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Aichach-Friedberg: Wie Jugendliche in Aichach-Friedberg leichter durch die Corona-Zeit kommen

Aichach-Friedberg

Wie Jugendliche in Aichach-Friedberg leichter durch die Corona-Zeit kommen

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    Auch viele Jugendliche leiden unter der Pandemie. Der Aichacher Kinder- und Jugendpsychologe Michael Silc rät dazu, seine Gefühle nicht zu verstecken. Außerdem müsse sich niemand schämen, wenn er sich psychologische Unterstützung sucht.
    Auch viele Jugendliche leiden unter der Pandemie. Der Aichacher Kinder- und Jugendpsychologe Michael Silc rät dazu, seine Gefühle nicht zu verstecken. Außerdem müsse sich niemand schämen, wenn er sich psychologische Unterstützung sucht. Foto: Rolf Vennenbernd, picture alliance/dpa (Symbolbild)

    Herr Silc, seit Monaten befinden sich viele Jugendliche im Distanzunterricht. Wie können sie trotz Pandemie und Lockdown motiviert bleiben?

    Michael Silc: Am wichtigsten ist es in einer belastenden Lebensphase, den Kontakt zu seinen Freunden zu halten und – soweit dies im Rahmen der aktuellen Einschränkungen möglich ist – nicht nur online. Der direkte Kontakt mit anderen Menschen, wenn ich also meinen Freund oder meine Freundin neben mir sehe, löst in der Regel wesentlich intensivere Gefühle aus als der Online-, Telefon- oder WhatsApp-Kontakt. Im Rahmen eines direkten Kontaktes ist es leichter und intensiver, sich verstanden, akzeptiert und gemocht zu fühlen. Diese Gefühle sind wichtig, um die notwendige Energie zu entwickeln, eine belastende Lebensphase gesund zu überstehen.

    Der Jugendpsychologe Michael Silc aus Aichach erklärt, warum die Pandemie für Jugendliche eine schwierige Zeit ist.
    Der Jugendpsychologe Michael Silc aus Aichach erklärt, warum die Pandemie für Jugendliche eine schwierige Zeit ist.

    Was kann noch helfen?

    Silc: Es hilft auch, sich bewusst zu machen, welche Werte einen im Leben tragen. Das heißt: Was mir im Leben wichtig ist. So kann ich mich direkt auf diese Werte in meinem Handeln beziehen. Sollte mir Fürsorge für andere Menschen ein wichtiger Wert sein, so kann ich durch das Kümmern um andere (zum Beispiel für die Großmutter einkaufen gehen) nicht nur anderen Menschen helfen, sondern auch mir das Gefühl geben, dass ich ein sozial engagierter Mensch bin. Die Frage: „Was kann ich tun?“ steht dabei im Zentrum dieser Idee, da es, wie gesagt, nicht nur um den Wert geht, sondern um die Handlung, die mit dem Wert verbunden ist. Ein weiterer Effekt dieser Idee ist, dass ich weniger mit den eigenen, teilweise negativen Gedankenkreisen verbunden bin.

    Ist die Pandemie für Jugendliche besonders schwer zu ertragen?

    Silc: Sie gehören in dieser Zeit zu den psychisch primär belasteten Bevölkerungsgruppen. Dies führt dazu, dass die Jugendlichen aktuell teilweise intensive Belastungsgefühle erleben. Es ist wichtig, dass sie sich ihrer besonderen Situation bewusst sind und auch gegenseitig auf sich achten. In meiner Praxis beobachte ich immer häufiger, dass Ängste und Depressionen in der Altersgruppe der Jugendlichen zunehmen. Sollten jugendliche weitreichende, dauerhafte Symptome wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit oder Ängste bei sich oder Freunden feststellen, sollten sie sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

    Freunde können helfen, besser mit der Pandemie umzugehen

    Können in so einer Situation Routinen hilfreich sein?

    Silc: Ja, Routinen helfen in der Regel. Besonders während der Phasen, in denen nur Homeschooling möglich ist, ist der Erhalt einer angemessenen Tagesstruktur nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Da der Distanzunterricht dazu verleitet, erst dann aufzuwachen, wenn die erste Online-Stunde ansteht, würde ich es begrüßen, wenn die Schulen kontinuierlich einen gemeinsamen Start in den Tag anbieten. Darüber hinaus wäre es meines Erachtens sinnvoll, wenn ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsaufträgen, die selbstständig erledigt werden müssen, und Online-Stunden angeboten wird.

    Wie sieht es bei Studenten aus?

    Silc: Für Studierende ist die Situation dann leichter, wenn die Universitäten die Vorlesungen online anbieten, was nach meiner Erfahrung in einer großen Zahl gelingt. Auch soziale Online-Veranstaltungen wie Einführungstage sind wichtig, da viele Studierende die Hochschule und damit die anderen Kommilitonen – wenn überhaupt – bisher nur selten gesehen haben.

    Erste Anlaufstellen für Jugendliche

    Kinder und Jugendtelefon

    Unter 116111 können Kinder und Jugendliche bei der Nummer gegen Kummer anrufen. Von Montag bis Samstag zwischen 14 und 20 Uhr können sich Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen anonym beraten lassen. Die Nummer ist kostenlos und wird vom gleichnamigen Verein betrieben.

    Infoportal „Corona und Du“

    Auf der Webseite „Corona und Du“ gibt es weitere Anlaufstellen und Tipps, wie Jugendliche gut durch die Pandemie kommen können. Auch Eltern finden dort Informationen. Das Portal ist ein Projekt der Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU-Klinikums München in Zusammenarbeit mit der Beisheim-Stiftung.

    Unterstützung per Chat

    Auf der Internetseite der Jugendberatung des Vereins „Bundeskonferenz für Erziehungsfragen“ (bke) bekommen Jugendliche in schwierigen Situationen per Chat oder E-Mail Unterstützung. Die Beratung ist anonym und kostenlos. (kneit)

    In der momentanen Lage müssen Jugendliche mit vielen verschiedenen Emotionen umgehen – zum Beispiel Wut, Trauer oder auch Verzweiflung. Wie gelingt das am besten?

    Silc: Das stimmt, im Moment erleben viele Jugendliche die ganze Bandbreite an Emotionen. Es ist wichtig, seine Gefühle zeigen zu können. Dazu brauche ich nicht nur den Mut, diese herauszulassen, sondern auch eine passende Umgebung. Am besten wäre es, ein Gegenüber zu haben, das mir verständnisvoll und nicht belehrend zur Seite steht und mir das Gefühl gibt, so, wie ich im Moment bin, verstanden und akzeptiert zu werden. Dabei ist es nicht wichtig, eine große Gruppe von Menschen um mich zu haben. Der Einzelne, der mich versteht, ist mir ein wichtiger Begleiter.

    Was können Jugendliche tun, wenn es ihren Freunden schlecht geht?

    Silc: Man kann für seine Freunde eben genau diese Person sein, bei der jemand seine Gefühle ausleben kann. Es ist wichtig, sein Gegenüber und dessen Gefühle ernst zu nehmen. Das federt viel ab. Es geht darum zu zeigen, dass man auch in diesen schwierigen Zeiten für den anderen da ist. Das kann auch bedeuten, dass man seinem Freund rät, sich professionelle Unterstützung zu holen.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Psychische Probleme durch Corona: Keine Scheu vor einer Therapie

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