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Prozess: Tod in Affinger Asylunterkunft: Rettung des Opfers war nicht mehr möglich

Prozess

Tod in Affinger Asylunterkunft: Rettung des Opfers war nicht mehr möglich

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    Am Landgericht Augsburg läuft der Prozess um einen mutmaßlichen Mord in Affing. Ein Mann soll in der Asylbewerberunterkunft seinen Mitbewohner erschlagen haben.
    Am Landgericht Augsburg läuft der Prozess um einen mutmaßlichen Mord in Affing. Ein Mann soll in der Asylbewerberunterkunft seinen Mitbewohner erschlagen haben. Foto: Marlene Weyerer

    Die Aussage des Rechtsmediziners am vierten Prozesstag dauert beinahe zwei Stunden. Die Liste der Verletzungen des Opfers ist lang. Am Landgericht Augsburg geht es um den mutmaßlichen Mord an einem 48-jährigen Familienvater aus Eritrea. Ein Landsmann soll ihn in einer Affinger Asylunterkunft mit einem Tischbein erschlagen haben.

    Die Todesursache festzustellen bezeichnet Rechtsmediziner Dr. Oliver Peschel als „akademisch“. Es gebe mehrere davon: massive Verletzungen in der Brustregion, Luft im Herzen, ein schweres Schädelhirntrauma. Aber auch ohne diese drei Hauptursachen seien die Verletzungen am ganzen Körper so ausgeprägt, dass das Opfer allein deswegen hätte sterben können. Nach seiner Einschätzung hatte der Notarzt keine Chance mehr, das Opfer zu retten.

    Mordprozess am Landgericht Augsburg: Mehrere Dutzend Schläge mit dem Tischbein

    Die Schläge müssen mit viel Gewalt erfolgt sein. „Bei solchen Verletzungen denkt man im ersten Moment an einen Verkehrsunfall“, sagt Peschel. Wie oft der Angeklagte zugeschlagen hat, kann der Rechtsmediziner nicht sagen. Mindestens mehrere Dutzend Schläge, schätzt er.

    Peschel widerspricht in einem Punkt der Analyse des Polizeiermittlers. Dieser hatte am vorigen Prozesstag gesagt, das Opfer habe keine Abwehrverletzungen gehabt. Der Rechtsmediziner sagt dagegen, er habe am Arm Abwehrverletzungen gefunden. „Er hat die Arme hochgehoben und damit seinen Kopf beschützt“, erklärt Peschel. Die meisten Schläge bekam der 48-Jährige aber, als er mit dem Bauch nach unten auf dem Boden lag. Ob das Opfer im Schlaf angegriffen wurde und sich beim Aufwachen verteidigte oder durchgehend wach war, kann der Rechtsmediziner nicht bestimmen.

    Mutmaßlicher Mord in Affing: Psychiater schätzt Angeklagten als schuldfähig ein

    Der forensische Psychiater Dr. Fabian Lang schätzt den Angeklagten als schuldfähig ein. Der Angeklagte, der sich während des gesamten Verfahrens nicht geäußert hat, hatte Lang eine Aussage von seiner Seite gemacht. Diese liest der Psychiater vor. Der Angeklagte habe ihm berichtet, dass das Opfer und er sich vor Jahren in einer Asylunterkunft in Hollenbach ein Zimmer geteilt und dort oft gestritten hätten. Einmal sei das spätere Opfer mit einem Messer auf ihn losgegangen. Aus Angst vor einem weiteren Angriff habe er kaum noch schlafen können. Zwar lag das Jahre zurück, aber immer wenn sie sich sahen, habe ihn das Opfer beleidigt. In der Nacht vor der Tat habe er geträumt, dass das Opfer ihn schlug.

    Zeugen hatten in vorigen Prozesstagen ebenfalls von Streitereien im Jahr 2016 in Hollenbach erzählt. Dabei soll es zum Beispiel darum gegangen sein, wann das Licht nachts ausgemacht werden sollte. Laut Zeugen blieb es bei verbalen Auseinandersetzungen. Angeklagter und Opfer teilten sich auch in Affing offiziell ein Zimmer, der Angeklagte wohnte aber eigentlich bei seiner Frau. Kein Zeuge konnte bestätigen, dass Opfer und Täter sich in den Monaten vor der Tat gesehen hätten.

    Tod in Affinger Asylunterkunft: Staatsanwaltschaft plädiert auf Mord

    Staatsanwältin Yvonne Möller sagt im Plädoyer wie schon in der Anklage, dass es sich um einen Mord handele, da der Angeklagte das Opfer heimtückisch umgebracht habe. Sie plädiert auf lebenslänglich. Der Verteidiger meint dagegen, es handele sich um Totschlag. Wegen der Abwehrverletzungen und Zeugen, die berichteten, sie hätten Stimmen gehört, geht er davon aus, dass es vor dem Mord eine Interaktion gegeben habe. Der Angeklagte habe das Opfer nicht im Schlaf ermordet. Er plädiert für neun Jahre Freiheitsstrafe. Zeugen hatten berichtet, etwas gehört zu haben, es blieb unklar, ob es sich hierbei um Schmerzensschreie handelte.

    Für einen Mord müssen im Gegensatz zum Totschlag gewisse Merkmale erfüllt sein. Ein solches Merkmal ist die Heimtücke, die dem Angeklagten vorgeworfen wird. Heimtückisch agiert ein Mörder, wenn er jemanden umbringt, der sich nicht wehren kann und sich des Angriffs nicht einmal bewusst ist. Einen schlafenden Mann umzubringen wäre ein solcher Fall.

    Mordprozess am Augsburger Landgericht: Familie des Opfers will das Motiv wissen

    Ein Bruder des Opfers ist als Nebenkläger ebenfalls im Gerichtssaal. Seine Anwältin fragt in ihrem Plädoyer noch einmal, warum das Opfer sterben musste. Die Streitereien vor einigen Jahren seien nicht Grund genug. „Auch wenn es das Recht des Angeklagten ist zu schweigen, bleibt es für die Familie eine quälende Frage“, so die Rechtsanwältin. Der Angeklagte macht aber keine weitere Aussage.

    Am kommenden Montag soll das Urteil verkündet werden.

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