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Aichach: Polizeigewalt nach eskaliertem Einsatz: Familienvater schlägt Polizist

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Polizeigewalt nach eskaliertem Einsatz: Familienvater schlägt Polizist

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    Eine Auseinandersetzung zwischen einem 48-Jährigen und einem Polizisten im Dezember 2022 hatte weitreichende Folgen für beide Beteiligten.
    Eine Auseinandersetzung zwischen einem 48-Jährigen und einem Polizisten im Dezember 2022 hatte weitreichende Folgen für beide Beteiligten. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbolbild)

    Es ist Dezember 2022, kurz nach den Weihnachtsfeiertagen. Bei einem heute 48-jährigen zweifachen Familienvater, wohnhaft im Norden des Landkreises, klingelt es an der Tür. Es sind zwei Angestellte eines Security-Unternehmens, die ein Anwaltsschreiben in der Hand halten: Die Frau des Mannes wolle sich trennen, er solle bitte das Haus verlassen. Was folgt, hat gravierende Folgen für den 48-Jährigen – und für einen in diesem Zusammenhang mittlerweile vorbestraften Polizeibeamten. Für seinen Anteil musste sich der zweifache Familienvater nun vor dem Aichacher Amtsgericht verantworten.

    Besagter Polizist war einer der sieben Beamtinnen und Beamten der Aichacher Inspektion, die Anfang 2023 vom Dienst freigestellt wurden. Sechs von ihnen sahen sich mit Disziplinarverfahren konfrontiert, weil sie im Dienst Alkohol getrunken haben sollen. Vier Verfahren sind nach Angaben des Polizeipräsidiums Schwaben Nord mittlerweile bestandskräftig abgeschlossen, Disziplinarmaßnahmen wurden laut Präsidium „im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord“ verhängt. Unabhängig dieser Vorwürfe wurde zusätzlich ein Strafverfahren gegen einen weiteren Polizisten bekannt – wegen eines Körperverletzungsdelikts im Dienst. Was war passiert?

    Massiver Widerstand: 48-Jähriger gerät in psychische Ausnahmesituation – und schlägt Polizisten

    Zurück in den Dezember 2022: Weil der 48-Jährige ob des Schreibens in eine psychische Ausnahmesituation gerät, androht, sich und das Haus – das er verlassen soll – anzuzünden und sich im Haus verbarrikadiert, rufen die Security-Mitarbeiter die Polizei hinzu. Die beiden Polizisten versuchen auf verschiedenen Wegen, in das Haus zu gelangen, klopfen an Türen und Fenster, versuchen, mit dem Schlüssel eines Nachbarn die Tür zu öffnen. Dann geht eine Fensterscheibe zu Bruch. Der 48-Jährige öffnet die Tür, begibt sich ins Wohnzimmer, wo er von einem der Polizisten festgehalten wird – und holt zu einem Faustschlag aus, mit dem er dem Beamten eine blutende Wunde verpasst. Es folgt eine Rangelei, bei dem auch der zweite Polizist durch den massiven Widerstand des 48-Jährigen leicht verletzt wird.

    Wie Rechtsanwalt Clemens Sandmeier, Verteidiger des 48-Jährigen, auf Nachfrage unserer Redaktion schildert, soll sein Mandant dann wehrlos gemacht worden sein, indem die beiden Polizisten ihn zu Boden rangen und fesselten; angesichts der Renitenz des Mannes eine weitestgehend normale Gegenwehr der Polizisten. Nachdem der 48-Jährige aber bereits gefesselt und weitestgehend widerstandsunfähig gemacht worden war, soll der im Gesicht verletzte Polizist laut Sandmeier den Kopf des Mannes fixiert und ihn mit Schlagsalven auf den Kopf, dazu noch in Sicherheitshandschuhen mit verstärkten Kappen, malträtiert haben. Mindestens zehn Schläge sollen es gewesen sein, dazu noch vereinzelt Fußtritte, die zu blutenden Wunden im Gesicht und am Kopf des 48-Jährigen führten.

    Polizist soll 48-Jährigen mehrfach geschlagen haben, nachdem dieser sich nicht mehr wehren konnte

    Das Polizeipräsidium Schwaben Nord verweist auf Anfrage unserer Redaktion zu den Vorwürfen auf die Justiz. Von der Staatsanwaltschaft Augsburg heißt es auf Nachfrage: „Nachdem der Mann bereits mehr oder weniger widerstandsunfähig gemacht worden war, kam es zu einer Grenzüberschreitung durch den Beamten.“ Zudem habe der Polizist den 48-Jährigen beleidigt. Allerdings seien die Polizisten in eine Ausnahmesituation gekommen, schließlich sei von vornherein ein Security-Unternehmen vonnöten gewesen, um dem Familienvater das Schreiben seiner Frau zu überreichen.

    91
    Ab 91 Tagessätzen gilt man als vorbestraft. Die Strafe des 48-Jährigen beläuft sich auf 90 Tagessätze, die des Polizisten auf 130.

    Gegen den Polizisten wurde in der Folge ein Strafverfahren wegen einer Körperverletzung im Dienst eingeleitet, ab Bekanntwerden der Vorwürfe zudem ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Ein Strafbefehl über 130 Tagessätze in unbekannter Höhe ist seit Dezember rechtskräftig: Aufgrund der Tagessatzanzahl gilt der Polizist nun als vorbestraft – das ist ab einer Geldstrafe von mindestens 91 Tagessätzen der Fall, unabhängig von deren Höhe. Nach Abschluss des Strafverfahrens wurde das Verbot nach Angaben des Polizeipräsidiums wieder aufgehoben, der Beamte leistet seitdem wieder Dienst bei einer anderen Inspektion. Unklar bleibt trotz Nachfrage beim Polizeipräsidium, ob sich diese Inspektion im Bereich Schwaben Nord befindet.

    Polizeigewalt: Nach Abschluss des Strafverfahrens kehrte übergriffiger Polizist in den Dienst zurück

    Allerdings nahm das Polizeipräsidium Schwaben Nord nach Abschluss des Strafverfahrens ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten wieder auf, das demnächst an die zuständige Disziplinarbehörde abgegeben werden soll – anders als in den Fällen des mutmaßlichen Alkoholkonsums. Zu diesem Vorgang heißt es vonseiten des Polizeipräsidiums: „Es gibt Disziplinarmaßnahmen, die direkt durch das Polizeipräsidium Schwaben Nord umgesetzt werden können und Disziplinarverfahren, die an die Disziplinarbehörde übergeben werden.“ Laut Zuständigkeitsverordnung des Freistaats Bayern ist das für Disziplinarverfahren gegen Personal der Präsidien der Polizei das Polizeipräsidium München.

    Am Amtsgericht Aichach wiederum handelte Verteidiger Clemens Sandmeier in einem Rechtsgespräch mit Richterin Eva-Maria Grosse und Staatsanwältin Laura Zott unter der Voraussetzung eines vollumfänglichen Geständnisses eine Maximalstrafe von 90 Tagessätzen aus. Der 48-Jährige, der mit einem der beiden Kinder mittlerweile außerhalb des Freistaats wohnt und nach Angaben seines Verteidigers aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig ist, räumte den tätlichen Angriff gegen einen Vollstreckungsbeamten sowie den Widerstand und die Körperverletzung ein. Er gilt damit nicht als vorbestraft.

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    2 Kommentare
    Franz Xanter

    "Der 48-Jährige, ... nach Angaben seines Verteidigers aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig ist, ...". So, so, da ist der Verursacher, der Straftäter also berufsunfähig? Aufgrund einer posttraumatischen Belastung? Welch verkehrte Welt. Aber natürlich, immer zum Vorteil der Verursacher!

    Martin Goller

    Der Verursacher ist in dem Fall allerdings der Polizist der sich nicht in Zaum halten konnte. Bei anderen Fällen kann man bei Tritten gegen den Kopf sofort von versuchtem Mord...

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