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Prozess in Aichach: Ex-Konrektor veruntreut fast 260.000 Euro: "Es geht zu leicht"

Prozess in Aichach

Ex-Konrektor veruntreut fast 260.000 Euro: "Es geht zu leicht"

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    Ein 44-jähriger ehemaliger Konrektor musste sich vor dem Aichacher Schöffengericht wegen Untreue verantworten.
    Ein 44-jähriger ehemaliger Konrektor musste sich vor dem Aichacher Schöffengericht wegen Untreue verantworten. Foto: Christian Kirstges (Archiv)

    Er bewahrt Haltung. Gerade, fast stramm steht der 44-Jährige da, als Richter Walter Hell das Urteil verkündet. Es geht um sehr viel für den ehemaligen Konrektor einer Realschule im Landkreis Aichach-Friedberg. Es geht darum, ob er ins Gefängnis muss. Der suspendierte Pädagoge hat aus Liebe Aufgaben der Realschulabschlussprüfung 2018 verraten. Deshalb hat ihn Hell im Mai zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt (wir berichteten). Nun muss er sich wegen Untreue verantworten. Der Lehrer hat rund eine Viertelmillion Euro von seinem Berufsverband auf sein Privatkonto umgebucht.

    Der ehemalige Konrektor hat Aufgaben der Abschlussprüfung verraten

    Dieser Fall kommt erst wegen des Prüfungsskandals ins Rollen. Im Herbst ’18 schlagen beim Berufsverband der Realschullehrer Gerüchte über den seit 2002 amtierenden Kassier eines seiner Unterverbände auf. Da ist der Polizei schon klar, dass der Konrektor aus Liebe den Tresor seiner Schule geöffnet hat, um die Aufgaben samt Lösungen an den Sohn seiner Geliebten weiterzureichen. Der schwache Schüler sollte den Abschluss schaffen. So wünschte es sich die Mutter, und der Mann, der sie heiraten wollte, war ihr zu Willen.

    Die Verantwortlichen des Berufsverbandes fordern den Kassier schließlich auf, sein Amt ruhen zu lassen, und stellen rasch Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen fest. Bald steht das gesamte Ausmaß fest. Seit 2010 hat der Schatzmeister von einem Aktivkonto des Verbandes nach und nach fast 260.000 Euro auf sein Privatkonto gebucht – getarnt mit für den Verband typischen Bezeichnungen. Angeklagt sind in der gestrigen Verhandlung mir gut 180.000 Euro. Die restlichen Buchungen sind verjährt.

    Der Lehrer erzählt offen, warum er so viel Geld veruntreut hat

    Dass das über die Jahre nie aufgefallen ist, verwundert heute auch die Verantwortlichen des Verbandes. So richtig erklären kann es sich auch einer der Rechnungsprüfer nicht. Die Angaben seien „wirklich schlüssig“ gewesen, sagt der Zeuge. Richter Hell hält am Ende das Vertrauen für ausschlaggebend, das der Verband seinem Kassier entgegenbrachte. So sei es „absolut nachvollziehbar“, dass der Geldschwund nie aufflog.

    Doch warum das alles? Offen antworten der Angeklagte und Anwalt Michael Bauer auf die Fragen des Richters. Wie schon im Mai sitzen auch diesmal viele ehemalige Kollegen im Gerichtssaal. ihnen wirft der Verteidiger vor, nur darauf zu gieren, wie sein Mandant bestraft werde. Mit Hausbauschulden und Autokredit kommen der Lehrer und seine erste Frau auf eine monatliche Belastung von über 3000 Euro. Als die Ehe auf dem Spiel steht, investiert der Mann in Luxusurlaube oder „mal ein Musicalwochenende“, um die Beziehung zur Mutter seiner zwei Kinder zu retten. Das Geld zweigt er kurzerhand vom Verband ab. Es sei leicht gegangen, „zu leicht“, sagt er vor Gericht.

    Die Ehe rettet das nicht. Auch eine zweite, kinderlose Ehe ist inzwischen gescheitert. Die Beziehung zu der Frau, für die er die Prüfungsaufgaben aus dem Schultresor geholt und mit der er ein zehnmonatiges Kind hat, gibt es noch. Der Anwalt aber spricht von einem Auf und Ab. Er versuche den Kindern zuliebe, alles irgendwie zu retten, sagt der Anwalt.

    Als der Lehrer auffliegt, macht er alles richtig

    So viel der suspendierte Konrektor auch falsch gemacht hat, als er auffliegt, macht er alles richtig. Am 10. Dezember 2018 stellt der Verband Strafantrag. Schon am 28. Dezember überweist der Lehrer aus dem Verkauf seines Hauses die Schadenssumme inclusive der verjährten Buchungen und entschuldigt sich. Er zahlt 38.000 Euro Zinsen – mehr als das Zinsniveau erfordert. Das alles rechnet ihm Staatsanwältin Beate Schauer hoch an. Doch angesichts seiner „erheblich kriminellen Energie“ fordert sie eine Gefängnisstrafe (drei Jahre und drei Monate).

    Der Richter stellt am Ende in Bezug auf die Wiedergutmachung fest: „Mehr kann er nicht machen.“ Die Wiederholungsgefahr hält das Schöffengericht für gering und urteilt auf eine zweijährige Bewährungsstrafe. Es handelt sich um eine Gesamtstrafe, bei der das Urteil vom Mai mit einbezogen ist. Der blasse Angeklagte hört aufmerksam zu. Dann setzt er sich langsam. Er wirkt nicht befreit, doch etwas leichter. Sein Anwalt hat ihn als gebrochenen Mann bezeichnet, der begeisterter Lehrer war. Nun hat er keine Aussicht mehr, jemals wieder in seinem Beruf zu arbeiten.

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