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Aichach-Friedberg: So viele Kirchenaustritte gab es noch nie im Aichacher Standesamtsbezirk

Aichach-Friedberg

So viele Kirchenaustritte gab es noch nie im Aichacher Standesamtsbezirk

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    Die Zahl der Kirchenaustritte im Standesamtsbezirk Aichach ist 2022 erneut gestiegen.
    Die Zahl der Kirchenaustritte im Standesamtsbezirk Aichach ist 2022 erneut gestiegen. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Die Veröffentlichung der Kirchenaustrittszahlen aus dem Jahr 2022 hat einen neuen Rekordwert ergeben: 529 Menschen sind im Standesamtsbezirk Aichach im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten. Das sind 165 Personen mehr als im Jahr 2021, womit sich der steigende Trend mit Ausnahme der Pandemie-Jahre fortsetzt. Neben den Missbrauchsfällen in der Kirche spielt wohl auch die finanzielle Situation der Menschen eine Rolle beim Austritt aus der Kirche.

    Zahl der Kirchenaustritte in der evangelischen Gemeinde verdoppelt sich

    Die Zahlen gehen auf Statistiken des Aichacher Standesamts zurück, zu dem neben den Gemeinden Adelzhausen, Sielenbach, Obergriesbach, Kühbach, Schiltberg und Hollenbach seit April 2022 auch die Gemeinde Inchenhofen gehört. Der Anstieg der Kirchenaustritte lässt sich damit aber nur teilweise erklären. Das zeigt das Beispiel der evangelischen Kirchengemeinde Aichach-Altomünster. Stand Mitte Dezember lag die Zahl der 60 Personen mehr als 2021. Harald Baude, seit September neu als Pfarrer in der Gemeinde, sieht die finanziell angespannte Lage aufgrund der Pandemie und die aktuell hohen Preise als einer der Gründe. "Ich habe schon den Eindruck, dass die Corona-Pandemie ihre Schatten wirft." 

    Baude betont, dass er jeden Austritt bedauere. Er finde es schade, wenn Menschen sich dazu entschließen, aus der Kirche auszutreten. Er sehe ähnlich wie in anderen Bereichen einen gesellschaftlichen Trend als eine Ursache für die rückgängigen Mitgliedszahlen. Engagement und Teilnahme gingen auch in Vereinen und Verbänden zurück. Diese Entwicklung dürfe man aber nicht einfach so hinnehmen: "Es liegt auch daran, dass wir als Kirchen nicht präsent genug sind. Wir müssen wieder relevant werden und die Menschen dort abholen, wo sie sind. Nicht dort, wo wir sie vermuten."

    Harald Baude ist seit September 2022 evangelischer Pfarrer in der Kirchengemeinde Aichach-Altomünster.
    Harald Baude ist seit September 2022 evangelischer Pfarrer in der Kirchengemeinde Aichach-Altomünster. Foto: Claudia Neumüller

    Steigende Austrittszahlen auch in der katholischen Kirche

    Dekan Stefan Gast erklärt, dass er selbst nichts von den Austrittsgründen der Menschen mitbekomme. Bei den meisten habe es schon vorher keine Verbindung zur Kirche gegeben. Genaue Zahlen zu den Austrittszahlen aus den einzelnen Pfarreien lägen ihm aber noch nicht vor, er rechne jedoch ebenfalls mit einem Anstieg der Zahlen. In der gesamten Aichacher Pfarreiengemeinschaft traten 2022 insgesamt 181 Personen aus der katholischen Kirche aus. Im Vorjahr waren es 140 Personen.

    Stadtpfarrer Herbert Gugler sieht eine fortschreitende "Entfremdung von der Kirche". Wie sein evangelischer Amtskollege plädiert auch er dafür, mit den Menschen wieder mehr ins Gespräch zu kommen. Man wolle den Menschen möglichst niedrigschwellige Angebote machen. Dazu gehören unter anderem Gottesdienste unter freiem Himmel. Man plane auch gemeinsam mit der evangelischen Kirche einen Stand bei der diesjährigen Gewerbeschau Wila in Aichach. Damit möchte er versuchen, "die Menschen, die im Wanken sind, kennenzulernen und zu erreichen". Gugler ist sich "ganz sicher", dass für viele auch finanzielle Gründe bei der Entscheidung eine Rolle spielen. 

    Er kenne die Studie, die gemeinsam von evangelischer und katholischer Kirche in Auftrag gegeben wurde, und den Kirchen im Jahr 2060 nur noch einen Mitgliederanteil von 25 Prozent aller Deutschen prognostiziert. Sollte dies so kommen, müssten sich die Kirchen überlegen, was sie in Zukunft mit den sinkenden Einnahmen an Kirchensteuer noch alles finanzieren könne.

    Herbert Gugler ist seit 2014 Stadtpfarrer von Aichach.
    Herbert Gugler ist seit 2014 Stadtpfarrer von Aichach. Foto: Martin Ruhland (Archivbild)

    Das Engagement bei den Ehrenamtlichen stimmt

    Barbara Wagner, Vorsitzende des Pfarrgemeinderats Kühbach, macht die steigende Zahl der Kirchenaustritte nachdenklich. In ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der Gemeinde bemerke sie die sinkenden Mitgliedszahlen aber noch nicht. "Wir haben eine funktionierende Pfarrei und versuchen unser Bestes", erklärt sie. Dass jedes Jahr mehr Menschen aus der Kirche austreten sei schlimm, halte sie aber nicht davon ab, sich weiter zu engagieren: "Wir freuen uns über diejenigen, die da sind." Es sei schwierig, junge Leute abseits des Ministrantendienstes für die Kirche zu gewinnen. Allerdings ist sie überzeugt, dass in Zukunft wieder mehr junge Erwachsene nach einer Gemeinschaft suchen werden. Dafür gäbe es bereits eine Vielzahl an Angeboten in ihrer Gemeinde.

    Zur Statistik über die Kirchenaustritte gehört auch, dass es einzelne Menschen gibt, die sich umentscheiden. Stadtpfarrer Gugler etwa berichtet, dass im vergangenen Jahr eine und nach dem Jahreswechsel eine weitere Person ihren Weg zurück in die Gemeinde gefunden hätten. Ein Wiedereintritt in die Kirche sei kein großer bürokratischer Aufwand, wie Gugler betont. 

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