung, dass sie die eigentlich geschützten Biberbauten an dieser Stelle entfernen darf. Als eine Anwohnerin schon wieder die Anfänge eines Dammbaus entdeckte, griff sie am Dienstag kurzerhand selbst zum Misthaken – und förderte eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg zutage.
Der Frau war das natürlich nicht bewusst. Benjamin Götz, Baars Zweiter Bürgermeister, Feuerwehrkommandant und Bauhofmitarbeiter, erzählt unserer Redaktion, die Frau habe das Räumgut samt Granate aus dem Zellerbächlein noch etwa 100 Meter weiter befördert und auf einer Wiese abgelegt. Das schmale Eisenteil kam ihr allerdings spanisch vor. Sie schaltete den Bauhof ein.
Götz war ebenfalls skeptisch, als er das etwa 50 Zentimeter lange Fundstück zu Gesicht bekam. Er fasste es lieber nicht an, ging auf Abstand und informierte die Aichacher Polizei. Das war gut so, denn schon bald war klar: Es handelte sich tatsächlich um eine eineinhalb Kilogramm schwere amerikanische Granate aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Finderin sei im Nachhinein noch richtig heiß geworden, berichtet Götz.
Immerhin: Die Fundstelle war nach Angaben von Markus Bommler, stellvertretender Dienststellenleiter der Aichacher Polizei, "weit genug weg" von der Bebauung. Es habe keine Gefahrenlage bestanden, versichert er. Um den Fund richtig einschätzen zu können, schickten die Streifenbeamten Fotos an fachkundige Kollegen ins Präsidium Augsburg. Denen war rasch klar: Das ist ein Fall für Spezialkräfte.
Baarer Feuerwehr sperrt Straße wegen der Granaten-Sperrung
Deshalb rückten am noch gleichen Nachmittag zwei Mitarbeiter eines Münchner Sprengkommandos in Baar an. Sie entschieden schließlich, die Granate lieber nicht abzutransportieren, sondern gleich vor Ort zu sprengen. Damit war Benjamin Götz auch als Feuerwehrkommandant gefordert.
Die Feuerwehr riegelte die Umgebung ab, die Lechlingszeller Straße wurde gesperrt und sie informierte die Bewohnerinnen und Bewohner von rund zehn Anwesen. Sie sollten vorerst im Haus bleiben, lautete die Anweisung. Markus Bommler von der Polizei versichert am Mittwoch aber: Es habe "zu keiner Zeit" eine Gefahr für die Allgemeinheit bestanden.
Sprengkommando aus München sprengt die Granate in Oberbaar
Ein Bagger, der wegen einer Baumaßnahme ohnehin in der Nähe war, hob eine Grube aus. Darin sprengten die Fachleute die Granate gegen 16.30 Uhr kontrolliert. Laut Götz war die Sprengung sehr gut zu hören und zu spüren. Der Knall sei in etwa vergleichbar gewesen mit dem von Kanonenschüssen am Volkstrauertag.
Bürgermeister Roman Pekis geht davon aus, dass der Biber die Granate aus der Erde gegraben hat. Der Fund hat ihn nachdenklich gemacht. "Das müssen wir mit berücksichtigen", sagt er am Tag danach und denkt laut an Gemeinschaftsaktionen, die die Gemeinde zuletzt an der Kleinen Paar gestartet hat, um sie ökologisch aufzuwerten. Jedenfalls kündigt er an, dass man sich "ausgiebig Gedanken" machen werde. Trotzdem hofft Pekis, dass dieser Granatenfund ein Ausnahmefall war.
Kreisarchivpfleger wundert sich nicht über Baarer Granatenfund
Anhaltspunkte, dass Kampfmittel aus dem Weltkrieg im Bereich Baar gehäuft auftreten könnten, haben die Sicherheitsbehörden im Landratsamt nicht. Es gebe keine Hinweise, berichtet Pressesprecher Wolfgang Müller auf Anfrage. Gewissheit gibt es allerdings nicht.
Kreisarchivpfleger Franz Riß aus Todtenweis wundert sich nicht über den Granatenfund. Die Amerikaner rückten im April 1945 über Donauwörth und Rain gen Süden vor. Er verweist auf Aufzeichnungen von Adalbert Riehl. Demnach wurde an Donau und Lech der letzte bedeutendere Widerstand geleistet. Danach ging es schnell vorwärts. Am 27. April nahmen die Amerikaner Rain ein, am 29. April befreiten sie schon das Konzentrationslager in Dachau.
Im Raum Holzheim gab es letzte Abwehrkämpfe gegen die Amis
Am 26. April 1945 hatte es noch einen Fliegerangriff auf Pessenburgheim gegeben. Es liegt nördlich von Holzheim, dem Nachbarort Baars. Auch in Holzheim gab es laut Riß letzte Abwehrkämpfe, und am sogenannten Posteig zwischen Axtbrunn und Osterzhausen war eine Panzersperre errichtet. Mittendrin lag Baar. Aus diesem Grund ist Riß überzeugt: "Mit Sicherheit war Oberbaar betroffen." Deshalb sei dort eventuell schon noch Kriegsmaterial aufzufinden.
Ähnlich sieht das Christoph Lang, schwäbischer Bezirksheimatpfleger, der selbst aus Neukirchen (Gemeinde Thierhaupten) südlich von Baar stammt. Er weiß aus Erzählungen von Schusswechseln zwischen dem letzten Aufgebot der Nazis und den anrückenden Amerikanern selbst im kleinen Neukirchen. Dass jedoch Granaten zu Dutzenden in der Erde schlummern, davon müsse man nicht ausgehen. Denn von größeren Kampfhandlungen sei ihm in dem Gebiet nichts bekannt, so Lang.