Bringt man Corona und Seniorenheime in Verbindung, sind sie schnell im Kopf: Die Nachrichten und Bilder von Ausbrüchen, von Kranken, von Toten. Der Landkreis Aichach-Friedberg bildete da keine Ausnahme, auch hier kamen im Zusammenhang mit der Pandemie Dutzende Bewohner von Seniorenheimen ums Leben. Doch es gibt auch sie noch: die Beispiele, die Hoffnung machen. Dürfen wir vorstellen: Franz Albrecht, 91 Jahre alt, wohnhaft im Haus an der Paar in Aichach. Er ist einer der ältesten Corona-Bezwinger im Wittelsbacher Land.
Im November kam es im Haus an der Paar zu einem Corona-Ausbruch
Wer Herrn Albrecht am Telefon reden hört, stellt sich vieles vor, aber keinen 91-Jährigen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, erinnert sich auch an weit Zurückliegendes bestens, spricht gerade heraus. Ein Mann, der viel erlebt hat und nur wenig zu vergessen haben scheint. Wie er Anfang 20 als Heimatvertriebener aus der Tschechischen Republik erst nach Augsburg, dann nach Kühbach kam; wie er der Mutter helfen musste, da der Vater im Krieg gefallen war; wie er sich zunächst als Knecht und später in vielen verschiedenen Berufen durchschlug - Albrecht spricht davon, als wäre es gestern gewesen.
Im vergangenen November kam ein weiteres besonderes Kapitel in Albrechts ereignisreichem Leben hinzu. Immer mehr Menschen im Landkreis Aichach-Friedberg infizierten sich damals mit dem Coronavirus, auch Seniorenheime waren zunehmend betroffen. Eines von ihnen war das Haus an der Paar in Aichach. Schnell stellte sich heraus: In der Einrichtung schlug das Virus in der zweiten Welle besonders heftig zu. Nach ersten Fällen ergaben Reihentests, dass etliche Bewohner infiziert waren. So auch Franz Albrecht. Er wurde am 20. November positiv getestet.
Milder Krankheitsverlauf bei Bewohner Franz Albrecht
"Schön war das nicht", sagt Albrecht, als er an das positive Testergebnis denkt. "Aber wissen S', ich hab schon ganz was anderes erlebt." Dennoch seien die darauffolgenden Tage alles andere als angenehm gewesen. Wer positiv getestet worden war, wurde im Zimmer isoliert. "Eingesperrt haben's uns", wie Albrecht sagt. "Das war eigentlich das Schlimmste. Gar nicht mehr raus haben wir gedurft." Vom Virus selbst habe er nicht viel gespürt, betont er mehrfach. "Ich hab ein bisserl husten müssen, aber des war's bei mir. Sonst hat sich nichts gefehlt. Mir hat auch alles weiter geschmeckt, auch das Bier." Dass die Krankheit bei ihm vergleichsweise mild verlaufen sei, darüber sei er "schon ganz froh".
Viele hatten dieses Glück nicht. Im Haus an der Paar starben neun Bewohner im Zusammenhang mit der Pandemie, viele von ihnen um die Jahreswende. "Von hier sind wegen dem Corona drei gestorben", sagt Albrecht und meint seinen Wohnbereich im Seniorenheim. "Das sind alles alte Leute hier, viele sind nicht mehr ganz fit." Der 91-Jährige hat selbst schon mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich und ist frei von Illusionen. "Bei manchen geht's dann halt auch ein bisserl schneller. Aber schade ist das natürlich trotzdem."
Begeisterter Schafkopfspieler Albrecht freut sich auf sein Urenkelkind
Auch wenn rund zwei Drittel der Bewohner und der Mitarbeiter inzwischen geimpft wurden, gelten im Haus an der Paar - wie in allen Seniorenheimen im Landkreis - nach wie vor Hygieneregeln. Zum Beispiel darf jeweils nur eine Person zu Besuch kommen, einen negativen Schnelltest und Anmeldung vorausgesetzt. Was Albrecht, der seit März 2020 im Seniorenheim wohnt, momentan besonders fehlt: Schafkopfen. "Das macht mir am meisten Spaß", sagt der 91-Jährige über das Kartenspiel. "Aber gerade sind wir nur drei, die es können, da muss einer immer Solo spielen. Das ist auch nix G'scheit's." Er freue sich deshalb darauf, bald auch außerhalb des Seniorenheims wieder in Vierer-Runden spielen zu können - und auf mehr Spaziergänge, wenn es wieder wärmer wird.
Doch das sind nicht die einzigen Gründe zur Vorfreude für Albrecht: In rund zwei Wochen soll sein erstes Urenkelkind auf die Welt kommen. "Das will ich unbedingt noch erleben", sagt Albrecht - dreifacher Vater und vierfacher Großvater - und klingt wild entschlossen. Die älteste Corona-Bezwingerin im Haus an der Paar, Frau Pöckl, ist 101 Jahre alt. "Na schauen S', zehn Jahre älter", sagt Franz Albrecht und lacht. "Da hab ich ja noch was vor mir."
Lesen Sie dazu auch:
- So viele über 80-Jährige im Landkreis sind bereits gegen Corona geimpft
- Mobilität und Corona: Erklärt diese Grafik den Pandemie-Verlauf in Aichach-Friedberg?
- "Ich bekomme dieses Leid mit": Wie Affings Pfarrer Max Bauer Corona erlebt