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Aichach-Friedberg: So erfüllen sich Menschen in Aichach-Friedberg den Traum vom Tiny House

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So erfüllen sich Menschen in Aichach-Friedberg den Traum vom Tiny House

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    Maximilian Eller darf für fünf Jahre mit seinem Tiny House in Baar stehen.
    Maximilian Eller darf für fünf Jahre mit seinem Tiny House in Baar stehen. Foto: Maximilian Eller

    Ein Eigenheim mit Garten – dieser Traum ist für Maximilian Eller wahr geworden. Wenn auch im Kleinformat. Seine eigenen vier Wände sind 33 Quadratmeter groß. Das sogenannte Tiny House (übersetzt: winziges Haus) steht schon seit Dezember 2019 in Baar auf dem Grundstück eines Freundes, einziehen durfte er aber erst einmal nicht. Mitte 2020 kam nach mehreren Anläufen die Genehmigung des Gemeinderats. Jetzt steht Eller kurz vor dem Abschluss des Bauvorhabens durch das Landratsamt.

    Der Verband Tiny House bezeichnet Häuser mit einer Grundfläche von bis zu 37 Quadratmetern, die kein festes Fundament haben, als Tiny Häuser. Sie sollen mobil sein. Im Gegensatz zu Wohnwagen müssen sie aber gewisse Bedingungen erfüllen: Toilette, Wasch- und Kochgelegenheit müssen entweder direkt im Tiny House oder auf dem Grundstück zu finden sein.

    Tiny House in Baar: Baugenehmigung erst im dritten Anlauf

    Wenn jemand wie Maximilian Eller sich in Deutschland dazu entschließt, dauerhaft in einem Tiny House zu wohnen, wird es offiziell zum Gebäude. Dadurch braucht es eine Baugenehmigung und muss sich nach den Vorgaben der Bayerischen Bauordnung und dem örtlichen Flächennutzungs- oder Bebauungsplan richten.

    Der Baarer Gemeinderat hatte Ellers Bauantrag zweimal abgelehnt, bevor die Zusage kam. Grund war, dass der Gemeinderat befürchtete, Eller wolle damit den Bauzwang auf dem Grundstück am Neubaugebiet „Zeintl“ umgehen. Das Landratsamt sah die Begründung nicht ein und forderte den Gemeinderat dazu auf, die Entscheidung zu überdenken. Der sagte aber auch beim zweiten Mal dem Bauantrag ab. Der damalige Bürgermeister Leonhard Kandler ärgerte sich über die Entscheidung des Gemeinderats. „Wenn die Bayerische Bauordnung das möglich macht, kann ich ja nicht einfach Nein sagen, weil ich anderer Meinung bin“, sagte Kandler.

    In dem Antrag für den dritten Anlauf stand explizit eine Befristung von fünf Jahren. Der wurde dann genehmigt. Für Eller macht die Befristung keinen Unterschied. Der Jungunternehmer aus Meitingen (Landkreis Augsburg) wollte ohnehin nur auf dem Grundstück stehen, bis sein Freund dort ein „normales“ Haus baut. Dann kann er mit dem Tiny House als Ganzes umziehen. Denn diese Flexibilität ist einer der Vorteile der kleinen Häuser.

    Nicole Häuslein wohnt in Rehling am Buchenweg in einem Tiny-Haus. Sie wohnt mit ihren zwei Hunden auf 28 Quadratmetern.
    Nicole Häuslein wohnt in Rehling am Buchenweg in einem Tiny-Haus. Sie wohnt mit ihren zwei Hunden auf 28 Quadratmetern. Foto: Philipp Schulte

    Nicole Häuslein ist bereits im November 2019 in ihr Tiny House in Rehling eingezogen und damit wohl die erste Tiny-House-Bewohnerin im Landkreis. Seit Corona arbeitet sie auch darin. Homeoffice auf 28 Quadratmetern ist für sie kein Problem. „Ich muss halt mein Büro immer auf- und abbauen“, erklärt Häuslein. Denn der Schreibtisch ist außerhalb der Arbeitszeiten ihr Esstisch. Das mache zwar etwas Arbeit, aber sie ist sich sicher: „So schön hat es keiner!“ Vor ihrem Fenster sieht sie Natur, ihre Pferde grasen, ihre Hunde toben. Die beiden Cavalier King Charles Spaniel fühlen sich laut Häuslein total wohl in dem Haus. Und sie selbst auch.

    Ein Argument für Tiny-House-Besitzer ist der Preis

    Ein Argument vieler Tiny-House-Besitzer ist der Preis: Je nach Größe und Ausstattung kostet ein solches Minihaus laut der Website des Verbands Tiny House zwischen 35.000 und 120.000 Euro. Ein normales Haus kann da nur schwer mithalten. Trotzdem sind die Kosten laut Häuslein nicht zu unterschätzen. Das Grundstück, das sie gepachtet hat, war noch nicht an Kanalisation und Strom angeschlossen. „Da habe ich die gleichen Kosten, wie wenn ich ein Einfamilienhaus baue“, so Häuslein. Zusätzlich hatte auch sie Probleme mit der Baugenehmigung.

    Auf ihrem eigenen Grundstück durfte sie ihr Tiny House nicht aufstellen, jetzt hat sie für zehn Jahre das Grundstück einer Freundin gepachtet. Trotzdem sagt sie mit voller Überzeugung: „Ich würde es 100-mal wieder machen.“ Sie könne es Menschen, die alleine leben, definitiv empfehlen.

    Nicole Häuslein freut sich darüber, dass sie mit ihrem Häuschen mitten in der Natur steht.
    Nicole Häuslein freut sich darüber, dass sie mit ihrem Häuschen mitten in der Natur steht. Foto: Philipp Schulte

    Ein weiteres Argument der Verfechter dieser Wohnform ist, dass sie als ressourcenschonend gilt. Die Häuser sind meist aus nachhaltigem Material hergestellt, außerdem verbrauchen die wenigen Quadratmeter nicht zu viel Heizenergie. „Ich versuche, nachhaltig zu leben“, erklärt Eller. Innen wie außen: Gartenmöbel hat er aus Paletten gebaut und ein Insektenhotel vor sein Haus gestellt. Am meisten freut ihn über sein Tiny House das „naturnahe Leben“, das er damit führen könne. Außerdem findet er es gut, in reduziertem Raum zu wohnen. „Es muss nicht immer noch größer, noch besser sein“, so Eller. Man müsse auch mit weniger zufrieden sein.

    In der Region Augsburg gibt es verschiedene Tiny-House-Projekte

    Das Interesse an Tiny Häusern nimmt stetig zu. So hat die Facebook-Gruppe „Tiny House Deutschland“ inzwischen mehr als 50.000 Mitglieder. Vor drei Jahren waren es laut Tiny-House-Verband noch rund 4000. Die Nachfrage scheint sich nach Angaben des Verbands in der Corona-Krise sogar erhöht zu haben.

    Maximilian Eller freut sich darüber, in dem neuen Haus naturnah zu leben.
    Maximilian Eller freut sich darüber, in dem neuen Haus naturnah zu leben. Foto: Maximilian Eller

    In der Region gibt es verschiedene Tiny-House-Projekte. Im Nachbarlandkreis Landsberg könnte im Umkreis der Kreisstadt in der nächsten Zeit ein ganzes Dorf mit „Winzig-Häuslein“ entstehen. Im Rennertshofer Ortsteil Hütting im Nachbarlandkreis Neuburg-Schrobenhausen sind die Planungen schon sehr konkret. Der Marktgemeinderat hat den Entwurf eines entsprechenden Bebauungsplans bereits auf den Weg durch die Genehmigungsinstanzen gebracht. Dazu muss auch der Flächennutzungsplan entsprechend geändert werden. Insgesamt 20 Parzellen für die mobilen Kleinhäuser sollen am westlichen Ortsrand auf einer Fläche von rund einem halben Hektar (also 5000 Quadratmeter) gebaut beziehungsweise abgestellt werden können. Dazu sind Parkplätze und Lagerräume geplant. Zulässig werden sowohl das Dauerwohnen wie auch die „Fremdbeherbergung“, also Ferienhäuser, sein.

    Die Grundfläche eines Tiny House darf 55 Quadratmeter nicht überschreiten. Auch die Baugrenzen werden relativ eng gehalten. Die Erschließungsstraße auf dem Grundstück wird zum Beispiel nicht asphaltiert, sondern geschottert, und am Rand ist eine großzügige Eingrünung geplant. Das Interesse ist groß: Innerhalb kürzester Zeit haben sich schon vor über einem Jahr rund 100 Bewerber gemeldet. Sie kommen aus allen Schichten: Unternehmer, Programmierer, Grafikdesigner, viele davon seien beruflich selbstständig oder flexibel, was Arbeitszeit und Arbeitsort entspricht. Jüngere, aber auch Rentner oder ältere Leute, denen ihr bisheriges Haus zu groß geworden ist.

    Tiny-House-Siedlung im Pöttmeser Ortsteil Handzell?

    Auch der Markt Pöttmes prüft, ob in einem Baugebiet im Ortsteil Handzell eine solche Siedlung möglich ist. Und in Adelzhausen soll bei der Ausweisung eines neuen Baugebiets am Ortseingang der neue minimalistische Wohntrend berücksichtigt werden. Der jetzige Baarer Bürgermeister Roman Pekis freut sich über das kleine Haus in seiner Gemeinde. „Es ist einfach modern, der heutigen Zeit angepasst“, sagt er. Es stehe der Gemeinde Baar gut zu Gesicht, bei dieser alternativen Wohnart ein bisschen mitzugehen. Baar ist mit rund 1200 Einwohnern übrigens die zweitkleinste der 24 Kommunen im Wittelsbacher Land.

    Wenn alles eingerichtet ist – und die Corona-Krise es möglich macht – will Eller einen Tag der offenen Tür in Baar veranstalten. Da will er dann auch die Gemeinderäte einladen. „Dass man auch sieht, was dahintersteht“, so Eller. Jetzt freut er sich erst einmal auf den Sommer in seinem kleinen Haus mit großem Garten. (mit cli)

    Alle Artikel unserer Serie finden Sie hier: "Wohnen im Wittelsbacher Land"

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