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Aichach: Liebhaber des Abstrakten: Andreas Stuckens Leben mit der Kunst

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Liebhaber des Abstrakten: Andreas Stuckens Leben mit der Kunst

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    Galerist Andreas Stucken, 63-jähriger Wahl-Aichacher., kann sich ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen.
    Galerist Andreas Stucken, 63-jähriger Wahl-Aichacher., kann sich ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen. Foto: Andreas Acktun

    „Ich kann mich ohne Kunst nicht vorstellen“, sagt Galerist Andreas Stucken, wenn er auf sein bisheriges Lebenswerk zurückblickt. Der 63-jährige Wahl-Aichacher hat die Geschichte der abstrakten Kunst hautnah miterlebt – und in den vergangenen 45 Jahren mit zahlreichen zeitgenössischen Kunstschaffenden zusammengearbeitet. Werke von großen Künstlern der Moderne gingen durch seine Hände oder füllten seine Ausstellungen. Erst vor Kurzem fungierte er als Kurator für die Einzelausstellung „Degi-Degi“ des bekannten US-amerikanischen Malers Mark Harrington in der Domagk Halle 50 in München.

    Der 68-jährige Harrington ist einer von etwa 50 Kunstschaffenden, mit denen Stucken aktuell in seiner Galerie „Zweigstelle Berlin“ zusammenarbeitet. Aktuell habe er auch viele junge Künstler in seinem Portfolio. „Das Wichtigste für mich ist nicht deren Bekanntheitsgrad, sondern dass ihre Werke originär sind“, erklärt Stucken in einem Gespräch.

    Stucken kam in Kontakt mit Kunstliebhaber Jürgen Wesseler

    Wenn es um zeitgenössische, abstrakte Kunst geht, ist Andreas Stucken ein Mann der ersten Stunde. In Bremen geboren, zog es ihn schon bald nach Bremerhaven. Dort hat eine kleine Schaufenster-Galerie eine magische Anziehungskraft auf ihn ausgeübt, erzählt Stucken. „Knapp zwanzig Quadratmeter, die in der damaligen Kunstwelt für Aufsehen sorgten – und zahlreiche Freigeister anzogen“, erinnert er sich. Stucken hatte das Glück, über einen Freund Kontakt zu Kunstliebhaber Jürgen Wesseler zu bekommen. Fortan half der damals 17-Jährige, in Wesselers nicht-kommerziellem „Kabinett für aktuelle Kunst“ Ausstellungen zu organisieren. Dabei sei er schon früh auf Künstler der internationalen Avantgarde gestoßen, erzählt er. Darunter waren die damals noch wenig bekannten Blinky Palermo, Gerhard Richter oder Lawrence Weiner. Sie gelten als Mitbegründer der sogenannten minimalistischen, abstrakten Kunst, deren Werke bei heutigen Auktionen oft sechs- bis siebenstellige Summen erzielen.

    Diese außergewöhnlichen Begegnungen haben Andreas Stucken als Kunstkenner geprägt. Seitdem ist die Kunst aus seinem Leben schlicht nicht mehr wegzudenken. Er begann, in Berlin Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften zu studieren. Damals, in den späten 70er Jahren, habe er seine Haare schulterlang und einen Vollbart getragen, erinnert er sich. An der innerdeutschen Grenze sei er „deshalb immer mehr gefilzt worden“ als andere.

    1980 gründete er im damaligen Arbeiter- und heutigen Szeneviertel Neukölln mit zwei Freunden das Museum für (Sub-)Kultur – einer der ersten Non-Profit-Projekträume Berlins. „Künstler wie Braco Dimitrijevic, Jenny Holzer, Bernard Frize oder Sean Scully zeigten bei uns ihre Werke, lange bevor sie international bekannt wurden“, erzählt Stucken nicht ohne Stolz. Den irischen Maler Scully, der heute zu den gefragtesten Künstlern weltweit zählt, habe er damals zur Galerie-Eröffnung eingeladen. Dieser habe sofort zugesagt und in Stuckens benachbarter Wohnung eine seiner wenigen Wandmalereien mit dem Titel „Spider“ geschaffen.

    Stuckens Appartment wurde zum zweiten Ausstellungsraum

    „Mein kleines Appartement wurde damit über Nacht zum zweiten Ausstellungsraum – und gleichzeitig zur wohl wertvollsten Studentenbude Berlins“, sagt Stucken und lacht. „Leider konnte ich das Werk nicht mitnehmen“, bedauert er: „Ich musste es beim Auszug überstreichen. Das tat mir damals schon in der Seele weh. Und wenn ich heute zurückdenke, noch viel mehr.“

    Der bekannte Maler Mark Harrington (rechts) ist einer von etwa 50 Kunstschaffenden, mit denen Galerist Andreas Stucken (links) zusammenarbeitet. Hier bei seiner Einzelausstellung „Degi-Degi“ in der Münchner Domagk-Halle 50.
    Der bekannte Maler Mark Harrington (rechts) ist einer von etwa 50 Kunstschaffenden, mit denen Galerist Andreas Stucken (links) zusammenarbeitet. Hier bei seiner Einzelausstellung „Degi-Degi“ in der Münchner Domagk-Halle 50. Foto: Andreas Acktun

    Nach sieben „intensiven Berliner Jahren“ verabschiedete sich Stucken für einige Jahre von der Kunst und arbeitete als Unternehmensberater. Dies führte ihn 1990 nach Aichach, wo er sich schnell dem Kunstverein anschloss. Genau zehn Jahre, von 2001 bis 2011, war er Vorsitzender des Kunstvereins Aichach. „Danach muss man sich entweder neu erfinden oder man gibt ab“, sagt Stucken, der in dieser Zeit Aichach als Kunstadresse geprägt hat. Zahlreiche raumbezogene Ausstellungen mit namhaften Künstlern im Kreuzgratgewölbe des Kreisgutes – der heutigen Landratsamt-Außenstelle – waren Stuckens guten Beziehungen zur Kunstwelt zu verdanken.

    Seit 2008 führt Andreas Stucken die Galerie "Zweigstelle Berlin"

    Die Galerie „Zweigstelle Berlin“ führt Andreas Stucken seit 2008. Ursprünglich in Berlin-Moabit angesiedelt, folgte er im Jahr 2016 dem Trend und verwandelte seine Zweigstelle in eine Online-Galerie. Aktuell gibt es dort über 1000 Kunstwerke aus den Bereichen Editionen, Fotografie, Malerei, Papierarbeiten und Skulpturen sowie Meissener Porzellan zu kaufen.

    Die heute wohl unbezahlbare Wandmalerei „Spider“ von Sean Scully musste Stucken nach seinem Auszug in Berlin überstreichen.
    Die heute wohl unbezahlbare Wandmalerei „Spider“ von Sean Scully musste Stucken nach seinem Auszug in Berlin überstreichen. Foto: Andreas Acktun

    In einem virtuellen 3D-Ausstellungsraum können Interessenten an die Kunstwerke herangehen, sie aus der Nähe oder Entfernung betrachten oder in einem 3D-Musterraum virtuell zur Probe hängen, so Stucken.

    Neben seinen Ausstellungen in angemieteten Räumen betreibt Stucken seit 2019 mit der Galeristin Claudia Weil aus Friedberg-Rinnenthal den Ausstellungsraum „augsburg contemporary“ in Augsburg-Göggingen, Bergstraße 11.

    Zahl der Künstler sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden

    Die aktuelle Situation der Kunst beurteilt Stucken als sehr schwierig: „Wenn manche sagen, der Kunst gehe es doch gut, dann sehen sie nur die Auktionspreise, die für ein paar wenige Künstler und deren Werke erzielt werden“, sagt er. „Damit verkümmert die Kunst zum Spekulationsobjekt und hat nichts mehr mit unserem ,ersten Markt’ zu tun.“ Heutzutage sei Kunst zwar für jeden sichtbar und konsumierbar. Auch die Zahl der Künstler sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden. „Doch die Käufer halten sich zurück. Viele Galeristen und Künstler geben auf“, sagt er.

    In einem virtuellen 3D-Ausstellungsraum können Interessierte auf der Internetseite der „Zweigstelle Berlin“ an die Kunstwerke herangehen, sie aus der Nähe oder Entfernung betrachten oder sie in einem 3D-Musterraum vor dem Kauf virtuell zur Probe hängen.
    In einem virtuellen 3D-Ausstellungsraum können Interessierte auf der Internetseite der „Zweigstelle Berlin“ an die Kunstwerke herangehen, sie aus der Nähe oder Entfernung betrachten oder sie in einem 3D-Musterraum vor dem Kauf virtuell zur Probe hängen. Foto: Andreas Acktun

    Stucken selbst ist Optimist. „Corona wirkt wie ein Katalysator. Danach werden die Karten neu gemischt“, sagt er. Er ist überzeugt, dass viel Neues entstehen wird und die Leute wieder „bewusster und aus dem Gefühl heraus“ mit Kunst umgehen werden. Die Frage nach seinem eigenen künstlerischen Talent war für Andreas Stucken nie ein Thema: „Ich fand es immer spannender, mit Künstlern zu arbeiten, als selbst einer zu sein.“

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