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Aichach-Friedberg: Landkreis schließt Wertstoffhöfe: Zehn statt 25 reichen aus

Aichach-Friedberg

Landkreis schließt Wertstoffhöfe: Zehn statt 25 reichen aus

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    Der Recyclinghof in Ecknach (Aichach) bleibt auf alle Fälle. Dort wird allein über ein Fünftel der Wertstoffe im Landkreis gesammelt.
    Der Recyclinghof in Ecknach (Aichach) bleibt auf alle Fälle. Dort wird allein über ein Fünftel der Wertstoffe im Landkreis gesammelt. Foto: Mareike König (Archivfoto)

    Die Wertstoffhöfe – das waren mal die heiligen Kühe des müllbewegten Wittelsbacher Landes. Besonders in den 80er- und 90er-Jahren, als die Hausmüll- und Sondermülldeponie in Gallenbach und die geplanten Standorte für Schlackenablagerungen viele Menschen im Landkreis auf die Barrikaden brachten. Müllvermeidung und Wertstofferfassung war die Gegenbewegung, die von der breiten Bürgerschaft getragen wurde. Noch vor einem Jahrzehnt hätte kaum ein Kommunalpolitiker gewagt, die Axt an einen Recyclinghof zu legen. Der Protest wäre unüberhörbar gewesen. Jetzt kommt es auf alle Fälle zu einer deutlichen Reduzierung der Wertstoffhöfe im Landkreis – von 28 (Stand: 2019) auf voraussichtlich nur noch zehn (siehe Grafik). Das bedeutet: In 14 von 24 Kommunen könnten keine Wertstoffe mehr abgegeben werden. Das sieht ein Konzept vor, das im Umweltausschuss des Kreistags vorgestellt wurde.

    Beschlossen werden soll das neue Konzept im November

    Beschlossen ist noch nichts, eine Entscheidung fällt der Kreistag voraussichtlich im November. Zuvor werden drei zusätzliche Standorte geprüft. Eigentlich sollte das neue Konzept schon seit April auf dem Weg sein, aber Corona hat auch hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Kreisräte, die bis Mai im Amt und mit der Materie seit Jahren betraut waren, hätten die Neuausrichtung auch beschließen sollen. Jetzt müssen das neu gewählte Gremium und auch die neuen Bürgermeister erst informiert werden. Ob die Schließung von bis zu 15 Wertstoffhöfen zu einem „Hauen und Stechen“ führt, wie Willibald Mair (AfD) in der Ausschusssitzung mutmaßte, bleibt offen.

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    Landrat Klaus Metzger sieht diese Gefahr nicht, denn die Rathauschefs seien bisher und würden auch künftig intensiv eingebunden, und es gebe „ein hohes Maß an Einsicht“, dass nicht jeder Wertstoffhof erhalten werden könne. Vor allem, weil sich durch die Einführung der Gelben Tonne Anfang 2019 die Besucherfrequenz auf den Sammelstellen nahezu halbiert hat. Seit der Verpackungsmüll abgeholt und nicht mehr auf den Sammelstellen getrennt erfasst wird, fehlen dem Kreis im Jahr rund 400000 Euro Einnahmen von den Dualen Systemen (DSD). Gleichzeitig besteht hoher Investitionsbedarf auf den Wertstoffhöfen, und das alles führt zu höheren Kosten, die direkt auf den Müllgebührenzahler umgelegt werden müssen. An einer Reduzierung der Standorte, und damit längeren Entsorgungsfahrten für einen Teil der Einwohner, führt also kein Weg vorbei, wenn die Rechnung für die Bürger nicht steigen soll.

    In zehn von 28 Sammelstellen wird über 90 Prozent der Wertstoffe angenommen

    Das Konzept, an dem auch ein Arbeitskreis aus dem Landkreis beteiligt war, hat jetzt Werner Bauer vom beauftragten Ingenieurbüro ia aus München im Umweltausschuss vorgestellt. Sein Ansatz für die Reduzierung: Wie hoch ist der Anteil eines einzelnen Standorts an allen im Landkreis gesammelten Wertstoffen? Nur zehn überschreiten eine Effizienzgröße von 1,5 Prozent. Konkret: In diesen zehn Sammelstellen werden zusammen 91,5 Prozent aller Wertstoffe erfasst. In den vier größten (Friedberg, Aichach, Mering und Kissing) sind es zusammen mit rund 71 Prozent über zwei Drittel der insgesamt in etwa 11.800 Tonnen im Jahr. In Sielenbach sind es dagegen zum Beispiel nur knapp 19 Tonnen oder 0,16 Prozent der Gesamtmenge.

    Inzwischen sind von den ehemals 28 Recyclinghöfen im Landkreis bereits drei geschlossen worden: Im Friedberger Stadtteil Bachern und in Friedberg-West ist bereits seit 2019 Schluss und in Baar seit Ende April. Bauer empfiehlt jetzt, weitere 15 Standorte dichtzumachen. Ein Netz mit zehn Sammelstellen sei ausreichend und ein Anfahrtsweg von bis zu 7,5 Kilometer bis zur nächsten Sammelstelle zumutbar. Damit könnten bis zu 250.000 Euro im Jahr an Betriebskosten eingespart werden. Gleichzeitig schlägt Bauer vor, in diese Wertstoffhöfe zu investieren. Vor allem Wasser- und Abwasseranschlüsse sowie Aufenthaltscontainer schlagen dabei zu Buche. Aber auch im Bereich Arbeitsschutz gibt es jede Menge zu tun. Ein Hintergrund der dringend fälligen Investitionen sind Lithium-Ionen-Akkus, die unter anderem in Smartphones verbaut sind. Sie bergen eine spezielle Gefahr: schwer zu löschende Brände. Der Brandschutz ist bisher an fast allen Annahmestellen mangelhaft.

    Funktionierende Geräte sollen aus dem Abfallstrom gerettet werden

    Ingenieur Bauer rät dazu, dass der Landkreis die Erfassung von Grüngut und Bauschutt wieder von den Gemeinden übernehmen soll. Dazu könnte an fünf oder sechs der Sammelstellen eine Annahme mit Bezahlsystem eingerichtet werden. Dass Grüngut im Zuständigkeitsbereich der Kommunen liegt, ist übrigens eine Wittelsbacher Spezialität aus den 90er-Jahren. In der Nachbarschaft übernehmen das in der Regel die Landkreise – meist kostenlos auf den Wertstoffhöfen. Werner Bauer unterbreitet eine Reihe von Vorschlägen, wie einige der Sammelstellen baulich umgestaltet und damit besser nutzbar gemacht werden können. Handlungsbedarf sieht er aktuell in Affing (Verkehrsführung). Es gehe auch darum, den Wechsel von der „Abfall- zur Wertstoffwirtschaft“ zu schaffen. Dazu sollen zum Beispiel noch funktionierende Elektrogeräte nicht einfach weggeworfen, sondern „aus dem Abfallstrom gerettet und wiederverwendet werden“. Dazu braucht es einen Annahmebereich und Lagerhaltung. Laut Bauer ist es sinnvoll, dies auf ein oder zwei Standorte zu konzentrieren. Bei der Abfallwirtschaft denkt man dabei an Ecknach (Aichach) und Kissing.

    Aber das ist noch Zukunftsmusik. Konkreter sind da schon drei Anträge von Kommunen, die ihre Standorte erhalten wollen. Die zusätzlichen Kosten sollen bis zur Entscheidung im Kreistag geprüft werden. Friedberg setzt sich dabei für Stätzling ein, weil dort zwar weniger gesammelt wird, aber überproportional viele Besucher gezählt werden. Auch die Obergriesbacher Sammelstelle werde sehr gut angenommen und sei rentabel zu betreiben, argumentiert Bürgermeister Jürgen Hörmann. Franz Xaver Ziegler (Hollenbach) verweist darauf, dass in seinem Raum mit Inchenhofen und Petersdorf eine große Lücke entstehen würde. Der Bürgermeister hat auch gleich einen Standortvorschlag für einen neuen gut angebundenen Wertstoffhof. Der könnte auf einem Gewerbe-Grundstück beim Raiba-Agrar-Zentrum im Ortsteil Motzenhofen entstehen.

    Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar: Schließung von Wertstoffhöfen ist die Konsequenz der Gelben Tonne

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