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Aichach-Friedberg: Paar nach Pilz-Vergiftung auf Intensivstation

Aichach-Friedberg

Es war ein Knollenblätterpilz: Paar liegt nach Vergiftung auf der Intensivstation

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    Ein Paar aus dem nördlichen Teil des Landkreises hat Knollenblätterpilze gegessen und liegt nun auf der Intensivstation.
    Ein Paar aus dem nördlichen Teil des Landkreises hat Knollenblätterpilze gegessen und liegt nun auf der Intensivstation. Foto: Bernd Wüstneck, dpa (Symbolbild)

    Der Knollenblätterpilz ist einer der giftigsten Pilze in Deutschland. Er enthält das Gift Amatoxin, eines der gefährlichsten in der Natur vorkommenden Gifte. Mehr als 90 Prozent der tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen sind auf den aufgrund starker Übelkeit und Erbrechen ins Aichacher Krankenhaus.

    Als klar war, dass es sich um eine Pilzvergiftung handelt, wurden die beiden Patienten direkt auf die Intensivstationen der Münchner Kliniken rechts der Isar und Großhadern verlegt. Die Vergiftungen des Paars waren bereits so weit fortgeschritten, dass sie die hiesigen Medizinerinnen und Mediziner nicht weiter behandeln konnten.

    Das Gift des Knollenblätterpilzes wirkt rasant und zersetzt die Leber

    Laut dem ärztlichen Direktor der Kliniken an der Paar, Christian Stoll, müssen die Pilzvergiftungen der beiden Patienten aufwendig versorgt werden, wofür die Kliniken in Aichach und Friedberg nicht ausgelegt sind. Auch sei ein spezielles Medikament nötig, um die Aufnahme des Gifts in die Leber zu reduzieren und die Zellwand des Organs zu stabilisieren. Das Gift des Knollenblätterpilzes ist deshalb so gefährlich, weil es direkt im Zellkern wirkt und dort die Eiweissynthese hemmt. Das führt dazu, dass die Leber zerfällt und schließlich versagt.

    Stoll sagt, die Patienten hätten im Krankenhaus umgehend medizinische Kohle über eine Magensonde verabreicht bekommen. Sie bindet das Gift und wird über den Darm ausgeschieden. Allerdings sei das Paar leider spät gekommen. Daher sehe seine Lage äußerst kritisch aus: Stoll fürchtet, dass beiden nur noch eine Lebertransplantation helfen kann. "Das ist wirklich dramatisch. Erst mal müssen Spenderorgane gefunden werden. Die Chancen dafür sind nicht so hoch", sagt der Mediziner. Laut Stoll hat das Paar aus dem Landkreis einen 15 Jahre alten Sohn – von dem Pilzgericht hat er allerdings nicht gegessen.

    Bereits 0,1 Milligramm des Gifts können tödlich sein

    Die Vergiftung sei bei dem Paar abgelaufen wie im Lehrbuch, sagt Stoll. In den ersten zehn Stunden hätten beide keine Symptome gehabt. Erst danach verspürten sie Übelkeit und übergaben sich. Allerdings führten sie dies nicht auf das Pilzgericht zurück. Laut Stoll ist die Wahrscheinlichkeit, durch das Gift des Knollenblätterpilzes zu sterben, mit 30 Prozent sehr hoch. Bereits 0,1 Milligramm Amatoxin reichen aus. Das entspricht etwa ein bis drei frischen Pilzen.

    Stoll betont, bei Pilzvergiftungen sei es wichtig, sofort zu handeln und direkt einen Zusammenhang herzustellen, wenn man sich nach einer Pilzmahlzeit unwohl fühle. Allerdings könne es wie in diesem Fall vorkommen, dass Symptome erst spät auftreten. Auch sei es möglich, dass es einem zunächst wieder besser gehe. "Pilzvergiftungen können sehr trügerisch sein. Je länger es dauert, bis Symptome auftreten, desto ernster ist die Lage."

    Während seines Berufslebens als Arzt hatte Christian Stoll noch nicht oft mit so schweren Pilzvergiftungen wie jenen des Paares aus dem Landkreis zu tun. Ein Fall ist ihm allerdings im Gedächtnis geblieben: Eine vierköpfige Familie hatte selbst gesammelte Pilze gegessen, die sich als giftig herausstellten. Letztendlich starben die Frau und die beiden Kinder – nur der Vater überlebte.

    In diesem Jahr gibt es deutlich mehr Knollenblätterpilze in der Region

    Auch die Pilzsachverständige Sabine Mengel aus Obergriesbach hat immer wieder mit Pilzvergiftungen zu tun. Im Durchschnitt erhält sie pro Jahr zwölf Giftnotrufe von Ärztinnen und Ärzten, die sie hinzuziehen, um giftige Pilze zu bestimmen. Auch Betroffene melden sich bei ihr. Vor zwei Jahren rief sie etwa ein junger Mann aus Bayern an, der den giftigen Spitzgebuckelten Raukopf mit einem Pfifferling verwechselt und gegessen hatte. Er überlebte, weil Mengele ihn ins Krankenhaus schickte. Ihr letzter Stand ist, dass er sich einer Dialyse unterzog und auf eine Spenderniere wartete.

    Laut Mengel sprießen in diesem Jahr viele grüne Knollenblätterpilze in der Region, was sehr untypisch sei. Sie habe sich schon gedacht: "Hoffentlich sammelt die keiner ein und isst sie dann." Normalerweise kämen sie im Wittelsbacher Land selten vor. In den vergangenen 20 Jahren habe sie im Landkreis nur eine Stelle entdeckt, an der die Giftpilze wachsen. In diesem Herbst seien es bereits sechs Stellen. Mengel berichtet, normalerweise bevorzugten Knollenblätterpilze kalkhaltige Böden. Es sei verwunderlich, dass so viele von ihnen in den sauren Fichtenwäldern der Region aus dem Boden schießen.

    Nur wer sich gut auskennt, sollte selbst gesammelte Pilze essen

    Sabine Mengel rät eindringlich, nur selbst gesammelte Pilze zu essen, wenn man sich gut auskennt. Im Zweifel sei es immer ratsam, sich an Sachverständige zu wenden. Diese kann man über die Webseite der deutschen Gesellschaft für Mykologie per Postleitzahl finden (https://www.dgfm-ev.de/service/pilzsachverstaendige). Außerdem reiche es nicht, die Pilze nur mithilfe eines Fachbuches zu bestimmen; auch Apps seien nicht besonders verlässlich. Es könne vorkommen, dass augenscheinlich nahezu alle Merkmale, die in einem Bestimmungsbuch aufgelistet seien, zuträfen und dennoch handle es sich um einen anderen Pilz als angenommen. "Es ist wichtig, wirklich alle Merkmale zu beachten", sagt Mengel.

    Es hat seine Gründe, warum der Satanspilz einen so gefährlich klingenden Namen trägt. Er ist giftig. Der Pilz hat einen breiten Hut mit einem Durchmesser von zehn bis 25 Zentimetern.
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    Die Pilzsaison hat begonnen. Wer jetzt in den Wald geht, um Pilze zu pflücken, sollte aber sehr genau hinschauen und im Zweifel bei einem Pilzberater nachfragen.

    Wer sich fürs Pilzesammeln interessiert, dem rät sie, Pilzwanderungen oder Pilzkurse zu besuchen. Dort würden Fachleute ausführlich auf die Verwechslungspartner eingehen. Laut Mengel werden ständig neue Pilze als giftig eingestuft, andere wiederum von der Giftliste genommen. Sabine Mengel plant, mit Interessierten einen Pilzstammtisch zu starten. Wer teilnehmen möchte, kann sich unter s.mengel@gmx.net bei ihr melden.

    Hinweis aus der Redaktion: In der vorherigen Version des Artikels hatten wir fälschlicherweise berichtet, dass es sich im Falle des jungen Mannes mit Pilzvergiftung, mit dem die Pilzverständige Sabine Mengel zu tun hatte, um einen Mann aus Afghanistan handelte. Er kommt jedoch aus Bayern. Auch hatten wir berichtet, dass der Mann an der Pilzvergiftung verstorben war, was nicht stimmt. Auf Anraten von Mengel ging er rechtzeitig ins Krankenhaus.

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