Ein Fazit konnte man am Sonntagabend im Aichacher Pfarrzentrum unwidersprochen ziehen: Die Sudetendeutsche Landsmannschaft versteht es, ein großes Jubiläum zu feiern. Zum 75-jährigen Bestehen dieser Ortsgruppe wurde den Gästen an den festlich gedeckten Tischen eine gelungene Mischung aus Wortbeiträgen, Musik, Film und Präsentation geboten. Der Liederchor Aichach unter der Leitung von Josef Putz leistete seinen Beitrag in Form von Liedern, die aus dem Sudetenland stammen.
Heidi Hötschel, die Obfrau im Ortsverband, stellte bei der Begrüßung sichtlich zufrieden fest: „Der Saal ist voll.“ Die Verantwortlichen wurden schon im Vorfeld von den rund 150 Anmeldungen positiv überrascht. Vor Ort herrschte dann wahrlich kein Mangel an Ehrengästen aus der Politik und der Kirche. Dazu hatte man auch Vereinsvertreter geladen. Am 6. Dezember 1949 wurde die Ortsgruppe der Sudetendeutschen im Lokal Hofmann ins Leben gerufen. Ziel war und ist es, die Erinnerung an die alte Heimat zu pflegen und fortzuführen. Kassier Jonny Michl las die Namen der zwölf Mitglieder vor, die seit der Feier des 70-jährigen Bestehens verstorben sind.
Vertriebene waren „Riesen-Herausforderung“ nach dem Zweiten Weltkrieg
Ein 30-minütiger Film ließ viele Szenen in der größten Völkerverschiebung in der Menschheitsgeschichte Revue passieren. Darin kam auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Wort, der den „großen Fleiß und die Einsatzbereitschaft“ der geflohenen und vertriebenen Menschen herausstellte. Christian Knauer, Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Bayern, sprach von einer „Riesen-Herausforderung“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwei bis zweieinhalb Millionen Vertriebene zählte man damals. Ihr Anteil an der heimischen Bevölkerung betrug bis zu 40 Prozent. Das führte oft zu einem Leben auf engstem Raum, verbunden mit Armut und Ablehnung. Im Laufe der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts fühlten sich die Leute, die aus dem ehemaligen deutschen Osten gekommen waren, allmählich etabliert.
Edmund Schiefer, Bezirksvorsitzender der Landsmannschaft, nannte einen wichtigen Grund, warum die Integration seinerzeit klappte: „Weil beide Seiten Mensch geblieben sind.“ Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann wuchs als Kind Sudetendeutscher hier auf: „Ich habe schon mitbekommen, welche Herausforderung das damals für beide Seiten bedeutet hat, aber auch welch positiven Entwicklungen gerade auch von den Heimatvertriebenen ausgegangen sind.“ Hansjörg Durz, für die CSU im Deutschen Bundestag, betonte in seinem Grußwort: „Es ist wichtig, die familiäre und kulturelle Erinnerung hochzuhalten.“ Er betonte, die Mittel aus dem Bundeshaushalt für den Bund der Vertriebenen dürften nicht gekürzt werden. Erika Glöckner und Jonny Michl blickten zurück auf 75 Jahre und auf die insgesamt elf Vorsitzenden. Vor rund 70 Jahren wurden im Landkreis Aichach-Friedberg 40 Ortsverbände gegründet, überlebt hat im Norden nur der in Aichach mit aktuell 60 Mitgliedern. Im Süden gibt es noch Ortsgruppen in Kissing, Friedberg, Stätzling, Derching und Mering, wobei letztere nur noch formal besteht.
BdV-Präsident Bernd Fabritius hält Festrede in Aichach
Als besonderer Gast hielt Bernd Fabritius eine Festrede. Dass der Präsident des Bundes der Vertriebenen zu einer Veranstaltung einer Ortsgruppe kommt, ist alles andere als üblich. Normalerweise übernehme er eher Termine auf Landesebene, erklärte Fabritius im Vorfeld. „Die Landsmannschaft in Aichach ist aber seit Jahrzehnten so engagiert, dass das eine gute Gelegenheit war, die Arbeit der Ortsgruppen - und insbesondere die in Aichach - zu würdigen.“ In seiner Rede ging Fabritius unter anderem auf das Verhältnis zwischen Bundesrepublik und Tschechien ein. „Das tschechische Interesse an der Aufarbeitung der Vertreibung wächst“, sagte er. Er forderte, dass die Vertreibung als Verbrechen verurteilt werden sollte. Fabritius beklagte, die Ampelregierung in Berlin versuche beim Thema Erinnerung an die Vertreibung zu sparen. Am Ende seiner Ausführungen versicherte er: „Wenn Sie mich in 75 Jahren wieder einladen, dann komme ich ganz bestimmt.“
Eine Reihe von Mitgliedern wurde geehrt: Reiner Laske, Ursula Burkhard, Klaus Habermann, Christina Birkmaier und Dr. Walter Flögel. Jonny Michl erhielt die silberne Ehrennadel des Bundes der Vertriebenen. Seine langjährigen Verdienste stellte Altlandrat Knauer heraus. Mit dem Deutschlandlied und der Bayernhymne endete der Festakt.
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