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Kreis Aichach-Friedberg: Missbrauchsverdacht: Schon vor elf Jahren gab es Gerüchte

Kreis Aichach-Friedberg

Missbrauchsverdacht: Schon vor elf Jahren gab es Gerüchte

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    Ein Schild warnt vor spielenden Kindern. (dpa)
    Ein Schild warnt vor spielenden Kindern. (dpa) Foto: mb

    Der plötzliche und "freiwillige" Abschied des Pfarrers aus einer Gemeinde im nördlichen Landkreis Aichach-Friedberg vor elf Jahren war begleitet von unterschwelligen Kindesmissbrauchs-Gerüchten. Der Verdacht wurde von der Justiz nicht untersucht und von der Diözese damals auf Anfrage unserer Zeitung bestritten.

    Jetzt, im Zuge der Vorwürfe gegen die katholische Kirche, zwingt die Diözese Augsburg den früheren Pfarrer nach "neuen Hinweisen" zu einer Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft

    Die Rede ist jetzt von Annäherungen an Kinder "auf moralisch fragwürdige" Weise. Näher wurden die Vorwürfe nicht erläutert. In der Erklärung wird nicht auf den Ort eingegangen, sondern nur allgemein von einem Fall in der Diözese gesprochen. Der betroffene Priester sei von seinen jetzigen Aufgaben (er ist seit 1999 nicht mehr als Gemeindepfarrer tätig) mit sofortiger Wirkung entbunden worden.

    Schon vier Wochen nach der überraschenden Ankündigung eines "Wechsels aus freien Stücken und aus rein persönlichen Gründen", so der damalige stellvertretende Generalvikar und Personalreferent, Josef Heigl, auf Anfrage der Aichacher Nachrichten, war 1999 ein Nachfolger ins Pfarrhaus eingezogen. Über 20 Jahre war der in großen Teilen der Gemeinde durchaus beliebte und angesehene Pfarrer dort zuvor tätig.

    Er wurde auch mit feierlichen Gottesdiensten verabschiedet. Damals gab es Gerüchte über angebliche Vorfälle bei seiner Jugendarbeit und Ausflügen mit Ministranten. Es gab auf der anderen Seite aber auch Aussagen von Jugendlichen, die dem Pfarrer keinerlei Fehlverhalten attestierten. Dass Vorwürfe der Grund für die "Abberufung" waren, wurde 1999 von der Diözese aber verneint.

    Der Pfarrer habe selbst die Versetzung beantragt, betonte Heigl damals gegenüber unserer Zeitung. Auch die Vertreter der Pfarrgemeinde äußerten sich sehr zurückhaltend: Der kurzfristige Abschied komme überraschend, werde aber akzeptiert, hieß es.

    Die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle der vergangenen Tage, besonders an katholischen Schulen und Internaten, haben offensichtlich diese Vorfälle wieder aufgewühlt. Laut Pressemitteilung hatte das Bistum 1999 Hinweise von Eltern erhalten, die sich auf "moralisch fragwürdige Verhaltensweisen" des Gemeindepfarrers gegenüber Kindern bezogen.

    Die Eltern der Kinder hätten das Bischöfliche Ordinariat damals allerdings ausdrücklich gebeten, "im Interesse ihrer Kinder kein öffentliches Aufsehen zu erregen" und von einer Strafanzeige abzusehen, so Pressesprecherin Kathi Marie Ulrich. Gleichzeitig baten die Eltern damals um "disziplinarische Maßnahmen" gegen den Pfarrer.

    Der beschuldigte Pfarrer hatte seinerzeit bestritten, dass sein Verhalten gegenüber Kindern und Jugendlichen jemals die Schwelle des moralisch oder rechtlich Erlaubten verletzt habe, so die Diözese.

    Der Personalreferent habe den Pfarrer dennoch aufgrund der Sachverhaltsschilderung der Eltern "unverzüglich von dessen Pfarrstelle abberufen" und mit einer Aufgabe betraut, bei der keine Gefahr eines unkontrollierten Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen bestanden habe, schildert Pressesprecherin Ulrich den "Wechsel aus freien Stücken" heute.

    Und: Auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern sei die Versetzung nach Außen und für die Öffentlichkeit auf "persönliche Gründe" gestützt und dargestellt worden. Die neue Aufgabe des früheren Pfarrers wurde damals aber auch, zumindest in Teilen der Bevölkerung, als indirekte Bestätigung der Vorwürfe gedeutet.

    Aufgrund "aktueller Hinweise" habe das Bischöfliche Ordinariat den Vorgang jetzt neu aufgegriffen. Diese "neuen Hinweise" beziehen sich nur auf den damaligen "Verdachtsfall", betonte Sprecherin Kathi Marie Ulrich gestern auf Nachfrage. Nach einem Gespräch mit dem ehemaligen Pfarrer am vergangenen Freitagnachmittag habe der Missbrauchsbeauftragte der Diözese, Domkapitular Harald Heinrich, dem Priester "dringend nahegelegt", die Staatsanwaltschaft über den fraglichen Tathergang zu informieren und diesen rückhaltlos aufklären zu lassen.

    Dem Priester wurde mehr oder weniger ein Ultimatum gestellt: Es sei unmissverständlich klar gemacht worden, dass die Diözese die Staatsanwaltschaft einschalten werde, wenn die Selbstanzeige nicht am Montag eintreffe, so Pressesprecherin Ulrich. Christian Lichtenstern

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