Zum ersten Mal veranstaltet die Aichacher Kultdisco M-eins ein Public Viewing. Dass beim ersten Anlauf über 200 Gäste kommen, um gemeinsam Fußball zu schauen, zeigt vor allem eines: Ihre Vorfreude auf die Europameisterschaft im eigenen Land ist riesig. Als die deutsche Nationalhymne gespielt wird, stehen einzelne Zuschauer sogar auf und singen, die rechte Hand auf das deutsche Wappen ihrer Trikots gelegt, gemeinsam mit. Viele tragen glitzernde Hüte mit schwarz-rot-goldenen Pailletten, Schals, Armbinden oder Haarreife mit abstehenden Deutschlandflaggen. Dann pfeift Schiedsrichter Clement Turpin das Spiel gegen Schottland an, und der erste Jubel brandet bei den Fans auf. Ein Vorgeschmack auf das, was an diesem Abend noch folgen soll.
Inhaber Fabian Häberle zwei Stunden vor Anpfiff: "Wer die Heim-WM 2006 noch im Kopf hat, weiß, wie das die Menschen zusammengeschweißt hat. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass das wieder so wird und alle Nationalitäten hier zusammen Fußball schauen, feiern und eine gute Zeit haben können." Er hoffe auf einen Abend, den alle genießen – und natürlich, dass Deutschland gewinne. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Auf zwei jeweils zwölf Quadratmeter großen Leinwänden können die Gäste das Spiel verfolgen. Häberle: "Wir haben vermutlich die größte Leinwandfläche in Aichach, mit immer perfekter Sicht." Nach dem Spiel sei dann Party angesagt – bis der letzte Gast gehe.
Im M-eins in Aichach gibt's Public Viewing mit Clubakustik
Zeitsprung zum Spiel, das seit zehn Minuten läuft: Jubel bricht aus. Florian Wirtz hat gerade das erste Tor für die deutsche Nationalmannschaft erzielt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer springen auf, liegen sich in den Armen und klatschen sich ab. Eine Klatschpappe ist zu hören und eine Deutschlandflagge wird geschwenkt. Als der Jubel langsam nachlässt, ist zum ersten Mal einheitliches Klopfen auf den Biertischen zu hören, das an diesem Abend fünfmal ertönen soll. Inhaber Häberle hat angekündigt, bei jedem Tor der deutschen Mannschaft gratis Schnäpse zu verteilen. Er bekommt viel zu tun, aber hält Wort.
Die deutsche Fußballnationalmannschaft ist dank des ersten Tores schnell drin im Spiel. Auch bei den Menschen im M-eins wird die Stimmung gelöster. Was sich unter anderem an der Lautstärke in der Disco zeigt. "Da wir hier ein Indoor-Public-Viewing anbieten, sind wir natürlich wetterunabhängig und können zu jeder Zeit bei bester Clubakustik das Spiel genießen", sagt Häberle. Man werde auf jeden Fall alle Deutschlandspiele übertragen und danach hoffentlich gemeinsam feiern.
"Major Tom" ist die Torhymne bei Public Viewing im Aichacher M-eins
Nur neun Minuten später erzielt Jamal Musiala den zweiten Treffer für Deutschland – mit dem erst zweiten Torschuss. Die Stimmung könnte nicht besser sein. Zu den Lichteffekten, die von der Discokugel an der Decke noch verstärkt werden, kommt dieses Mal die zukünftige Torhymne der deutschen Nationalmannschaft hinzu: "Major Tom" von Peter Schilling. Als das Lied langsam verstummt und die Fangesänge leiser werden, ist wieder das Klopfen auf den Biertischen zu hören. Die zweite Runde Gratisschnaps für jeden, der möchte.
Mit dem Elfmetertor von Kai Havertz in der Nachspielzeit der ersten Hälfte und der vorangegangenen Roten Karte für einen schottischen Innenverteidiger nach grobem Foulspiel sind die letzten Zweifel an einem Erfolg der deutschen Nationalelf verflogen. Die Stimmung zur Halbzeit erinnert teilweise an das Sommermärchen 2006 im eigenen Land. Das dritte Mal ist Klopfen zu hören.
Fußballfan muss nach verlorener Wette sein Trikot abgeben
Das 4:0 durch den kurz zuvor eingewechselten Niclas Füllkrug, der den Ball mit 110 Stundenkilometern in den Torwinkel befördert, bringt den Fernsehkommentator dazu, Parallelen zum WM-Titel in Brasilien 2014 zu ziehen. Damals begann das deutsche Team das Turnier ebenfalls mit einem 4:0-Sieg. Und wieder: klopf, klopf, klopf.... Der zwischenzeitliche Ehrentreffer der Schotten tut der Stimmung im M-eins aber keinen Abbruch. Man hat das Gefühl, dass die Besucherinnen und Besucher den Schotten den Treffer gönnen, nachdem deren mitgereiste Fans seit Tagen für beste Stimmung im Land gesorgt haben.
Nach dem 5:1 für die deutsche Nationalmannschaft durch Emre Can, einer weiteren Runde Klopfern und dem Abpfiff ist die Stimmung ausgelassen. "Die Stimmung war richtig gut, und es hat einfach Spaß gemacht. Jetzt feiern wir erst mal den Sieg", sagt Fußballfan Kevin anschließend. Sein Kumpel Kay ergänzt: "Das Spiel hatte Zug zum Tor, nicht wie oft in der Vergangenheit. Dass nicht mehr so viele Bayernspieler dabei sind, sondern auch Spieler aus Stuttgart oder Leverkusen, bringt einen anderen Spirit rein." Er habe mit einem Kumpel um sein Trikot gewettet, wenn Deutschland mindestens fünf Tore schießt. Das müsse er jetzt wohl abgeben.
Inhaber Häberle ist zufrieden mit dem ersten Public Viewing im M-eins
Inhaber Fabian Häberle zieht nach dem Abend Bilanz: "Mal abgesehen vom Ergebnis war es eine megapositive Stimmung. Für die Gäste war das toll." Für das erste Public Viewing im M-eins sei es ein unglaublicher Start gewesen. "Ich freue mich schon aufs nächste Mal und hoffe, wir können den Gästen in diesen schwierigen Zeiten ein Lächeln ins Gesicht zaubern." Und wie viele Schnäpse waren es am Ende? Häberle zufolge wurden an diesem Abend insgesamt über 400 Schnäpse verteilt.