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Unterricht: Wie Kinder lernen, was Heimat ist

Unterricht

Wie Kinder lernen, was Heimat ist

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    Die neunjährige Alina (links) und die zehn Jahre alte Katharina halten ihr neues Schulbuch in den Händen. Das Buch „Mein Wittelsbacher Land“ soll im Heimat-und-Sachunterricht zum Einsatz kommen.
    Die neunjährige Alina (links) und die zehn Jahre alte Katharina halten ihr neues Schulbuch in den Händen. Das Buch „Mein Wittelsbacher Land“ soll im Heimat-und-Sachunterricht zum Einsatz kommen. Foto: Niklas Molter

    Der Junge würfelt eine Zwei. Er rückt mit seiner Figur zwei Felder vor und zieht auf das Feld „Aichach“. Das Feld ist rot markiert. Das heißt: Der Junge muss eine Fragekarte ziehen. Was denn der sogenannte Gunzenlee früher war, will daraufhin sein Mitspieler wissen. Ein Treffpunkt? Ein Fluss? Oder ein Bürgermeister?

    Die Frage und das Würfelspiel stammen aus dem Schulbuch „Mein Wittelsbacher Land“, das künftig alle Dritt- und Viertklässler im Landkreis Aichach-Friedberg im Heimat- und Sachkundeunterricht verwenden. Beziehungsweise aus dem Spiele- und Rätsel-Heft, das jedem Exemplar beiliegt.

    Bernd Wißner vom Augsburger Wißner-Verlag hat Buch und Heft entworfen. Es sei wichtig, dass Kinder ihre Heimat spielerisch erfahren, erklärt er. „Mein Wittelsbacher Land“ ist nicht das erste Schulbuch dieser Art, das Wißner herausgibt. In der Stadt Augsburg und den Landkreisen

    Die Schulbücher brechen Themen aus dem Lehrplan lokal herunter

    Eins eint die Bücher zudem: Sie brechen die Themen, die Schüler im Heimat- und Sachkundeunterricht behandeln, auf die jeweilige Region herunter. Beispiel: Beim Thema Müllentsorgung zeigt das Buch „Mein Wittelsbacher Land“ die neuen Biotonnen, die der Landkreis im Juli eingeführt hat. Unter der Überschrift „Energieversorgung“ ist das Biomasse-Heizkraftwerk in Aichach zu sehen. „Es ist viel schicker, so ein Thema mit den eigenen Mülltonnen und der eigenen Verbrennungsanlage zu erklären“, sagt Wißner. Wenn die Kinder künftig an der Anlage vorbeifahren, wüssten sie, wozu sie gut ist.

    Das 80 Seiten starke Buch mit seinen Bildern, Karten und Erklärtexten zu jeder Stadt und Gemeinde des Landkreises sieht Wißner als eine Art Reiseführer für die eigene Heimat. Heimat, sagt er, sei dort, wo die Freunde sind, der Sportverein, die bekannten Spazierwege: „Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle.“ Und doch sei es wichtig zu wissen, was dahinterstecke. Welche Geschichte, welche Bräuche, welche Zusammenhänge. Welche Erfindungen aus der Heimat kommen, welche Architekten die Ortskerne gestaltet haben, wie das Land genutzt wird: „Die Schüler lernen ihre Umwelt so mehr zu schätzen.“ Inhalte des Lehrplans erklärt Wißner möglichst lokal: „So hat Geschichte mehr Speck an der Stulle.“

    Schwierigkeit: "Die Geschichte ist im Fluss"

    Um ein Buch wie „Mein Wittelsbacher Land“ zu erstellen, brauchen Wißner und sein Team rund ein Jahr Vorlauf. Im Frühjahr beginnt der 65-Jährige mit Konzept und Recherche. Im Sommer fahren er, seine Frau Gabriele und Mitarbeiter mit dem Rad durch den jeweiligen Landkreis, sehen sich die Orte an, machen Fotos. Sind die Texte geschrieben, werden sie von Lehrern aus verschiedenen Orten der Region und Gemeindevertretern gegengelesen. Nicht immer sei es leicht, die Texte zu schreiben, erklärt Wißner. Der Grund: „Die Geschichte ist im Fluss.“ Manchmal seien sich Heimatpfleger über geschichtliche Ereignisse uneinig.

    Nicht immer würden die Texte gleichermaßen gut gegengelesen. So hat sich in das neue Schulbuch „Mein Wittelsbacher Land“ ein kleiner Fehler eingeschlichen. Auf Seite 32 heißt es, der Fußballverein TSV Aindling spiele in der Bayernliga. Das tut er jedoch seit der Saison 2013/2014 nicht mehr. Einen kleineren Fehler wie diesen müsse man leider hinnehmen, erklärt Wißner: „Dann sprechen sie in der Klasse darüber und dann bleibt es sicher im Kopf.“ Bei der nächsten Auflage soll er korrigiert werden, die Bücher werden stets aktualisiert. Im Landkreis Aichach-Friedberg wird es in fünf Jahren so weit sein, für sechs Schülerjahrgänge sind die Bücher bezahlt und gedruckt.

    „Mein Wittelsbacher Land“ und vergleichbare Schulbücher

    Entstehung: Das Schulbuch „Mein Wittelsbacher Land“ ist nicht das erste seiner Art. 2005 entwickelte Bernd Wißner auf Initiative der Stiftung „Mein Augsburg“ das Schulbuch „Mein Augsburg“, das Augsburger Schülern ihre Heimat näherbringen soll. Drei Jahre später folgte das Buch „Augsburger Land – Meine Heimat“ für den Landkreis Augsburg. In der Folge meldeten die Landkreise Donau-Ries („Donau-Ries – Meine Heimat“) und Dillingen („Unser Landkreis Dillingen a. d. Donau“) Interesse an. 2015 entstand das Buch für den Landkreis Aichach-Friedberg. Als Nächstes ist laut Wißner ein Buch für den Landkreis Neuburg an der Donau in Planung. Interesse gebe es zudem aus dem Raum Günzburg und dem Raum Neu-Ulm.

    Aufbau: Die Bücher sind stets ähnlich aufgebaut. „Mein Wittelsbacher Land“ umfasst 80 Seiten. Das Buch widmet sich der Geschichte und dem Aufbau des Landkreises. Alle Städte und Gemeinden werden vorgestellt. Zudem werden Themen wie Bräuche und Legenden, Natur und Energieversorgung behandelt. (mol-)

    Die Schüler im Wittelsbacher Land werden bis dahin auch wissen, was der Gunzenlee war: ein Versammlungsort zwischen Kissing und Mering, wo Streit geschlichtet, Recht gesprochen und Fürsten gehuldigt wurde. Ob die Schüler ihren Eltern mit diesem Wissen dann einen Schritt voraus sind? „Meine Erfahrung ist, dass Eltern sich das Buch zuHause klammheimlich krallen“, sagt Wißner mit einem Lachen.

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