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Aichach: S-Bahn-Kollision bei München weckt Erinnerungen an Zugunglück in Aichach

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S-Bahn-Kollision bei München weckt Erinnerungen an Zugunglück in Aichach

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    Die S-Bahn-Kollision in Schäftlarn (links) weckt Erinnerungen an das Zugunglück 2018 in Aichach (rechts). Doch es gibt nur wenige Parallelen.
    Die S-Bahn-Kollision in Schäftlarn (links) weckt Erinnerungen an das Zugunglück 2018 in Aichach (rechts). Doch es gibt nur wenige Parallelen. Foto: Matthias Balk/Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Auf der S-Bahnstrecke zwischen München und Wolfratshausen hat sich am späten Montagnachmittag ein schwerer Unfall ereignet: Zwei S-Bahnen sind nördlich des Bahnhofs von Ebenhausen-Schäftlarn auf eingleisiger Strecke zusammengestoßen. Ein 24-Jähriger starb, sechs Menschen wurden schwer, viele weitere leicht verletzt. Das Zugunglück weckt Erinnerungen an den schweren Zusammenstoß in Aichach am 7. Mai 2018. Denn die Paartalbahn zwischen Ingolstadt und Augsburg ist ebenfalls nur einspurig befahrbar. Doch ein Blick auf die derzeit bekannten Umstände zeigt, dass die beiden schweren Bahnunfälle wohl einige Unterschiede aufweisen.

    Beide Unfälle sind auf einspurigen Bahnstrecken geschehen

    Das Zugunglück 2018 in Aichach sorgte damals auch überregional für großes Entsetzen. An einem Montagabend fuhr ein Personenzug der Bayerischen Regiobahn (BRB) aus Richtung Augsburg auf Gleis zwei am Aichacher Bahnhof ein. Dort stieß er frontal mit einem stehenden Güterzug zusammen. Der 37-jährige Lokführer und eine 73-jährige Passagierin starben, zwei Menschen wurden schwer, elf leicht verletzt.

    Zwar sind beide Unfälle auf Strecken passiert, die einspurig befahrbar sind. Doch im Falle des Zugunglücks in Aichach spielte das keine Rolle. Denn der Unfall ist im Gegensatz zu der Kollision in Schäftlarn nicht auf offener Strecke geschehen, sondern bei der Einfahrt in den Bahnhof. Dementsprechend hatte sich auch nur einer der beiden Züge bei dem Unfall in Aichach fortbewegt, der andere - ein Güterzug - stand auf den Gleisen am Bahnhof. Die Folgen der Zugunglücke sind jedoch in beiden Fällen schwerwiegend.

    Ursache für Unglück in Schäftlarn ist noch nicht geklärt

    Welche Ursache der Unfall in Schäftlarn hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Für ein technisches Problem gebe es keine Anzeichen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegenüber der Bild-Zeitung. In Aichach war die Unfallursache recht schnell klar: menschliches Versagen. Zum Zeitpunkt des Unfalls arbeitete der Fahrdienstleiter am Aichacher Bahnhof noch mit einem sogenannten mechanischen Einheitsstellwerk. Das bedeutet, dass die Signale und Weichen per Hand gesteuert wurden. Der zum damaligen Zeitpunkt 24 Jahre alte Fahrdienstleiter hatte den ankommenden Personenzug auf dem falschen Gleis einfahren lassen, es war bereits durch den Güterzug besetzt. Noch am selben Abend erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen ihn. Er wurde zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in 13 Fällen und fahrlässiger Gefährdung des Bahnverkehrs verurteilt. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre.

    Schwere Zugunglücke in Bayern

    8. Juni 1975: Im Oberland Schaftlach und Warngau sterben an dem strahlenden Frühsommersonntag 43 Menschen, mehr als 100 werden verletzt. Es ist eines der schwersten Zugunglücke in der deutschen Nachkriegsgeschichte - und es ist amtlicherseits programmiert...

    ... Der Sommerfahrplan sieht einen zusätzlichen Zug für die Sonntags-Ausflügler vor. Damit muss es auf der eingleisigen Strecke zwischen Schaftlach und Warngau einen Zusammenstoß geben. Niemand bemerkt das. Und an den Bahnhöfen passiert offenbar ein fataler Fehler: Die Bahnbediensteten lassen die Züge abfahren und melden sie erst dann beim jeweils anderen Fahrdienstleiter an.

    24. April 1992: Ein Güterzug entgleist auf der Strecke Stuttgart-München in Höhe Augsburg-Hochzoll. Ein Waggon kippt um. Hunderte Liter der leichtentzündlichen Flüssigkeit Amylpropionat laufen aus. Dennoch geht der Unfall glimpflich aus, ein größerer Umweltschaden bleibt aus.

    18. Februar 1999: In Immenstadt im Allgäu stößt ein Intercity-Zug mit einem InterRegio zusammen. Zwei Menschen kommen ums Leben, etwa 20 werden verletzt.

    22. Juni 2001: Ein schwarzer Tag für den bayerischen Schienenverkehr. Bei zwei Unglücken an Bahnübergängen sterben 7 Menschen, mindestens 44 werden verletzt. In der Nähe von Vilseck-Gressenwöhr in der Oberpfalz rast ein Regionalzug in einen Lastwagen der US-Armee. Der Lokführer, der Lkw-Fahrer und ein Zugfahrgast sterben. Elf Stunden später rammt ein Regionalzug an der Strecke Donauwörth-Dillingen in Tapfheim ein Auto. Ein Ehepaar und zwei Kinder in dem Wagen sterben.

    6. November 2015: Am Bahnübergang in Freihung in der Oberpfalz kommen zwei Menschen ums Leben, vier werden verletzt. Ein Lkw, der einen Militär-Lastwagen auf dem Tieflader transportierte, war an dem Bahnübergang hängengeblieben und von dem Zug gerammt worden.

    9. Februar 2016: Bei Bad Aibling prallten zwei Züge frontal aufeinander. Zwölf Menschen sterben, 89 weitere Fahrgäste erleiden zum Teil schwere Verletzungen. Zu dem Unglück kommt es, weil der zuständige Fahrdienstleiter von seinem Smartphone abgelenkt ist und wohl in Folge dessen Signale falsch stellte. Er wird wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

    7. Mai 2018: Kurz vor dem Bahnhof Aichach fährt ein Personenzug in einen nicht beladenen Güterzug. Der Lokführer des Personenzugs und ein Fahrgast kommen ums Leben. 14 Personen werden bei dem Unfall verletzt.

    Sicherungsmechanismus hätte Zugunglück in Aichach verhindern können

    Auch wenn menschliches Versagen in Aichach zu dem Zugunglück geführt hatte, war schnell klar: Es hätte mit technischen Mitteln verhindert werden können. Inzwischen gibt es am Aichacher Bahnhof auch einen Sicherungsmechanismus, genannt "Technische Unterstützung Fahrweg (TüFa)". Damit gibt zwar weiterhin der Fahrdienstleiter auf Sicht die Bahngleise zur Einfahrt frei, sollte dabei aber ein Fehler unterlaufen blockiert die TüFa die Bedienung des Signals - sozusagen als Sicherheitsnetz.

    Dass solche technischen Hilfsmittel aber nicht immer Unfälle auch verhindern können, zeigen erste Erkenntnisse aus Schäftlarn. Denn die Unfallstrecke der Münchner S-Bahn ist nach Angaben aus Bahnkreisen mit einer elektronischen Sicherung ausgestattet. Die Technik überwache den Zugverkehr und könne Züge im Notfall automatisch bremsen, hieß es am Dienstag aus Bahnkreisen. Wie es dennoch zu dem Unfall kommen konnte, ist nun Teil der Ermittlungen.

    Aber auch mit dem Zugunglück in Aichach konnten noch nicht alle Betroffenen abschließen. Der Sohn der 73 Jahre alten Frau, die gestorben ist, hat Ende 2019 eine Petition gestartet mit dem Ziel, dass die gesamte Bahninfrastruktur auf einen aktuellen technischen Stand gebracht wird. Die Infrastruktur müsse gemeinnützig verwaltet werden, nicht gewinnorientiert, wie es bei einem Börsen-Unternehmen wie der Bahn der Fall sei, heißt es in der Petition. Sie wird aktuell noch im Deutschen Bundestag geprüft. (mit dpa)

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