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Aichach-Friedberg: Gift in der Ach: Landrat nimmt Umweltminister in die Pflicht

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Gift in der Ach: Landrat nimmt Umweltminister in die Pflicht

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    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt.
    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt. Foto: Marcus Merk

    Die Belastung der Friedberger Ach mit der giftigen Industriechemikalie PFC ist ein Umweltproblem, das weit über das Wittelsbacher Land hinausgeht, und soll deshalb auch überregional vom Umweltministerium koordiniert werden. Das fordert Landrat Klaus Metzger in einem Schreiben, das diese Woche an Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), aber auch an die Landräte der weiteren Ach-Anlieger-Landkreise Landsberg, Augsburg, Donau-Ries und Neuburg-Schrobenhausen gegangen ist. Metzger verweist darin auf zahlreiche Anfragen besorgter Bürger und die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit durch die anhaltende mediale Berichterstattung über die Kontamination des Fließgewässers. Es hätten sich viele Fragen aufgetan, die in seinem Landratsamt nicht geklärt werden könnten, so Metzger: Das Umweltministerium solle als übergeordnete Stelle die Maßnahmen abstimmen und damit dafür sorgen, dass die betroffenen Landkreise einheitlich vorgehen.

    PFC steht im Verdacht, krebserregend zu sein, ist unsichtbar, verbreitet sich in der Nahrungskette, reichert sich in Menschen an und ist nahezu nicht abbaubar. Das Gift verunreinigt seit Jahrzehnten Böden, Grundwasser und Fließgewässer - besonders im Umfeld von Flughäfen. Der Verlorene Bach, der später zur Friedberger Ach wird, ist so ein Gewässer, das mit den per- und polyfluorierten Kohlenstoffverbindungen belastet ist und die Giftfracht rund 100 Kilometer durch Oberbayern und Schwaben lechbegleitend von Penzing bei Landsberg bis zur Mündung in die Donau bei Neuburg mit sich führt.

    Bund Naturschutz schlägt Alarm: Regionale Umweltkatastrophe

    Der Bund Naturschutz (BN) schlug vor Kurzem Alarm. Die Kreisvorsitzenden sprachen von einer "regionalen Umweltkatastrophe" und forderten von Politik und zuständigen Behörden systematisches Monitoring und Schutz der Bevölkerung. Vor allem aber: Druck aufzubauen, damit der Bund endlich mit der Sanierung der "PFC-Quelle" beginnt. Über viele Jahre hinweg gelangte der Giftstoff früher durch Löschschaum-Einsatz bei Feuerwehrübungen auf dem ehemaligen Militärflughafen Penzing ins Erdreich und weiter in die Quellfassung des Bachs. Das ist spätestens seit 2013 bekannt, aber erst seit März gilt auch eine Verzehrwarnung für geangelte Fische aus der Ach im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die als unbedenklich angesehene Aufnahmemenge eines Erwachsenen werde überschritten, wenn man mehr als ein Kilo Aal pro Jahr verzehrt, heißt es dort jetzt. Das sind nicht mal mehr drei Gramm pro Tag und noch rund 20 Gramm Aal in einer Woche. Eineinhalb Jahre dauerte es damit seit Ende 2019, bis zumindest alle fünf Landratsämter am Bach vor der Gesundheitsgefahr warnen, weil jedes alleine und unkoordiniert handelte, prüfte und dann reagierte. Das Landratsamt in Aichach hat seine vorläufige Verzehrwarnung für Fische im September Anfang des Jahres 2021 als regulär erklärt.

    Die Belastung des Gewässers mit der Chemikalie nimmt durch den Verdünnungseffekt ab. An der Quelle im Kreis Landsberg liegt sie bis zum 460-Fachen über der sogenannten Umweltqualitätsnorm für Fließgewässer. Die Anreicherung über die Nahrung wird von den Risikoforschern mittlerweile ganz anders bewertet als vor wenigen Jahren. Die Umweltbehörden haben laut BN die Grenzwerte für die Aufnahme von PFC-Stoffen bei Menschen in zwei Schritten 2018 und Mitte 2020 massiv um den Faktor 800 verschärft. Bis 2018 galten noch die Aufnahme von 1000 Nanogramm der vor allem nachgewiesenen Verbindung PFOS pro Kilogramm Körpergewicht und Woche als Grenze, dann waren es noch dreizehn Nanogramm. Seit Mitte vergangenen Jahres steht der Wert bei nur noch 4,8 Nanogramm - aber als Summenwert von PFOS mit drei weiteren PFC-Substanzen. Die Gruppe dieser organischen Verbindungen umfasst über 4700 verschiedene Stoffe.

    Pflanzen nicht aus der Ach wässern und Nutztiere nicht tränken

    Um die Anreicherung von PFC über die Nahrungskette zu vermeiden, sollten alle anliegenden Landnutzer die Bewässerung von Nutzpflanzen mit Wasser aus dem Verlorenen Bach/Friedberger Ach unterlassen und keine Nutztiere mit dem Bachwasser tränken oder ihnen kontaminiertes Futter geben, forderten die BN-Vertreter aus den fünf betroffenen Landkreisen. Schließlich gelange das PFC nicht nur über Fische in Nahrungsmittel, sondern zudem auch über Wildtiere und zum Beispiel über Getreide, das den Giftstoff auch sehr gut aufnehme.

    Auch in den Mühlhauser Baggerseen ist PFC

    Neben der "Quelle" in Penzing kommt PFC vermutlich auch über kontaminierten Boden beim Flughafen Augsburg in den Boden und in Gewässer im Wittelsbacher Land. Wie berichtet, warnt das Landratsamt mittlerweile vor dem Verzehr von Fischen aus den grundwassergespeisten Baggerseen und Weihern beim Affinger Ortsteil Mühlhausen. Landrat Metzger verweist in seinem Schreiben an Glauber auch auf diese Problematik. Der Landrat fordert vom Umweltminister ein einheitliches Vorgehen bei PFC für ganz Bayern. Weitere Probenahmen im Landkreis müssten gut vorbereitet und die Konsequenz aus positiven Probeergebnissen bereits im Vorfeld bedacht werden. Dazu gelte es, Risikogebiete und Kriterien für Risikobetriebe (tierische und pflanzliche Lebensmittel) festzulegen. Metzger stellt dazu eine Reihe von Fragen: Was passiere mit den Tieren und Lebensmitteln bei positiven Probeergebnissen? Welche Sanierungsmöglichkeiten gebe es für die betroffenen Betriebe und wer unterstütze diese dabei? Wer trage die Kosten für Sanierungsmaßnahmen und Entschädigungen? Wann könnten Betriebe ihre Produkte wieder verkaufen beziehungsweise Fische aus den betroffenen Gewässern wieder verzehrt werden?

    Landrat Metzger: Umweltministerium soll Fragen einheitlich beantworten

    Die Thematik sei mit einem "großen medialen Interesse" verbunden, verweist der Landrat den Minister auf die Berichterstattung in den vergangenen Monaten. Unsere Redaktion hat die PFC-Belastung der Ach Mitte des vergangenen Jahres publik gemacht, andere Medien folgten. Die zahlreichen besorgten Bürgeranfragen sollten aus Metzgers Sicht landkreis- und regierungsbezirksübergreifend einheitlich beantwortet werden. Zum Beispiel: Wassernutzung (bei der Bewässerung von Nutzpflanzen, Tränkewasser für Tiere) und das Baden in betroffenen Gewässern. Metzger wünscht sich (wie bei Corona bewährt) eine vom Ministerium betriebene Website, auf der solche Fragen beantwortet werden, eine zeitnahe Übernahme der Koordinierungsfunktion und der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ob Corona oder PFC: Wir sind zu langsam dank Bürokratie

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