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Aichach: Zahl der Kirchenaustritte steigt im Raum Aichach auf neues Rekordhoch

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Zahl der Kirchenaustritte steigt im Raum Aichach auf neues Rekordhoch

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    Die Zahl der Kirchenaustritte ist im Standesamtsbezirk auf ein neues Rekordhoch gestiegen.
    Die Zahl der Kirchenaustritte ist im Standesamtsbezirk auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    So viele waren es noch nie: 364 Menschen sind 2021 im Standesamtsbezirk Aichach aus den Kirchen ausgetreten. Allein im Bereich der

    Im Aichacher Standesamtsbezirk, zu dem auch die Gemeinden Adelzhausen, Sielenbach, Obergriesbach, Kühbach, Schiltberg und Hollenbach zählen, werden neben Geburten, Todesfällen und Heiraten alljährlich auch die Kirchenaustritte erfasst. Schon 2019, als 243 Menschen die Kirchen verlassen hatten, sagte Ordnungsamtsleiter Manfred Listl, es seien seines Wissens nach noch nie so viele gewesen. 2020 waren es mit 221

    Für Stadtpfarrer Gugler kommt das nicht unerwartet. Er verweist auf eine Projektion, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Darin wird bis 2060 ein Minus bei den Mitgliedern der katholischen und evangelischen Kirchen um 48 Prozent prognostiziert. Aktuell sind 52 Prozent aller Deutschen Mitglied der Kirchen. In knapp 40 Jahren sollen es nur noch 25 Prozent sein.

    Aichacher Stadtpfarrer zu Kirchenaustritten: "Trend ist nicht zu stoppen"

    Gugler geht davon aus, dass diese Entwicklung nicht zu stoppen ist. "Freuen würde es mich schon", sagt der Stadtpfarrer. Doch dieser Trend sei wie eine Welle. Da könnten sich die Kirchen noch so anstrengen, "sie werden das nicht aufhalten".

    Woran liegt das? Sind die Fälle von Kindesmissbrauch ausschlaggebend? Gugler räumt Fehler in der Kirche ein, die schlimm und schrecklich seien. Doch sie allein, so seine Erkenntnis, sind es nicht, die Menschen aus der Kirche treiben. Es sei vielmehr eine "Mixtur aus ganz verschiedenen Faktoren" und ein Phänomen, das auch bei Vereinen, Verbänden und Institutionen zu beobachten sei. Die Sportvereine hätten zuletzt eine Million Mitglieder verloren, so Gugler. Menschen fragten sich: "Was bringt's mir?" oder stellten fest, sie hätten keinen Vorteil. So kündigten viele ihrem Sportverein, nachdem wegen der Corona-Pandemie Turnhallen geschlossen waren.

    Ähnlich sei das bei den Kirchen. Es sei nicht grundsätzlich so, "dass die uns bös sind", ist Guglers Erfahrung aus Rückmeldungen von Ausgetretenen. Vereinzelt nehmen diese auch Gesprächsangebot an. So führte er im vergangenen Jahr ein gutes Gespräch mit einem Mann. Dieser gab verschiedene Ärgernisse über die Kirche als Grund an. Danach habe er gesagt, er wolle es sich noch einmal überlegen, erzählt Gugler. Insgesamt stellt er eine Entfremdung der Menschen von den Kirchen fest. Viele, die in Aichach austreten, kenne er nicht. Das wiederum findet Gugler beinahe schon tröstlich, zeigt das doch für ihn, dass der Weggang nicht direkt mit der kirchlichen Arbeit in Aichach in Verbindung steht.

    Keine dramatische Situation bei evangelischer Kirchengemeinde Aichach

    Wie ihr katholischer Amtskollege sieht auch Pfarrerin Gabriele Buchholz von der Evangelischen Kirchengemeinde in Aichach einen gesellschaftlichen Trend als Ursache für die Austritte. Gleichwohl betont sie, dass für ihre Kirchengemeinde die Situation nicht dramatisch sei. 2020 gab es 36, im vergangenen Jahr 45 Austritte. Letzteren stünden 36 Taufen gegenüber und jede Taufe bedeute eine neue Hoffnung.

    Auch Gugler rät Menschen, die mit dem Gedanken spielen, aus der Kirche auszutreten, auf das Positive zu schauen. Mit dem Geld der Kirchensteuer "geschieht viel Gutes". Er verweist auf Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen, aber auch die Arbeit vor Ort wie etwa in Aichach für Kinder und Jugendliche. Nicht zuletzt nennt er die Mitgliedschaft einer weltweiten Gemeinschaft und die Perspektiven für ein gelingendes Leben, die die Kirche anbiete.

    Es gibt immer wieder Menschen, die zur Kirche zurückkehren

    Gugler gibt die Hoffnung nicht auf, dass Menschen auch den Weg wieder zurückfinden. Immerhin fünf waren es 2021 in Aichach und es gab zwei Neuaufnahmen. Er versichert: Der Wiedereintritt sei "total unproblematisch". Wer kehrt zurück? Die Taufe der Kinder oder Patenschaften seien manchmal Beweggründe, berichtet Gugler. Er tauft aber auch Kinder, wenn weder Vater noch Mutter mehr Kirchenmitglied sind. Diese seien nicht unbedingt antikirchlich. Oft gehe es jungen Eltern, die gerade gebaut haben, ums Geld. Wenn er mit Eltern so offen sprechen kann, freut es den Stadtpfarrer. Für die Taufe genügt es ihm, wenn der Pate in der Kirche ist. Denn "dem Kind soll der Weg geöffnet werden", findet er. So sieht das auch Pfarrerin Buchholz. Sie sagt: "Es geht um das Kind. Den Segen kann ich Kindern nicht vorenthalten."

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