In Adelzhausen halten zwei Dorfwirtschaften an der Tradition fest
Wenige Schritte trennen den Gasthof zur Linde und das Gasthaus Dillitz. In beiden steckt Arbeit mehrerer Generationen. Die Wirtshauskultur ist hier noch daheim.
Zwischen dem Gasthof zur Linde und dem Gasthaus Dillitz in Adelzhausen liegen gerade einmal 200 Meter Fußweg. Bei beiden handelt es sich um Familienbetriebe. Beide Gastwirte beherbergen regelmäßig Übernachtungsgäste, die in München eine Messe besuchen, auf Geschäftsreise sind oder eine Hochzeit besuchen, die in der Umgebung stattfindet. Die Nähe zur Autobahn A8 bedinge dieses Geschäftsmodell, erklären die Gastwirte unabhängig voneinander. Doch auch für die Menschen im Ort sind der Gasthof zur Linde und das Gasthaus Dillitz nach wie vor Treffpunkte – Orte, an denen geratscht und getrunken wird.
Im Gasthof zur Linde gibt es zweimal in der Woche einen Stammtisch für die Einheimischen, verrät Andrea Kluger-Friedl. Sie wuchs einst in der Gaststube an der Bergstraße auf. Donnerstagabends kümmert sich ihre Mutter um die Bewirtung der Gäste. Auch am Samstagmittag hat der Gasthof für den Stammtisch geöffnet, der einst als „Unternehmerstammtisch“ galt. Inzwischen kommen donnerstags und samstags – also dann, wenn der Gasthof zur Linde eine klassische Dorfwirtschaft ist – etwa 15 bis 20 Personen. Darunter viele ältere Gäste, die mitunter über 80 sind, aber auch ein paar um die 50.
Gasthof zur Linde in Adelzhausen ist ein Familienbetrieb
Lebendig wird es im Gasthaus, wenn die Schützen zu Schießübungen anrücken. Einmal im Monat trifft sich auch der Stammtisch der Kartoffelbrüder im Gasthof zur Linde, deren Ausflugsbilder eine Wand in der Gaststube zieren. Ihr Vater sei Gründungsmitglied gewesen, erzählt die Dorfwirtin. Sie berichtet auch, wie die Gaststube einst im Nu voll war, als auf der naheliegenden Autobahn Stau herrschte. „Wir wurden so überrannt, dass wir zusperren mussten“, erinnert sich die 56-Jährige lachend. Zu stemmen wäre ein Ansturm wie dieser heute nicht mehr.
Kluger-Friedls Erzählungen verraten, dass es ruhiger geworden ist im Gasthof zur Linde. Mit ihrem Vater, Rudolf Friedl, einem gelernten Metzger, startete der Familienbetrieb. Dieser entstand einst aus dem Ein-Mann-Baugeschäft des Opas, Johann Friedl. Seit es die Gastronomie gab, handelte es sich um einen Familienbetrieb, „in dem die Oma Kartoffeln geschält hat und ich mit meiner Schwester bedient habe“, erinnert sich Andrea Kluger-Friedl.
Dorfwirtin will Tradition für die Ortsansässigen aufrechterhalten
Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1990 hatte die Gaststätte nur noch abends geöffnet. Ihre Mutter lebt noch heute oberhalb der Gaststube. Vor etwa 14 Jahren habe sie den Gasthof übernommen und stellte nach den Jahren der Corona-Pandemie das Betriebskonzept um. Den Hauptverdienst generiert Kluger-Friedl mit der Vermietung von Fremdenzimmern. Wer hier übernachtet, bekommt morgens ein Frühstück und abends wird für die Gäste gekocht. „Eigentlich ist also doch immer auf“, verrät Andreas Kluger-Friedl. Natürlich schenke sie auch jedem Einheimischen ein Getränk aus, wenn sie ohnehin ihre Übernachtungsgäste bewirte, ergänzt sie.
Wenn die Einheimischen kommen, dann genießen sie den Aufenthalt, weiß die Dorfwirtin. Sie freut sich, dieses Stück Tradition erhalten zu können. Es gehe darum, Gespräche zu führen und in Gesellschaft zu sein. Besonders einige Alleinstehende schätzten den Austausch. „Es ist mein Leben und ich bin hier voll in meinem Element“, gibt Andrea Kluger-Friedl zu. Die Dorfwirtschaft gehöre für sie einfach zum Ort dazu.
Gelernte Schneiderin sah ihre berufliche Zukunft in der Modebranche
Deswegen war es für die gelernte Schneiderin, die sich eigentlich eine berufliche Zukunft in der Modebranche gewünscht hätte, klar, dass sie den Gasthof zur Linde nie einfach zusperren würde: „Ich könnte den Gasthof nicht hergeben.“ Die 56-Jährige will Einheimischen die Stammtisch-Option offenhalten, solange sie Freude daran hat. Auch die Möglichkeit, Feiern für bis zu 30 Personen auszurichten, will sie aufrechterhalten. Ihr Lebensgefährte, der als selbstständiger Koch und in der Cateringbranche tätig ist, würde ihr dann unter die Arme greifen.
Edgar Dillitz ist Chef im Gasthaus Dillitz. Über seine Dorfwirtschaft sagt er: „Wenn keiner mehr kommt, mache ich zu.“ Doch die Gäste kommen und der 73-Jährige weiß genau, wann wer kommt und wann er niemanden aus dem Ort erwartet und sich vielleicht ein Gast auf der Durchreise ins Gasthaus verirren könnte. Montagmittag fanden sich zwei Gäste in der Stube ein, für den Abend erwartete er acht bis 14 Leute im Alter zwischen 55 und 85 Jahren zum Stammtisch. Freitags und samstags werden voraussichtlich fünf Personen zum Stammtisch kommen, schätzt Edgar Dillitz und liefert sogleich eine Begründung, warum er das Gasthaus dennoch nahezu täglich öffnet: „Ich will nicht nichts machen.“
Enttäuschung über Niedergang der Wirtshauskultur
Ein bisschen wehmütig berichtet er, wie in der Vergangenheit die Wirtshauskultur aufblühte. Dann beschreibt er mit Wut und Enttäuschung in der Stimme, dass die Stammtischkultur mittlerweile aussterbe und die Gesellschaft keine Wirtshäuser mehr zu brauchen scheine. Für den passionierten Wirt war immer klar, dass er das Werk seines Urgroßvaters, Großvaters und Vaters weiterführen wird. Nun muss er zusehen, wie Stammtischrunden kleiner werden und die Gruppen, die den Saal für Feierlichkeiten nutzen dürfen, oft nicht wissen, wie man sich angemessen verhält.
Umkehren lasse sich diese Entwicklung nicht, ist Edgar Dillitz überzeugt. Das wäre wohl nur möglich, wenn der Wirt die einzige Anlaufstelle geblieben wäre, wo die Leute Bier bekommen, grübelt der 73-Jährige. Auf den Gedanken brachte ihn ein Stammtischmitglied mit 84 Jahren, als es von der Zeit berichtete, in der es als Kind „zum Dillitz“ geschickt wurde, um „a Maß Bier“ zu holen.
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