Das steht fest: Fische aus der Friedberger Ach sind mit PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien) belastet. Die Giftstoffe sind über Löschschäume, die über Jahrzehnte hinweg auf dem mittlerweile geschlossenen Militärflugplatz Penzing (Landkreis Landsberg) verwendet wurden, in den Verlorenen Bach, das ist der Oberlauf der Ach, gelangt. Einige Verbindungen dieser Industriestoffe stehen unter dem Verdacht, krebserregend zu sein. Unklar ist: Können im Bach geangelte Regenbogenforellen oder Äschen weiter unbedenklich gegessen werden?
Einige Ämter warnen vor dem Verzehr der Fische
Dazu geben die Behörden in den fünf Landkreisen, durch die das insgesamt rund 100 Kilometer lange durch Menschenhand immer wieder veränderte Gewässer fließt, unterschiedliche Empfehlungen. Das Landratsamt Landsberg warnt vor einem „regelmäßigen und dauerhaften Verzehr der Fische“ aus dem Verlorenen Bach. Dort ist die Belastung des Fließgewässers mit den Giftstoffen auch am höchsten. Tiere sollen nicht aus dem Bach getränkt und Nutzpflanzen nicht gewässert werden.
Auch das Landratsamt Augsburg, das nur für einen kurzen Gewässerabschnitt am Unterlauf zuständig ist, hat eine Verzehrwarnung und auch ein sogenanntes Verkehrsverbot ausgesprochen. Fische aus der Friedberger Ach dürfen also dort nicht mehr in den Umlauf gebracht werden. Dazwischen gibt es eine andere Einschätzung: Das Veterinäramt Aichach-Friedberg sieht aktuell „für eine Verzehrwarnung oder gar ein Verzehrverbot keine Veranlassung“, teilt Wolfgang Müller, Sprecher des Landratsamtes, auf Anfrage unserer Redaktion mit. Das Staatliche Veterinäramt stehe unter anderem mit der Fischereifachberatung Schwaben in Kontakt. In Kürze werde es eine Beprobung von Fischen aus der Friedberger Ach, beziehungsweise dem Verlorenen Bach geben, sagt Müller. Die Erkenntnisse würden dann veröffentlicht. Mit rund 42 Kilometern liegt der längste Abschnitt des Gewässers im Wittelsbacher Land. In den Landkreisen Landsberg und Augsburg sind schon vor einigen Monaten Fische untersucht worden. Darauf folgten die Verzehrwarnungen.
PFC: Der Giftstoff baut sich nicht natürlich ab
PFC baut sich nicht natürlich ab, aber die Belastung von Fließgewässern sinkt im Verlauf mit weiteren Zuflüssen durch den Verdünnungseffekt. Das zeigen auch die Messergebnisse des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth. Der Bach wurde bereits mehrmals auf eine Reihe von giftigen PFC-Verbindungen untersucht, bestätigt Kurt Nunn. Er ist als stellvertretender Abteilungsleiter für den Landkreis Aichach-Friedberg zuständig. Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) hatte in den Proben jeweils den höchsten Gehalt aller festgestellten Substanzen. Laut Nunn liegt die sogenannte Umweltqualitätsnorm in einem Fließgewässer bei 0,65 Nanogramm PFOS pro Liter.
Gift im Bach: Bei Unterbergen gibt es 25 mal so viel PFOS
Ein Nanogramm ist ein milliardstel Gramm. An der Landkreisgrenze bei Unterbergen (Gemeinde Schmiechen) wurden im Verlorenen Bach 16 Nanogramm PFOS pro Liter Wasser gemessen. Also 25 mal so viel wie die Norm. In der Ach bei Derching (Friedberg) waren es 14 Nanogramm, nördlich von Thierhaupten 10 Nanogramm, bei der Kittelmühle (Rain) waren es noch fünf Nanogramm und bei Niederschönenfeld 4 Nanogramm PFOS. Zum Vergleich: An verschiedenen Messstellen nahe den Quellen des Verlorenen Bachs bei Penzing liegt der PFOS-Korridor zwischen 300 und 150 Nanogramm und im Gewässerabschnitt zwischen Weil und Prittriching an der Grenze zum Wittelsbacher Land in einem Korridor von 90 bis 10 Nanogramm.
Was sind PFC/PFAS? Verwendung, Verbreitung und Folgen
PFC/PFAS Per- und polyfluorierte Chemikalien/Alkylsubstanzen (PFC/PFAS) sind organische Verbindungen, bei denen an den Kohlenstoffketten die Wasserstoffatome teilweise oder vollständig durch Fluoratome ersetzt sind. Die Gruppe umfasst über 3000 verschiedene Stoffe.
Verwendung PFC weisen Wasser, Öl, Fette und Schmutz ab. Sie werden seit den 1950er-Jahren industriell hergestellt, mittlerweile ist die Produktion stark eingeschränkt. PFC haben aber besondere Eigenschaften – weshalb sie nach wie vor in vielen Alltagsprodukten vorkommen, zum Beispiel in Kochgeschirr, Textilien und Papier, in Outdoor-Kleidung, in Pappbechern und Pizzakartons, in Skiwachsen und in Lacken. PFC befinden sich in Feuerlöschschäumen und Teflonprodukten, Kälte- und Treibmitteln und in Pestiziden.
Umwelt In die Umwelt können PFC bei ihrer Herstellung gelangen. Doch auch beim Gebrauch und der Entsorgung der Produkte können sie freigesetzt werden. Wasserlösliche PFC werden über Flüsse und Meere global verteilt. Sogar in der Arktis und den dort lebenden Tieren werden diese Verbindungen gefunden. Flüchtige PFC, zum Beispiel aus Imprägniersprays, können über weite Strecken in der Atmosphäre transportiert werden. Über Niederschlag gelangen sie in den Boden und in die Gewässer.
Folgen Viele PFC reichern sich in der Umwelt sowie im menschlichen und tierischen Gewebe an. Der Mensch nimmt PFC hauptsächlich über die Nahrung oder über Trinkwasser auf. Auch erhöhte Konzentrationen von PFC in der Innenraumluft, beispielsweise durch Teppiche mit schmutzabweisender Ausrüstung, tragen zur PFC-Belastung des Menschen bei. Einige PFC stehen in Verdacht, krebserregend zu sein. (cli)(Quelle: Umweltbundesamt)
Perfluorierte Chemikalien (PFC) sind über Jahrzehnte in industriellen Prozessen und Verbraucherprodukten eingesetzt worden. Das wurde mittlerweile stark eingeschränkt. PFC-Verbindungen sind schwer abbaubar und deshalb lange in der Umwelt und in der Nahrungskette nachweisbar. Für die Bewertung von PFC-Gehalten in Lebensmitteln gebe es keine einheitlichen Höchstmengen, verweist Wolfgang Müller vom Aichacher Landratsamt. Es gebe lediglich Empfehlungen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde, des Bundesinstituts für Risikobewertung oder auch die Trinkwasserverordnung. Das Veterinäramt Aichach-Friedberg fasst es so zusammen: Gelegentlicher Verzehr von Fischen aus der Ach habe keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen.
PFC-Kontamination durch den Fliegerhorst Penzing ist bekannt
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat Proben von Bach- und Regenbogenforellen am deutlich stärker belasteten Oberlauf im Landkreis Landsberg auf PFOS untersucht. Ergebnis: Auch beim Verzehr einer großen Menge Fisch seien „keine nachteiligen Wirkungen auf die Gesundheit zu erwarten“.
Die Fachbehörde rät dennoch „von regelmäßigem und dauerhaftem Verzehr“ von Fischen ab. Die PFC-Kontaminierung von Flächen auf dem Fliegerhorst Penzing ist seit nahezu einem Jahrzehnt bekannt. Bis heute wird untersucht und wann eine Sanierung beginnt, ist offen. Das bedeutet: Auf nicht absehbare Zeit werden Giftstoffe in der Friedberger Ach bleiben. "
Auskunft bei der LGL „PFC-Infoline“ Telefon 09131/68082497 und im Internet unter LGL Bayern und LFU Bayern
Lesen Sie dazu einen Kommentar von Christian Lichtenstern: Altlasten: Die Friedberger Ach wird ihre Giftfracht noch lange mit sich führen
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