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Aichach-Friedberg: Krieg: Krankenhaus Friedberg behandelt schwer verletzten Ukrainer

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Krieg: Krankenhaus Friedberg behandelt schwer verletzten Ukrainer

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    Alexander Melnyk wurde in der Ukraine von einer einstürzenden  Mauer verschüttet, als russische Truppen ein Einkaufszentrum bombardierten. Mehrfache Beckenbrüche waren die Folge. Er schaffte es, auszureisen und wird seither im Friedberger Krankenhaus weiterbehandelt.
    Alexander Melnyk wurde in der Ukraine von einer einstürzenden Mauer verschüttet, als russische Truppen ein Einkaufszentrum bombardierten. Mehrfache Beckenbrüche waren die Folge. Er schaffte es, auszureisen und wird seither im Friedberger Krankenhaus weiterbehandelt. Foto: Lara Voelter

    Langsam betritt Alexander Melnyk den Sitzungssaal des Landratsamtes Aichach-Friedberg, Krücken stützen ihn. Er lässt seinen Blick durch den Raum schweifen, lächelt kurz. An diesem Tag habe er besonders starke Schmerzmittel eingenommen, wird der 42-Jährige später berichten. Ein anstrengender Tag liegt vor ihm: Pressegespräch, Arzttermin, Deutschkurs. Aber noch viel anstrengendere Tage liegen hinter dem Ukrainer. Im Krieg gegen Russland wurde er lebensgefährlich verletzt.

    An seinem Becken ist ein Fixateur angebracht: ein starres Gestell, dessen lange Schrauben in Melnyks Knochen befestigt sind. Vor allem bei komplexen Brüchen werden Knochenfragmente häufig auf diese Weise stabilisiert, um weitere OPs zu verhindern. Bei einer Bombardierung von russischer Seite in Kiew am 21. März verschüttete ihn die Mauer eines Gebäudes. Und brach seinen Beckenknochen mehrfach, verletzte Muskeln und Nerven.

    Bei Melnyks Verletzung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, zu verbluten

    Seit dem 3. April ist er in Deutschland und wird im Friedberger Krankenhaus behandelt, inzwischen nur noch ambulant. Der leitende Oberarzt der Unfallchirurgie am Krankenhaus Friedberg, Holger Haak, sagt: "Alexander Melnyk hatte sehr großes Glück." Bei dieser Art der Verletzung sei die Wahrscheinlichkeit hoch, zu verbluten. Inzwischen ist Melnyk gesundheitlich so stabil, dass er seine Geschichte im Landratsamt Aichach-Friedberg erzählen kann - gemeinsam mit weiteren Beteiligten.

    "Ich bin sehr froh, hier zu sein. Keine Flugzeuge, kein Alarm, keine Angst", sagt Melnyk mit fester Stimme auf Englisch. Neben ihm sitzen die Schwester seiner Frau und ihr Mann, Stella und Gerhard Lehrberger, sowie Landrat Klaus Metzger. mehrere Sachspendenveranstaltungen und -transporte in die Ukraine organisiert hat.

    Der Ukrainer Alexander Melnyk erzählt seine Geschichte im Landratsamt Aichach-Friedberg. Von links: Gerhard Lehrberger, Stella Lehrberger (Rotary-Club Aichach-Schrobenhausen), Landrat Klaus Metzger, Alexander Melnyk, Renate Magolay, Rainer Magolay, Alexander Bunk (Rotary-Club Schrobenhausen-Aichach), Simone Losinger (Leiterin der Ausländerbehörde am Landratsamt Aichach-Friedberg), Holger Haak (leitender Oberarzt der Unfallchirurgie im Krankenhaus Friedberg), Hubert Mayer (Geschäftsführer der Klinken an der Paar).
    Der Ukrainer Alexander Melnyk erzählt seine Geschichte im Landratsamt Aichach-Friedberg. Von links: Gerhard Lehrberger, Stella Lehrberger (Rotary-Club Aichach-Schrobenhausen), Landrat Klaus Metzger, Alexander Melnyk, Renate Magolay, Rainer Magolay, Alexander Bunk (Rotary-Club Schrobenhausen-Aichach), Simone Losinger (Leiterin der Ausländerbehörde am Landratsamt Aichach-Friedberg), Holger Haak (leitender Oberarzt der Unfallchirurgie im Krankenhaus Friedberg), Hubert Mayer (Geschäftsführer der Klinken an der Paar). Foto: Lara Voelter

    Bereits am ersten Tag des Krieges flohen Melnyks Frau, die 18 Jahre alte Tochter und der 13 Jahre alte Sohn des Paares aus Butscha, einem Vorort Kiews, in die Westukraine. Von dort aus ging es weiter nach Rumänien, wo Lehrberger sie abholte. Seitdem leben sie in der Wohnung der Lehrbergers in Pfaffenhofen an der Ilm. Melnyk blieb in der Ukraine - und meldete sich freiwillig für eine Zivilschutzeinheit. Diese ist dafür zuständig, die Bevölkerung zu beschützen, Waffen nachzuliefern und zu bewachen.

    Seine Kameraden befreiten Alexander Melnyk von den Trümmern

    Am späten Abend des 21. März bombardierten russische Truppen den Gebäudekomplex des Einkaufszentrums Retroville in einem Außenbezirk Kiews. In einem der Gebäude befand sich Alexander Melnyk gemeinsam mit seinen Kollegen. Sie hatten sich gerade schlafen gelegt, als die Bombe einschlug. Da er an der Wand lag, begruben ihn die Trümmer direkt. "Ich dachte erst einmal, jetzt ist es vorbei", sagt er leise. "Dann nahm ich wahr, dass sich der Raum mit dem Löschwasser des Feuersicherheitssystems füllte. Ansonsten herrschte komplette Stille." Es sei schrecklich gewesen, zu bemerken, dass sein ganzer Körper von einem enormen Gewicht bedeckt war. Er habe nur noch seine linke Hand ein wenig bewegen können, ansonsten aber nichts gespürt, sagt Melnyk. Er rief um Hilfe. Schließlich hörte er die Stimmen seiner Kameraden, die begannen, ihn von den

    Was dann folgte, bezeichnet er als "sehr schwierigen Moment": Eine weitere Bombe schlug in der näheren Umgebung ein. "Das war eine extrem gefährliche Situation für uns alle. Ich hatte riesige Angst davor, dass meine Freunde ihrem Instinkt folgen, mich zurücklassen, und erst einmal schauen, dass sie sich selbst retten." Doch sie blieben und riefen einen Krankenwagen. "Es war der Geburtstag meiner Frau", berichtet Melnyk. "Aber an dem Tag hatten wir beide Geburtstag." Wieder ein kurzes Lächeln.

    In der Ukraine können Verletzte nur erstversorgt werden

    In einem Kiewer Krankenhaus wurde Melnyk notoperiert. Allerdings konnten ihn die Ärzte wegen der eingeschränkten Kapazitäten des Krankenhauses nicht länger behandeln. Holger Haak vom Friedberger Krankenhaus sagt, die Mediziner in der Ukraine hätten eine hervorragende Erstversorgung geleistet, allerdings seien die dortigen Krankenhäuser in erster Linie darauf ausgerichtet, die Menschen am Leben zu halten. Ist das der Fall, würden sie wieder entlassen; eine Nachbehandlung finde nicht statt.

    "Alexander Melnyk hatte sehr großes Glück", sagt sein behandelnder Artzt, Holger Haak. Von links: Gerhard Lehrberger, Stella Lehrberger, Alexander Melnyk, Holger Haak
    "Alexander Melnyk hatte sehr großes Glück", sagt sein behandelnder Artzt, Holger Haak. Von links: Gerhard Lehrberger, Stella Lehrberger, Alexander Melnyk, Holger Haak Foto: Lara Voelter

    In Eigenregie schaffte es Alexander Melnyk schließlich, sich einen Krankentransport aus der Ukraine ins Friedberger Krankenhaus zu organisieren: ein Arzt, zwei Rettungssanitäter, 2000 Kilometer Fahrtweg – nahezu ohne Pause. Damit Melnyk aus der Ukraine ausreisen konnte, musste ihn das ukrainische Verteidigungsministerium freigeben. Hierfür war die Behandlungszusage einer deutschen Klinik nötig, berichtet Landrat Klaus Metzger. Unbürokratisch halfen das Landratsamt und die Kliniken an der Paar, um das notwendige Formular auszustellen. Ob Alexander Melnyks Verletzung komplett ausheilen wird und er irgendwann wieder einem Beruf nachgehen kann? Es sei schwierig, hierzu eine Prognose abzugeben, sagt Haak. "Das wird sich im Laufe der Zeit zeigen."

    Alexander Melnyk möchte irgendwann wieder in die Ukraine zurück

    Auf die Frage, ob er irgendwann wieder mit seiner Familie in die Ukraine zurückkehren will, fällt Alexander Melnyks Antwort klar aus: "Auf jeden Fall. Es ist ein sehr angenehmes Leben hier, aber ich habe in der Ukraine viel zu tun." Als ausgebildeter Polizist bei der Finanzpolizei fahndete in Korruptionsfällen, trainierte eine Sportschützentruppe. Zuletzt arbeitete er als Sicherheitsmann. In dieses Leben möchte er zurückkehren.

    Bis dahin will er aber Deutsch lernen. Dreimal pro Woche nimmt er an einem Sprachkurs teil. Die deutsche Sprache sei nicht einfach, sagt er. Nach den Worten Klaus Metzgers ist Melnyk allerdings der geborene Optimist: "Alles gut" waren seine ersten Worte auf Deutsch. Als ihm seine Schwägerin das übersetzt, nickt er und grinst breit.

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