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Aichach: "Schwarzfahren" als Ordnungswidrigkeit: Entlastet das die Justiz?

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"Schwarzfahren" als Ordnungswidrigkeit: Entlastet das die Justiz?

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    Das Fahren ohne Fahrschein ist in Deutschland seit dem Jahr 1935 eine Straftat. Dies könnte sich bald andern.
    Das Fahren ohne Fahrschein ist in Deutschland seit dem Jahr 1935 eine Straftat. Dies könnte sich bald andern. Foto: Daniel Karmann, dpa (Symbolbild)

    Häufig wird das Fahren ohne Fahrschein als Kavaliersdelikt heruntergespielt. Die Zahl der Personen, die ohne Ticket im ÖPNV unterwegs ist, ist jedoch keineswegs klein. Immer wieder landen solche Fälle vor Gericht, so auch am Amtsgericht Aichach. Um die Justiz zu entlasten, gibt es Pläne, das Fahren ohne gültigen

    Rechtsanwalt Felix Hägele, der vor Kurzem am Jugendgericht in Aichach eine Mandantin vertrat, weil sie mehrfach beim Schwarzfahren erwischt wurde, sieht die Justiz "massenweise überlastet". Er begrüßt deshalb die Pläne des Bundesjustizministeriums, das die Herabstufung des Fahrens ohne Fahrschein zur Ordnungswidrigkeit prüfen möchte.

    Schwarzfahren: Verkehrsbetriebe erstatten nicht sofort Anzeige

    Wer einmal ohne gültigen Fahrschein erwischt wird, muss das erhöhte Beförderungsentgelt von mindestens 60 Euro bezahlen. Strafanzeige stellt der AVV in der Regel erst dann, wenn eine Person "zweimal ohne gültigen Fahrschein angetroffen wird und auch im Nachhinein keinen gültigen Fahrschein nachweisen kann, etwa weil die Abokarte vergessen wurde", wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilt. Im vergangenen Jahr stellte der AVV in seinem gesamten Einsatzgebiet in 425 Fällen Strafanzeige, darunter gegen 388 Personen, die bereits mehrfach angezeigt worden waren. 

    Die Bayerische Regiobahn (BRB), die die Paartalbahnstrecke zwischen Augsburg und Ingolstadt betreibt, hat keine feste Regelung dafür, ab wann Anzeige erstattet wird. Das Unternehmen könne keine Zahlen zu den Strafanzeigen veröffentlichen, so eine Sprecherin. Generell gebe es unter den eigenen Fahrgästen jedoch eine hohe Zahlungsmoral. "Aus Branchensicht würden wir eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit kritisch sehen, weil Fahren ohne Fahrschein kein Kavaliersdelikt ist".

    Augsburger Staatsanwaltschaft: Fahren ohne Fahrschein als "Massendelikt"

    Wenn die Staatsanwaltschaft ein "öffentliches Interesse" in der weiteren Verfolgung sieht, wird ein Verfahren eröffnet. Andreas Dobler, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg erklärt: "Insgesamt ist das Erschleichen von Leistungen (dazu zählt das Fahren ohne Fahrschein, Anm. d. Red.) auf Ebene der Staatsanwaltschaft ein Massendelikt, das in einer hohen Anzahl vorkommt". Durch eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit "wäre die Arbeit natürlich etwas weniger". Die Frage, ob tatsächlich eine Entlastung eintrete, sei allerdings schwer abschätzbar und hänge von der konkreten Reform ab, so Dobler.

    Vor Gericht landen allerdings nicht alle Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft einen Strafantrag stellt. Zu einer mündlichen Verhandlung kommt es in der Regel nur dann, wenn die beschuldigte Person Einspruch gegen die verhängte Geldstrafe einlegt. Laut dem Pressesprecher des Aichacher Amtsgerichts, Johannes Jahrbeck, ist das der Fall, wenn die Beschuldigten die Tat bestreiten oder mit der Höhe der Geldstrafe nicht einverstanden sind. 

    Eine Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit mache für "die Arbeit am Gericht keinen großen Unterschied", so Jahrbeck. Denn auch bei Ordnungswidrigkeiten kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, wenn Beschuldigte gegen das verhängte Bußgeld Einspruch einlegen. Deshalb sei es schwer abzuschätzen, ob die geplante Veränderung zu einer höheren oder niedrigeren Anzahl an Verhandlungen führe.

    Wegen "Schwarzfahren" im Gefängnis

    Wer regelmäßig ohne Ticket fährt und dabei erwischt wird, kann tatsächlich im Gefängnis landen. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach sitzen laut Leiter Wilfried Schmalzbauer fünf der aktuell circa 360 Inhaftierten im Gefängnis, weil sie mehrfach ohne Fahrschein unterwegs waren. Die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe greift dann, wenn eine Person die verhängte Geldstrafe nicht bezahlt und keine gemeinnützige Arbeit als Strafe leistet.

    Der JVA-Leiter merkt an, dass auch bei Ordnungswidrigkeiten und daraufhin ausbleibenden Bußgeldzahlungen die sogenannte Zivilhaft die letzte Konsequenz sei. Dass es zu einer Zivilhaft kommt, ist laut Schmalzbauer jedoch sehr selten. Seiner Ansicht nach wäre eine Herabstufung des Fahrens ohne Fahrschein zur Ordnungswidrigkeit eine Entlastung für die Justizvollzuganstalten. Gleichzeitig fordert er jedoch eine wissenschaftliche Untersuchung als Grundlage für eine Entscheidung.

    Rechtsanwalt fordert kostenlosen ÖPNV

    Zurück zum Prozess am Jugendgericht Aichach: Richterin Eva-Maria Grosse verzichtete darauf, gegen die Mandantin von Felix Hägele eine Geldstrafe zu verhängen. Stattdessen wurde die heute 19-Jährige zu Sozialstunden verurteilt. Doch auch Hägele hat bereits Personen vertreten, die wegen des Fahrens ohne Fahrschein in Haft kamen. 

    Bei einer Herabstufung müsse man aber je nach Höhe des Schadens unterscheiden, so der Anwalt. Bei kleineren Beträgen müsse man die Verhältnismäßigkeit beachten. Der

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