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Todtenweis: Werden im Naturschutzgebiet Lechaue Wildschweine gemästet?

Todtenweis

Werden im Naturschutzgebiet Lechaue Wildschweine gemästet?

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    Wildschweine fühlen sich im Lechauwald bei Todtenweis sauwohl.
    Wildschweine fühlen sich im Lechauwald bei Todtenweis sauwohl. Foto: Tom Engel (Symbolfoto)

    Hörbar angefressen ist die Führung in der Ortsgruppe Lechrain im Bund Naturschutz. Wobei das Wort „angefressen“ gut zum Thema passt. Die Ortsgruppe ist verärgert, weil sie den Eindruck hat, dass sie mit ihrem Kampf für den Naturschutz in einem der wertvollsten Gebiete im Landkreis Aichach-Friedberg seit acht Jahren kein Gehör findet. Es geht um das Naturschutzgebiet „Lechaue westlich von Todtenweis“. Dort lebt laut BN-Angaben mit rund 600 Wildschweinen eine riesige Population in einem kleinen Gebiet wie in einer ganzjährigen Mast.

    Die Sauen würden gefüttert und bejagt und als Biofleisch vermarktet. Die Abschusszahlen seien mit 60 Tieren im Jahr geradezu „lächerlich“. Ein rund fünf Kilometer langer Elektrozaun am östlichen Rand des Auwaldes verhindere, dass sie weiterziehen und Schaden in den angrenzenden Feldern anrichten. Das alles sei in einem Naturschutzgebiet nicht zulässig, dennoch würden zuständige Behörden nicht dagegen vorgehen.

    Bund Naturschutz informiert Kreistagsfraktionen bei Begehung

    Der BN lud jetzt die Kreistagsfraktionen zu einer Begehung ein. Berta Arzberger (ÖDP): „Sehr bemerkenswert, dass das so lange bekannt ist und der Kreis unternimmt nichts.“ Und Marion Brülls, Fraktionssprecherin der Grünen, ergänzte: „Ich war gar nicht informiert, das müsste man verfolgen.“

    Martin Golling erläuterte, wie die Wildschweine im Naturschutzgebiet mit Mais gefüttert werden.
    Martin Golling erläuterte, wie die Wildschweine im Naturschutzgebiet mit Mais gefüttert werden. Foto: Johann Eibl

    Laut Martin Golling, Vorsitzender der Ortsgruppe mit 230 Mitgliedern, ist in diesem Waldgebiet ein Unternehmer der Jagdpächter, der das Wildbret im Internet als Bioprodukt vermarkte. In einem Brief an Landrat Klaus Metzger, Behörden im Landratsamt und die Bürgermeister aus Todtenweis und Aindling Ende April ist die Rede von „halbindustrieller Fütterung und Sauenhaltung“ im Naturschutzgebiet.

    Willi Christoph brachte vor Ort seinen Unwillen über die Passivität der Behörde so zum Ausdruck: „Immer wieder werden wir vertröstet. Die Geduld bei uns ist am Ende.“ Die Naturschützer führen beispielsweise darüber Klage, dass die Wildschweine geschützte Orchideen wie Frauenschuhe und Trollblumen aus dem Boden reißen. Martin Golling war die Bemerkung wichtig: „Ich will keineswegs, dass die Untere Naturschutzbehörde im Feuer steht. Die arbeiten sehr motiviert.“ Allerdings sei dort ein umfangreicher Personalwechsel üblich.

    Wildschweine fühlen sich sauwohl, weil es jede Menge zu fressen gibt

    Warum sich die Wildschweine im Osten des Lechs so wohl fühlen und massiv vermehren liege zum einen daran, dass die Region dicht bewachsen sei, und zum anderen, dass sie dort reichlich Nahrung vorfinden. Nicht allein auf natürliche Weise, sondern an eigens eingerichteten Futterstellen, wo sie von den Jägern mit reichlich Mais versorgt werden. Die BN-Ortsgruppe spricht von mindestens acht Tonnen Körnermais im Jahr.

    Der Elektrozaun am Waldrand verhindert, dass die Sauen Schäden in den angrenzenden Feldern anrichten.
    Der Elektrozaun am Waldrand verhindert, dass die Sauen Schäden in den angrenzenden Feldern anrichten. Foto: Johann Eibl

    Für Golling sind die Futterstellen ein klarer Schwarzbau im rund 140 Hektar großen Naturschutzgebiet (seit 1992) – eins von nur drei im ganzen Wittelsbacher Land – neben dem man eine Lebendfalle sehen kann. „Hier geht es nur um den Profit“, schimpfte Berta Arzberger, „da schaut man nicht auf die Natur.“ Das gilt auch bei der Zufahrt zu diesem Platz. Es ist unschwer zu erkennen, dass dort ein Fahrzeug Trollblumen zerstört hat. Nicht weit davon entfernt liegt ein Gemüsebeet, das Willi Christoph in diesem Bereich als illegal anprangert. Markierungen an Bäumen dienen offensichtlich Gästen auf dem Weg zu ihren Jagdkanzeln zur Orientierung.

    Die meisten Fraktionen im Kreistag waren zur Exkursion geladen, gekommen war nicht mal eine Handvoll von Politikern. Sie nahmen verärgert zur Kenntnis, dass man bei einem Eingang zum Wald fünf tote Kröten auf einer Strecke von etwa einem Meter fand. Dass die Tiere einen natürlichen Tod gestorben sind, erscheint sehr unwahrscheinlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie einem Stromschlag zum Opfer fielen, denn an dieser Stelle verläuft der Elektrozaun. Nicht weit davon entfernt war eine Fläche von wenigen Quadratmetern eingezäunt; dort gedeiht der Frauenschuh, allerdings nur so lange, bis Wildschweine ihn entdecken und zerstören.

    Willi Christoph bringt die Situation auf den Nenner: „Es ist wunderschön, hier durchzulaufen, aber die vielen Wildschweine stören.“ Golling fordert kategorisch, dass man den Bestand der Schwarzkittel hier auf Null bringen müsse. Er berichtet ferner davon, dass er sich mit der Angelegenheit an den Landrat gewendet habe, um den Umweltausschuss zu einer Führung zu laden. Klaus Metzger habe das abgelehnt mit der Begründung, „es handle sich um eine rein staatliche Aufgabe, für die der Kreistag, beziehungsweise seine Ausschüsse nicht zuständig seien“.

    Wildschutzzaun steht seit acht Jahren am Waldrand

    Der Wildschutzzaun steht seit acht Jahren entlang der Lechauen im Zeitraum von der Maisaussaat bis zur Maisernte, also etwa von April bis Ende September. Das Gelände ist also auf drei Seiten frei. Auch die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt in Aichach hält den Zaun rechtlich „für nicht zulässig“, so die Auskunft auf eine frühere Anfrage unserer Redaktion. Die Behörde habe ihn aber in ihrem Ermessensspielraum geduldet. Im Hintergrund steht auch ein mehrjähriger Streit vor den Verwaltungsgerichten um einen Wildschutzzaun bei Oettingen (Landkreis Donau-Ries).

    Dort musste die Fürst zu Oettingen-Spielberg’sche Verwaltung ihren Zaun 2017 nach einer Klage eines Naturschutzmitglieds abbauen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte in zweiter Instanz das Urteil des Verwaltungsgerichts. Begründung: Der Zaun, der auch dort Schäden durch Wildsauen verhindern sollte, verstoße gegen das in der bayerischen Verfassung verbriefte Grundrecht auf freien Zugang zur Natur.

    Für den Lechauwald sieht die Aichacher Naturschutzbehörde bislang aber keine Konsequenz aus dem Urteil: Der Zaun dort sei nicht so massiv, sperre nicht alle vier Seiten eines Areals, sondern nur eine Seite ab und werde nur temporär aufgestellt.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wo Naturschutz vor die Sauen geht

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