Sieben Schafe hat ein Wolf im Juli auf einer Weide beim Hollenbacher Ortsteil Igenhausen gerissen. In nur einer Nacht. Dass der Vorfall für das Wittelsbacher Land ein Einzelfall bleibt, glaubt eigentlich niemand. Denn die Wolfspopulation in Deutschland wächst und damit nehmen nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) auch Sichtungen und Risse in Bayern zu.
In der zweiten Januarwoche ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein junger Wolf auf der Autobahn A 96 bei Igling im südlichen Nachbarlandkreis Landsberg überfahren worden. Eine DNA-Untersuchung soll jetzt letzte Sicherheit bei der Bestimmung bringen. Wölfe laufen im Schnitt rund 50 Kilometer, also deutlich mehr als einen Marathon, und können in einer Nacht auch mehr Strecke machen. Igling ist gut 50 Kilometer von Igenhausen entfernt und liegt in etwa auf der Trasse, die ein Wolf im Juli auf seinem Weg von Ostdeutschland durchs Wittelsbacher Land mit Zwischenstopp in Igenhausen in Richtung Allgäu genommen hat. In der ersten Januarwoche gab es zudem Berichte, dass im südlichen Landkreis Landsberg ein Wolf gesichtet worden ist. Im Juli ist ein Wolf im angrenzenden Wessobrunn (Landkreis Weilheim-Schongau) in eine Fotofalle getappt. Über 50 Kilometer nördlich von Igenhausen richtet sich eine Wölfin offenbar sogar häuslich ein und zwar im westlichen Teil des Landkreises Eichstätt. Ein Gentest zeigt, dass das Tier aus dem Veldensteiner Forst stammt.
Für 2020 liegt dem LfU nur der Wolfsnachweis von Igenhausen vor
Vom vergangenen Jahr liegt dem LfU für den gesamten Landkreis Aichach-Friedberg nur der Wolfsnachweis vom 25. Juli im Hollenbacher Ortsteil Igenhausen vor, in den angrenzenden Landkreisen seien keine Wölfe nachgewiesen worden. Der Igenhausener Wolf ist längst über alle Berge - erst ins Allgäu und dann in den Bregenzerwald in Vorarlberg (Österreich). Anhand von Gentests konnten Experten nachweisen, dass der gleiche Wolf dort Schafe gerissen hat. Fachleute aus dem Nachbarland gehen auch davon aus, dass dieser Wolf, der aus einem Rudel im ostdeutschen Brandenburg stammt, in Richtung Alpenhauptkamm und Italien weitergezogen ist. Der bislang erste Wolfsriss im Wittelsbacher Land eines durchreisenden Dauerläufers reichte jedenfalls, um Viehhaltern in der Region Angst zu machen.
Hobbyschäfer Rupert Reitberger bleiben nach dem Wolfsriss nur fünf Schafe seiner kleinen Herde. Lange traute er sich nicht, die Tiere wieder auf die Weide zu stellen, überlegte ganz als Schäfer aufzuhören. Die Bilder der getöteten Schafe "lassen sich nicht mehr aus dem Gedächtnis löschen", schreibt Reitberger der Redaktion. In seinen Augen sollte die "Wolfspopulation in Schach gehalten und dezimiert werden".
Aber die Sorgen, die viele Weidetierhalter äußerten, brachten kaum jemanden dazu, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Für die Förderung der Herdenschutzmaßnahmen im Kreis Aichach-Friedberg ist das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Augsburg zuständig. Monika Griesbeck arbeitet dort als Herdenschutzbeauftragte. Sie erzählt, fünf Viehhalter aus dem Wittelsbacher Land hätten sie zur Beratung im Zusammenhang mit dem Wolf angerufen. Nur einer habe am Ende Hilfe für einen Zaun beantragt.
Auch ein Zaun schützt nicht sicher vor einem Wolf
Ein Zaun ist der häufigste Herdenschutz. Griesbeck betont allerdings, es gebe keinen "wolfsicheren" Zaun, sondern nur einen "wolfabweisenden". "Man ist nie sicher", sagt die Herdenschutzbeauftragte. Ein wolfabweisender Zaun hat eine Höhe von 90 bis 120 Zentimetern und ist mit Strom gesichert. Solche Zäune werden in Gebieten, in denen der Wolf auftritt, bis zu 100 Prozent gefördert.
In Griesbecks Augen ist diese Förderung eigentlich zu hoch. Kollegen aus anderen Regionen hätten ihr berichtet, dass manche Viehhalter sich schlichtweg vom Staat einen neuen Zaun zahlen ließen. Allerdings ist im Wittelsbacher Land das Gegenteil der Fall. Warum hat nur ein Weidetierhalter einen wolfabweisenden Zaun beantragt? "Der Schaden ist noch zu gering gewesen, um aktiv dagegen vorzugehen", denkt Griesbeck. Sie warnt: "Man muss schon damit rechnen, dass immer wieder einer kommt."
Manche Nutztierhalter beantragen die Zäune deswegen nicht, weil sie durch ihre Größe schwieriger handzuhaben sind. So auch Johannes Kreppold. Er hält auf seinem Hof in Wilpersberg (Aichach) Angusrinder. Seine Zäune haben zwar Strom, aber sind mobil und einfach im Umbau. "Bevor etwas passiert, würde ich da noch nichts machen", sagt der Bio-Bauer, der für die ÖDP im Kreistag sitzt. Um seine Tiere macht er sich schon deswegen keine Sorgen, weil die Muttertiere die Kälber bei einem Wolfsangriff verteidigen würden. Da greife der Herdenschutzinstinkt. Ganz ausgeschlossen sei zwar nicht, dass etwas passiert. Aber beispielsweise Schafe seien gefährdeter. "Die können sich nicht wehren", erklärt er.
Schäfer machen sich deswegen Sorgen um ihre Tiere. Beispielsweise Richard Kiemer aus dem Landkreis Dachau, dessen Schafherde auf ihrer Wanderung auch im Wittelsbacher Land halt machen. "Das Thema Wolf begleitet uns jeden Tag mehr, irgendwann wird halt einer sesshaft", vermutet Kiemer. Er hat deswegen kurz nach dem Wolfsriss in Igenhausen in seinem Landkreis die Förderung für einen wolfsabweisenden Zaun beantragt. Erst Anfang Dezember hat er sie bewilligt bekommen. Seine Förderung liegt am Ende auch nicht bei den erwarteten 100 Prozent. Etwa 15 bis 20 Prozent muss er selbst zusteuern.
Staat fördert Wolf-Zäune in Aichach-Friedberg
Dass der Staat Herdenschutz-Zäune und mobile Ställe (nur für Schafe und Ziegen) mit bis zu 100 Prozent fördert, wusste Bio-Bauer Johannes Kreppold noch gar nicht. "Das könnte man besser kommunizieren", findet er. Die Förderung könnte allerdings wieder auslaufen, erklärt Herdenschutzbeauftragte Griesbeck. Denn nur in Gegenden, in denen ein Wolf vermutet wird, werden Zäune gefördert. Durch den Wolf in Igenhausen wurde die Gebietskulisse auf Aichach-Friedberg ausgeweitet. "Wenn kein weiterer Wolf auftritt, kann es sein, dass das wieder zurückgenommen wird", sagt Griesbeck.
Kreppold hofft, dass fürs Erste kein weiterer Wolf auftaucht. Trotzdem schwinge bei vielen Landwirten Sorge mit, sagt er. "Weil man nicht weiß, wie es sich entwickelt." Als Bio-Bauer versuche er alles, um Tierleid zu vermeiden. Bei einem Wolfsriss geraten die Tiere in Panik, sterben qualvoll. "Es ist nicht so, dass es nur eine Bagatelle wäre", sagt Kreppold. Was weitere Schutzmaßnahmen angeht, glaubt er, Viehhalter warten momentan die Entwicklung ab. Die Frage bleibt, kommen mehr Wölfe?
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