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Justiz: Unfall: War es versuchter Totschlag?

Justiz

Unfall: War es versuchter Totschlag?

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    Ein Paketfahrer soll einen Fußgänger angefahren und dabei tödlich verletzt haben.
    Ein Paketfahrer soll einen Fußgänger angefahren und dabei tödlich verletzt haben.

    Freitag, 25. Januar, kurz vor 7 Uhr: Die Ortsverbindungsstraße zwischen Schrobenhausen und Peutenhausen (Gemeinde Gachenbach) an der Grenze im Nachbarlandkreis Neuburg-

    Ungefähr so beschreibt der junge Mann, der gestern auf der Anklagebank im Sitzungssaal des Neuburger Amtsgerichts sitzt, den Unfall, der für den 65-jährigen Fußgänger tödlich endete (wir berichteten). Soweit ist der Angeklagte geständig. Doch was passierte dann? Die Staatsanwaltschaft wirft dem 32-Jährigen fahrlässige Tötung, unerlaubtes Entfernen vom

    Der Angeklagte, der im Laufe der Verhandlung immer weiter in sich zusammen sinkt, beteuert über eine Dolmetscherin: „Es tut mir alles sehr leid, ich möchte mich entschuldigen.“ Dann erzählt er, er habe den Unfallort nur verlassen, um im Aichacher Stadtteil Gallenbach einen Freund zu treffen, mit dessen Hilfe er den bewusstlosen Körper des 65-Jährigen in sein Auto laden und ins Krankenhaus bringen wollte. Er habe das zuerst alleine versucht, aber nicht geschafft, weil der Körper zu schwer und die Wirbelsäule des Mannes zu instabil gewesen sei. Er habe auch versucht, den Mann durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben.

    Gleichzeitig sagt er aus, der Mann habe noch selbstständig geatmet. Ein Autofahrer, der kurz nach dem Unfall auf derselben Strecke unterwegs war, berichtet im Zeugenstand, dass er angehalten und den Angeklagten gefragt habe, ob er helfen könne, dieser habe ihm allerdings signalisiert, es sei alles in Ordnung, er solle weiterfahren. Weitere Zeugen, die an diesem Morgen die alte B300 befuhren, erzählen, sie hätten keine Warnblinkanlage gesehen, kein Anzeichen, dass jemand Hilfe benötige. Die Situation habe eher den Eindruck erweckt, der Paketfahrer sei „kurz austreten“. Der Freund und Kollege, den der Angeklagte am Unfallmorgen kontaktierte, bestätigt in seiner Aussage die Version des 32-Jährigen. Dieser habe ihn am Telefon gebeten, ihn in Gallenbach zu treffen und ihn dann wieder zum Unfallort zu fahren, sodass er „seine Sachen erledigen“ könne. Diese Formulierung nimmt Staatsanwalt Frank Nießen zum Anlass, um nachzufragen, ob der Angeklagte damit nicht auch gemeint haben könnte, dass er seine Spuren beseitigen wolle. Nießen hält dem Zeugen seine Aussage bei der Polizei vor. Damals sagte dieser, sein Freund habe ihm im Auto verraten, der Fußgänger sei wahrscheinlich tot und er habe bereits Teile seines weißen Transporters eingesammelt, um nicht entdeckt zu werden.

    Der 32-Jährige und sein Freund fuhren von Gallenbach gemeinsam zurück zur Unfallstelle, wie beide erzählen. Dort angekommen, hätten sie gesehen, dass bereits Rettungskräfte vor Ort waren. Anstatt sich zu stellen, ließ sich der Angeklagte von seinem Kollegen zurück zu seinem Kastenwagen fahren, der noch in Gallenbach stand. Danach fuhren beide nach Hause. Wie die zuständigen Polizisten vor Gericht aussagen, hätten sie den Fahrer nach der Spurensicherung relativ schnell ausfindig machen können. Er wurde noch am Abend des Unfalltages verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Im Obduktionsbericht, den Richter Veh verliest, heißt es, dass eine „Rettbarkeit des 65-Jährigen auch bei sofortiger medizinischer Versorgung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bestanden hätte“. Sein Tod wurde am 25. Januar um 8.52 Uhr im Schrobenhausener Krankenhaus festgestellt. Ursache: traumatischer Schock und Polytrauma.

    Nach der Vernehmung von sieben Zeugen fasst Veh den Beschluss: „Die Sache wird wegen des Verdachts eines Verbrechens des versuchten Totschlags durch Unterlassen ans Landgericht verwiesen.“ Die Beweisaufnahme habe nämlich vorläufig ergeben, dass der 32-Jährige den Unfallort nicht mit der Absicht verlassen habe, Hilfe zu holen, sondern um unentdeckt zu bleiben. Der Angeklagte habe den Tod des Fußgängers deshalb billigend in Kauf genommen. Er habe überhaupt nicht versucht, andere Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, um dem Schwerverletzten schnellstmöglich zu helfen.

    Bis der Fall vom Schwurgericht in Ingolstadt neu aufgerollt wird, können noch mehrere Monate vergehen. Bis dahin bleibt der 32-Jährige weiter in Haft. Sollte der Mann schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Gefängnisstrafe von zwei bis zehn Jahren.

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