Die Baugrube ist ausgehoben, die Baugenehmigung ist da. Wenn der Aichacher Stadtrat in seiner nächsten Sitzung den Durchführungsbeschluss für die Erweiterung des Verwaltungsgebäudes am Tandlmarkt fasst, könnte spätestens Anfang 2023 der Bau beginnen. Am Mittwoch nun hat die Freie Wählergemeinschaft (FWG) einen Eilantrag bei der Stadt eingereicht, der eine Kehrtwende bedeuten würde. Die Stadtratsfraktion will statt des Anbaus einen "großen Wurf": einen Neubau. Als Standort hat sie ein zentral gelegenes Grundstück der Stadt im Auge.
Dass die Aichacher Stadtverwaltung mehr Platz braucht, soweit besteht Einigkeit im Stadtrat. Die Erweiterung durch einen Anbau ans Verwaltungsgebäude I am Tandlmarkt ist seit Mitte 2016 Thema. Der Vorentwurf des Architekturbüros Schrammel aus Augsburg - damals noch für einen modernen Glasbau - wurde 2018 mit 30:1 Stimmen beschlossen.
Seit Ende 2019 bröckelt die Zustimmung für den Anbau
Spätestens seit Ende 2019 begann aber die Zustimmung zu bröckeln. Bis dahin hatte sich die Kostenschätzung von rund 5,4 Millionen Euro auf etwa 6,5 Millionen Euro erhöht, obwohl von der Glas- bereits auf eine günstigere Fassade umgeschwenkt wurde. Damals konnte sich die FWG mit ihrem Antrag, nach weiteren Einsparpotenzialen zu suchen, nicht durchsetzen. Ende 2020 stand das Projekt schon einmal auf der Kippe. Die FWG plädierte damals dafür, den Anbau zu verschieben. Mit 15:14 entschied der Stadtrat damals, die Planungen weiter voranzutreiben.
Jetzt will die FWG komplett umsteuern. Wie Fraktionsvorsitzender Georg Robert Jung sagt, ist die Fraktion in einer Sondersitzung zu dem Schluss gekommen, dass ein Anbau mit Sanierung des bestehenden Verwaltungsgebäudes wegen der Entwicklung der Baupreise zunehmend unwirtschaftlich erscheine. Sie beantragt stattdessen einen Neubau auf dem früheren Gelände der Feuerwehr an der Martinstraße.
Das Gebäude soll deutlich größer werden als der geplante Anbau: Dort soll die gesamte Verwaltung unter einem Dach Platz finden, anstatt an vier Standorten wie derzeit. Wie Marc Sturm ergänzte, könnten auf diese Weise auch Probleme mit dem Brandschutz und dem Datenschutz an den derzeitigen Standorten gelöst werden, ohne kostenintensive Sanierungen.
Funktionalausschreibung für das neue Verwaltungsgebäude
Das Gebäude soll im Rahmen einer Funktionalausschreibung oder Generalunternehmerlösung - wie 2014 beim neuen Feuerwehrhaus - möglichst in nachhaltiger Holzbauweise und damit ökologisch günstig gebaut werden, so die FWG. Bei solchen Ausschreibungen wird das Projekt komplett ausgeschrieben, nicht die einzelnen Gewerke. Eine Holzhackschnitzelheizung und eine Solaranlage auf dem Dach sollen für Wärme und Energie sorgen. Das Gebäude könnte energieautark werden, so Jung. Bei der Ausschreibung denken die FWG an den Aichacher Holzbauspezialisten Züblin Timber. Das Unternehmen habe 2014 in Holzbauweise ein Verwaltungsgebäude für die Stadtwerke Lübeck gebaut, zu einem Quadratmeter-Nettopreis von unter 1500 Euro. Selbst wenn sich dieser Preis seither verdoppelt hätte, wäre das Gebäude deutlich günstiger und ökologischer als der geplante Anbau, ist Jung überzeugt.
Auf dem Grundstück ist laut FWG außerdem genug Platz, um die notwendigen Stellplätze für Mitarbeiter und Besucher zu schaffen - mit einer Erdgeschosslösung und einem halben Untergeschoss. Am Tandlmarkt könne die Tiefgarage nur minimal erweitert werden, und das mit sehr hohen Kosten, so Jung.
FWG: Kein Geld in Umbau stecken
Einen großen Vorteil sieht die FWG im zeitlichen Ablauf: Während die Verwaltung bei der Anbaulösung erst in den Anbau und dann nach der Sanierung des Altbaus wieder zurück ziehen müsste, sei bei einem Neubau nur ein Umzug nötig. Anders als bei der Sanierung des bestehenden Verwaltungsgebäudes gebe es bei einem Neubau auch keine Zwangspunkte, so Jung. Es sei "unsinnig, viel Geld in den Umbau zu stecken." Das Verwaltungsgebäude I und das Grundstück für die Erweiterung könnte die Stadt verkaufen. Das Alte Rathaus soll dagegen in städtischer Hand bleiben. Dort könnte sich Jung den Sitzungssaal vorstellen.
Dass anfangs auch die FWG für den Anbau gestimmt hat, erklärt Jung im Rückblick aus der damaligen Situation heraus mit dem "Denkfehler, schnell etwas anbauen zu können". Es gehe weder schnell, noch sei es die beste Lösung. Lothar Bahn ergänzt mit Blick auf die Finanzen, mittlerweile seien einige Projekte dazugekommen, wie neue Kitas oder die Sanierung der Kläranlage. Die sei vor zwei Jahren in dieser Dringlichkeit nicht abzusehen gewesen.
Für Anbau sind bislang rund 600.000 Euro angefallen
In den Sand gesetzt wäre dann das Geld, das bisher in Planungen und vorbereitende Arbeiten für den Anbau ausgegeben wurde: rund 600.000 Euro. Jung hält das für verschmerzbar. Das sei auch beim Feuerwehrhaus, bei der Bahnhofstraße und anderen Projekten so gewesen. Auch den Zeitverlust hält Jung für gering. Sowohl für den Anbau als auch für die Sanierung des Altbaus rechnet er ein bis anderthalb Jahre ein. Der Neubau, so seine Rechnung, würde nicht viel länger dauern.
Bürgermeister Klaus Habermann bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion den Eingang des Eilantrags. Er habe ihn bisher nur kurz überflogen. "Die Logik hat sich mir nicht erschlossen", sagt er dazu. Der Eilantrag wird in der nächsten Stadtratssitzung am Donnerstag, 24. Februar, Thema sein.