Die "Abordnung" des Aichacher Gesundheitsamtsleiters Dr. Friedrich Pürner ans Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit schlägt hohe Wellen. Er selbst spricht von einer "Strafversetzung" für seine fachliche Kritik an der Corona-Strategie der Staatsregierung. In den sozialen Medien melden sich vor allem Corona-Kritiker zu Wort und das Spektrum reicht dort von "Maulkorberlass" bis zu "Ende der Meinungsfreiheit", um gemäßigtere Stimmen zu zitieren. Es gibt aber auch Rückmeldungen, die die Versetzung des Mediziners befürworten: Pürner habe durch sein Dauerfeuer für Verwirrung bei den Bürgern gesorgt.
Dieser Meinung ist auch Peter Tomaschko. Der CSU-Landtagsabgeordnete bezieht auch klar Stellung: "Das war die richtige Entscheidung." Zum einen, weil Pürner jetzt seine Expertise als Epidemiologe und seine Erfahrungen aus der Praxis im Gesundheitsamt konkret in einem neuen Sachgebiet an der übergeordneten Fachbehörde einbringen könne. Vorschläge für bessere Maßnahmen gegen die Pandemie und die Digitalisierung an Gesundheitsämtern sollen dort entwickelt werden. "Pürner wird nicht strafversetzt", betont Tomaschko. Es gebe sicher einige andere Gesundheitsamtsleiter in Bayern, die sich für diese Aufgabe interessieren würden. Wichtig ist Tomaschko, dass es in Aichach keine Vakanz im Gesundheitsamt gibt.
Tomaschko: Ständige Kritik Pürners an Corona-Maßnahmen war gefährlich
Pürner habe als Staatsbeamter selbstverständlich Meinungsfreiheit und werde sich bestimmt auch in seiner neuen Funktion öffentlich äußern. Auf der anderen Seite stellt Tomaschko klar, dass er die ständigen Äußerungen und Wiederholungen der Kritik von Pürner an Maßnahmen wie Maskenpflicht für Schüler oder Tests, insbesondere auf dem Nachrichtendienst Twitter, für "gefährlich" hält.
Er wisse, dass Pürner differenziere, aber bei einigen Bürgern komme das als "Verharmlosung" der Gefahr an und bei anderen sorge es für "Verunsicherung". Schließlich sei ein Gesundheitsamtsleiter für den Vollzug von Maßnahmen gegen die Pandemie zuständig und es gebe einen Widerspruch zwischen Anordnungen und öffentlich geäußerter Ablehnung. Das sehe er an den Reaktionen, die allein in seinem Abgeordnetenbüro aufschlagen. Die Dauerkritik Pürners an Maskenpflicht und Tests teile er auch nicht, sagt Tomaschko: "Wir haben derzeit noch keine anderen Mittel." Er habe von Pürner bislang auch noch keinen Vorschlag gehört "wie es denn anders gehen soll".
Strohmayr über Pürner: Schwieriger Typ, der polarisiert hat
Für die SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr ist Pürner ein "schwieriger Typ, der einfach auch polarisiert hat". Auf der anderen Seite sage Pürner "in der Corona-Geschichte in einigen Dingen sicher die Wahrheit". Strohmayr ist Präsidiumsmitglied der Arbeiterwohlfahrt im Bezirksverband Schwaben.
Der betreibt die AWO-Altenheime. Nach der Serie mit 17 Corona-Todesfällen in der Aichacher Einrichtung um Ostern warf Pürner der AWO schwere Versäumnisse vor: "Das Heim hätte die Ausbreitung verhindern können", so Pürner. Die Arbeiterwohlfahrt wies das zurück und kritisierte im Gegenzug den Gesundheitsamtsleiter scharf. Dieser sei der Bitte der AWO nach Reihentestungen im Heim erst verspätet nachgekommen.
Brülls: "Verunsicherung der Menschen können wir uns nicht leisten"
Auch Marion Brülls, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, kritisiert den späten Zeitpunkt der Reihentests im AWO-Heim. Hinzu komme, dass Pürner im Zusammenhang mit den Coronafällen auf einem Inchenhofener Spargelhof auf die Unzuverlässigkeit der Abstrichtests hinwies und wiederholt etwa den Sinn von Alltagsmasken in Frage stellte. "Es ist Aufgabe des Leiters des Gesundheitsamtes, dafür zu sorgen, dass die Hygienemaßnahmen umgesetzt werden."
Wenn er privat etwas anderes vertrete, könnten ihm Bürger das so auslegen, als nützten all diese Maßnahmen nichts. Brülls: "Eine Verunsicherung der Menschen können wir uns definitiv nicht leisten." Pürners Twitter-Aktivitäten hätten für die Grünen "das Fass zum Überlaufen" gebracht: "Dass er dort Verschwörungstheoretikern zustimmt, geht gar nicht."
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