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Aichach: Immer mehr Demos: Wird Aichach-Friedberg zum Hotspot für Corona-Skeptiker?

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Immer mehr Demos: Wird Aichach-Friedberg zum Hotspot für Corona-Skeptiker?

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    Am Freitag demonstrierten Corona-Skeptiker gegen die Versetzung von Gesundheitsamtsleiter Friedrich Pürner. Nun folgen weitere Aktionen im Wittelsbacher Land.
    Am Freitag demonstrierten Corona-Skeptiker gegen die Versetzung von Gesundheitsamtsleiter Friedrich Pürner. Nun folgen weitere Aktionen im Wittelsbacher Land. Foto: Max Kramer

    Es waren Bilder, die es in Aichach nur selten zu sehen gibt: Am Freitag demonstrierten vor dem Landratsamt rund 100 Menschen gegen die Versetzung von Gesundheitsamtsleiter Friedrich Pürner. Sie nahmen die Aktion zum Anlass, gegen eine Vielzahl von Corona-Maßnahmen der Staatsregierung zu protestieren, darunter vor allem die Maskenpflicht an Schulen. Die Protestaktion der Corona-Skeptiker sorgte für viel Aufsehen. Dabei war sie offenbar nur ein Vorgeschmack auf das, was dem Wittelsbacher Land in den kommenden Tagen bevorsteht.

    Auftakt machen zwei Parallel-Veranstaltungen am Mittwochabend: Zeitgleich, ab 18 Uhr, findet sowohl in Aichach als auch in Friedberg ein sogenannter "Lichtermarsch" statt. Regionale Untergruppen coronaskeptischer Zusammenschlüsse wie "Freiheitsboten" und "Corona-Skeptiker Wittelsbacher Land" riefen insbesondere über soziale Netzwerke wie Telegram dazu auf, im Rahmen eines Sankt-Martins-Umzugs "ein lichtvolles Zeichen für Frieden, Würde und Menschlichkeit zu setzen". In Aichach soll der Zug vom Volksfestplatz aus über das Untere Tor ins Stadtzentrum und anschließend zurück führen, in Friedberg verläuft die geplante Route vom Marienplatz aus durch die Innenstadt. 50 Teilnehmer sind jeweils vom Veranstalter angemeldet, Ende soll um 19.15 Uhr sein.

    2000 Teilnehmer: Demonstration von "Querdenken Augsburg" in Aichach

    Wer steht dahinter? In Friedberg, so erklärt es das Landratsamt auf Nachfrage, die Organisation "Menschlich leben". In Aichach haben den Umzug drei Privatpersonen angemeldet, die zum Kreis der "Corona-Skeptiker Wittelsbacher Land" gehören. Das bestätigt Patrick Kügle, der sich selbst zur Gruppierung zählt und für die FDP im Stadtrat sitzt, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Wir wollen keinen Schaden machen und niemanden nerven", sagt Kügle, der Mitte Oktober einen Fackelmarsch gegen Corona-Maßnahmen in Aichach mitinitiiert hatte. Vielmehr gehe es darum, "gewaltfrei, ruhig und friedlich ein Zeichen zu setzen".

    In weitaus weniger besinnlichem Rahmen dürfte Kügles Auftritt am Samstag stattfinden. Dann will er auf dem Aichacher Volksfestplatz eine Begrüßungsrede halten - für eine Großdemonstration von Corona-Skeptikern mit bis zu 2000 angemeldeten Teilnehmern. Sie versammeln sich unter dem Titel "Erkenntnislauf für Frieden und Freiheit", ziehen anschließend für eine Kundgebung zum Stadtplatz und kehren dann zum Volksfestplatz zurück. Die Veranstaltung soll von 14 bis 16 Uhr dauern. Sie geht nicht auf die "Corona-Skeptiker Wittelsbacher Land" zurück, sondern auf die Organisation "Querdenken Augsburg".

    Rednerliste bei Anti-Corona-Demo in Aichach wirft Fragen auf

    Veranstaltungen dieser Größenordnung sind von der aktuellen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gedeckt, die Teilnehmer müssen sich nach Angaben des Landratsamts jedoch an Maskenpflicht und Abstandsregeln halten. Wie viele Polizeibeamte vor Ort sein werden, um deren Einhaltung zu kontrollieren, wollte das zuständige Polizeipräsidium Schwaben-Nord mit Verweis auf "einsatztaktische Gründe" nicht mitteilen. Ziel sei es, "einerseits einen friedlichen und störungsfreien Verlauf der Versammlung zu ermöglichen und zugleich die Infektionsgefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß zu senken".

    Die Liste der Redner auf dem Stadtplatz wirft Fragen auf. Angekündigt sind der Arzt Rolf Kron aus Kaufering (die Polizei ermittelt gegen ihn, weil er auf einer Corona-Demo den Hitlergruß zeigte) und der Polizist Wolfgang Kauth. Beide traten bereits bei früheren Veranstaltungen von Corona-Skeptikern auf und verbreiteten dort auch Verschwörungstheorien. Nach Angaben der Veranstalter ebenfalls "mit dabei": "Mitarbeiter" eines Altenheims in Aichach. Nähere Angaben dazu gab es nicht. Auch um welche Einrichtung es sich handeln soll, blieb auf Nachfrage offen.

    Corona-Skeptiker in Aichach immer aktiver - wegen Pürner-Versetzung?

    Finden alle Veranstaltungen wie geplant statt, hat das Wittelsbacher Land in neun Tagen vier größere Veranstaltungen von Corona-Skeptikern erlebt, drei davon in Aichach. Die Demo-Teilnehmer am Freitag kamen bei Weitem nicht nur aus dem Landkreis, davon ist bei bis zu 2000 Teilnehmern auch am Samstag auszugehen. Wird das Wittelsbacher Land, wird Aichach nun immer mehr zum Hotspot von Corona-Skeptikern aus der Region? FDP-Stadtrat Kügle sagt: Ja. "Wir werden in unserem Landkreis zum Mittelpunkt der Anti-Corona-Bewegung", erklärt Kügle. "Wir sind in der Heimat vom Dr. Pürner. Da gibt es keinen besseren Ort, um Solidarität auszudrücken.“

    Dr. Friedrich Pürner war Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg. Seine Versetzung an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sorgte für Aufsehen.
    Dr. Friedrich Pürner war Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg. Seine Versetzung an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sorgte für Aufsehen. Foto: Wolfgang Müller, Landratsamt Aichach

    Auch Josef Dußmann (CSU), Zweiter Bürgermeister in Aichach, sieht die Versetzung von Pürner als Hauptgrund dafür, dass Corona-Skeptiker in Aichach immer aktiver werden. "Seit dieser Entscheidung steht Aichach im Fokus", sagt Dußmann gegenüber unserer Redaktion. Gerade die mediale Aufmerksamkeit in der jüngeren Vergangenheit habe dazu geführt, dass sich Corona-Skeptiker jetzt "ein Stück weit auf Aichach konzentrieren". Grundsätzlich sehe er die Großdemonstration kritisch: "Wir haben Meinungsfreiheit, und das ist gut so. Aber gerade in dieser Zeit, in der es um Rücksichtnahme geht, halte ich eine solche Demonstration für absolut unpassend und überflüssig."

    Bürgermeister Habermann: "Nicht von Querdenkern abbringen lassen"

    Nach Ansicht von Dußmann versuchten Corona-Skeptiker, "die Leute aufzumischen und Unsicherheit zu verbreiten". Er sei sicher, die Mehrheit der Aichacher Bürger stehe hinter den aktuell geltenden Corona-Maßnahmen. Aktuell werde auch innerhalb des Stadtrats parteiübergreifend diskutiert, wie man sich zur Demonstration am Samstag positioniere. "Ich glaube, ein sehr großer Teil wird sich dagegen aussprechen." Auch eine Gegendemonstration sei im Gespräch. Dußmann hält sich dazu jedoch bedeckt: "Je größer die Aufmerksamkeit für die Corona-Skeptiker ist, desto eher fühlen sie sich auch bestärkt. Das wollen wir vermeiden."

    Unterdessen hat sich Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) mit einem Appell an die Bevölkerung gewandt: In einer Anzeige in unserer Zeitung schreibt er, es gelte, "mit ein wenig persönlicher Einschränkungen, ein bisschen Verzicht und ganz viel Solidarität, die vor uns liegenden Wochen zu überstehen". Er fügt an: "Dabei dürfen wir uns auch nicht von Querdenkern davon abbringen lassen, verantwortungsvoll und solidarisch zu handeln!"

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