Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Aichach: Nahverkehr: Wird die Regional-S-Bahn stillschweigend beerdigt?

Aichach

Nahverkehr: Wird die Regional-S-Bahn stillschweigend beerdigt?

    • |
    Wird die Paartalbahn (hier bei Kühbach-Radersdorf) Teil einer Regional-S-Bahn? Danach sieht es momentan nicht aus. Das notwendige Wendegleis in Oberhausen soll doch nicht gebaut werden.
    Wird die Paartalbahn (hier bei Kühbach-Radersdorf) Teil einer Regional-S-Bahn? Danach sieht es momentan nicht aus. Das notwendige Wendegleis in Oberhausen soll doch nicht gebaut werden. Foto: Wolfgang Sellmeier (Archiv)

    Die Paartalbahn kann ihren 15-Minuten-Takt bis Friedberg beibehalten, auch wenn künftig mit dem „Deutschlandtakt“ mehr Fernzüge zwischen Augsburg und München unterwegs sind. Diese Gefahr für die Verlängerung der Paartalbahnlinie bis zum Bahnhof Oberhausen ist laut Bayerischer Eisenbahngesellschaft (BEG) offenbar vom Tisch.

    Dazu ist der Bau eines Wendegleises im Augsburger Stadtteil notwendig. Kommt das Gleis nicht, bricht ein wichtiger Baustein für eine Regional-S-Bahn weg. Das wäre zweifellos ein herber Rückschlag für die jahrzehntelangen Bemühungen, die Linie durchs Paartal für die Fahrgäste noch attraktiver zu machen. Die vor 150 Jahren gebaute Bahn bedeutete im 19. Jahrhundert einen Quantenschwung für das Aichacher Land und war über lange Zeit hinweg die Verkehrsader der Region. Nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Bedeutung und Ende der 70er Jahre wurde sogar über eine Stilllegung laut nachgedacht. Seit gut 30 Jahren geht es aber wieder deutlich aufwärts und mehrere Projekte für die Zukunft stecken in der Pipeline.

    Nebenstrecke Paartalbahn ist Verbindung zum ICE-Halt

    Die Paartalbahn ist zwar eine Nebenstrecke, hat aber eine strategische Bedeutung, weil sie Augsburg mit dem ICE-Halt in Ingolstadt und der Ausbautrasse München-Nürnberg verbindet. Im Juni kündigte die Bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer auf dem Aichacher Bahnhof an, dass dort, sowie in Dasing und Radersdorf (Markt Kühbach) ein barrierefreier Ausbau geplant ist. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, soll laut Schreyer auf lange Sicht die Elektrifizierung und die Zweigleisigkeit angestrebt werden.

    Paartalbahn: Bau, Niedergang, Aufschwung, Zukunft

    Strecke Die Paartalbahnlinie verläuft teilweise im Tal der Paar zwischen dem Bahnhof im Augsburger Stadtteil Hochzoll und Ingolstadt.

    Bau Die Bahn wurde zwischen 1872 und 1875 gebaut. Die eingleisige, nicht elektrifizierte Hauptstrecke ist 66,5 Kilometer lang. Planungen um die Jahrhundertwende für eine Anbindung von Pöttmes und Eurasburg oder eine Verbindung nach Altomünster zerschlugen sich.

    Niedergang In den 1960er-Jahren gingen die Fahrgastzahlen stark zurück. 1975 gab es erstmals Überlegungen zu einer Stilllegung der Strecke.

    Aufschwung 1989 nahm der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) die Strecke in den Verbund auf. 1996 wurde mit dem „Bayern-Takt“ der Zugverkehr verdichtet. 1999 erhöhte sich die Höchstgeschwindigkeit auf 120 Stundenkilometer. Die Bayerische Regiobahn (BRB) startete Ende 2009 den Regio-Schienentakt mit neuen Dieseltriebwagen. Bei der Ausschreibung 2018 setzte sich wieder die BRB durch. Sie fährt jetzt bis Ende 2031.

    Zukunft Die Paartallinie ist der Augsburger Anschluss zur ICE-Trasse München-Nürnberg. Zukunftsprojekte: Expressverbindungen mit nur zwei Halts (Aichach, Schrobenhausen), zweigleisiger Ausbau (Augsburg-Aichach), Elektrifizierung, 15-Minuten-Takt (Augsburg-Aichach). (cli)

    Aktuell wird aber eher über die Probleme gesprochen. Für den 15-Minuten-Takt nach Friedberg kann es die geben, weil ICEs und die Paartalbahn in Augsburg zwischen Hauptbahnhof und Hochzoll dieselben Gleise benutzen und die Strecke nach Ingolstadt, die aus Richtung München kreuzt. Unter Umständen kann die Paartalbahn künftig nur noch halbstündig fahren. Dieser Takt gilt jetzt für Züge zwischen Augsburg und Aichach. Die BEG hat jetzt die Anfrage unserer Redaktion beantwortet, wie dieser Konflikt gelöst werden soll. Sie räumt ein, es sei noch nicht sicher, ob der Bahnhofsumbau in Friedberg langfristig ausreicht, den künftigen Deutschlandtakt im Fernverkehr mit dem 15-Minuten-Takt der Paartalbahn zu vereinbaren. Das betreffe allerdings erst die Zeit nach 2040. Zunächst wird es laut BEG ab Dezember kommenden Jahres wegen der neuen Schnellfahrstrecke Ulm-Wendlingen mehr ICEs zwischen Augsburg und Kissing geben. Mögliche Trassenkonflikte seien aber in Verhandlungen mit der DB Fernverkehr ausgeräumt worden. Ab Dezember 2025 wirke sich das Projekt „Stuttgart 21“ mit noch mehr Fernzügen aus. Um Nah- und Fernverkehr auch dann zu vereinbaren, werde bis dahin der Bahnhof Friedberg ausgebaut, sodass Züge dort aus beiden Richtungen gleichzeitig einfahren können.

    Deutschlandtakt ist Problem für den Nahverkehr

    Erst danach – hier sagt die BEG: ab 2040 – könne es durch den Deutschlandtakt, durch den in großen Städten, auch in Augsburg, halbstündig ICEs ein- und ausfahren, zu weiteren Problemen mit dem Nahverkehr kommen. Dann sei aber der Bund gefordert, für eine „infrastrukturelle Lösung“ zu sorgen. Darunter versteht Nahverkehrsexperte Herbert König aus Schmiechen vor allem schnellere Züge, bessere Weichen und ein neues Leitsystem, wodurch mehr Züge in kürzerem Abstand auf der Strecke unterwegs sein könnten. König spricht sich allerdings dafür aus, die Probleme schon früher zu lösen.

    Acht Punkte, die den 15-Minuten-Takt sichern

    Züge folgen dichter aufeinander.

    Begegnungszeiten an Kreuzungen (Augsburg-Ingolstadt/Augsburg-München) werden verkürzt.

    Neue Weichen ermöglichen, dass Züge schneller fahren. Zwischen Augsburg-Hauptbahnhof und Friedberg spart das eine Minute - also zehn Prozent der Fahrzeit.

    Die Signaltechnik am Hauptbahnhof wird verbessert, um Zeit zu sparen.

    Die Paartalbahn wird elektrifiziert, eventuell durch Hybridzüge. Der Elektroantrierb macht die Züge spurtstärker.

    Die Betriebsführung der Züge wird flexibler, indem sie aufs Gegengleis ausweichen können.

    Digitalisierung ermöglicht vorausschauendes Fahren und spart so Stopps, die vor allem bei Güterzügen viel Zeit kosten.

    Für Güterzüge werden alternative Routen entwickelt.

    Auch wenn der schnelle Takt vorerst gesichert scheint, forderte der Friedberger Stadtrat vor Kurzem einstimmig nicht nur einen Erhalt des Status quo, sondern Verbesserungen. So solle der Halbstundentakt zwischen Augsburg und Aichach bis in den späten Abend ausgedehnt werden, die Kapazitäten der Paartalbahn sollen perspektivisch erweitert und ein weiterer Bahnhalt im Friedberger Stadtgebiet eingerichtet werden; genannt wird hier immer wieder die Reaktivierung des Haltepunktes im Stadtteil Paar.

    Die schlechte Nachricht der BEG für das Wittelsbacher Land: Die Verlängerung der Paartalbahn bis zum Bahnhof Oberhausen wird nach ihrer Ausgabe nicht mehr weiterverfolgt. Jetzt endet die Linie am Augsburger Hauptbahnhof. Von wesentlich schnelleren Verbindungen in den Augsburger Norden und Westen würde das Umland profitieren, aber auch Bewohner der Augsburger Stadtteile. Damit hätten Fahrgäste aus dem Wittelsbacher Land auch wesentlich schneller zum Uniklinikum gelangen können. In Oberhausen kann man mit der Tramlinie 2 direkt vor die Haustür des Klinikums fahren. Bisher muss man vom

    BEG: Bau eines Wendegleis in Oberhausen ist nicht möglich

    Aus der Verlängerung wird aber offensichtlich nichts. Wie die Bayerische Eisenbahngesellschaft , die im Auftrag des Freistaats den Nahverkehr in Bayern koordiniert, jetzt mitteilte, kommt der Bau des Wendegleises wohl nicht. Die BEG beruft sich in ihrer Stellungnahme auf die DB Netz. Die bauliche Umsetzung der Durchbindung, also der Bau eines Wendegleises, sei nicht wie geplant möglich und werde daher „derzeit nicht mehr weiterverfolgt“. Mit den Wendegleisen am Hauptbahnhof könne die Paartalbahn dort feste Bahnsteige für Ankunft und Abfahrt erhalten.

    Die SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr nannte den Wegfall der Durchbindung bis Oberhausen gegenüber unserer Redaktion einen „echten Hammer“. Damit könne eine regionale S-Bahn in Augsburg nicht richtig funktionieren. Sie will nun die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) fragen, seit wann sie davon wusste, und rief zu einer konzertierten Aktion aller im Raum Augsburg auf, um die Regional-S-Bahn zu retten. Die Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr spricht in einer Mitteilung von einer Amputation der Regional-S-Bahn und einer „stillschweigenden Beerdigung“ eines seit vier Jahrzehnten verfolgten Konzepts.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden