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Foto: Elisa Glöckner
Foto: Elisa Glöckner

Edeka-Inhaber Michael Wollny (Bild) ist gespannt: Irgendwo zwischen Kartoffelsalat und Himbeeren, Gummibärchen und Salat werden die Porträts depressiver Menschen zu finden sein, die Alexander Andres von ihnen angefertigt hat. Näheres zum Konzept der Ausstellung wird nicht verraten. Es bleibt spannend.

Gesellschaft
26.09.2017

Supermarkt hat Platz für besondere Fotos

Von Elisa-Madeleine Glöckner

Der Aichacher Fotograf Alexander Anders stellt in der Edeka-Filiale der Familie Wollny in Friedberg aus. Es geht um das Thema Depression. Wie es zu der ungewöhnlichen Aktion kam

Aichach-Friedberg Sie diente schon als Bühne eines Konzerts, als Drehort eines Videos. Nun wird die Edeka-Filiale der Familie Wollny zum Atelier umfunktioniert. Ab Montag, 2. Oktober, gastiert hier eine Ausstellung des Aichacher Fotografen Alexander Andres. Sie behandelt das Thema Depression.

Alexander Andres war selbst depressiv. Das ist mittlerweile zehn Jahre her. Heute führt er ein besseres Leben als jemals zuvor, sagt der Fotograf. Deshalb möchte er etwas zurückgeben. „Gesicht zeigen“ – so heißt das Projekt, das er Anfang dieses Jahres ins Rollen gebracht hat. Die Inspiration stammt von Whitney Develle – einer australischen Tätowiererin, die für ihr „Scars Project“ Menschen tätowierte, die sich aufgrund ihrer Depression Verletzungen zugefügt hatten. Weil das Tätowieren aber nicht zu seinem Metier gehört, entschloss sich Alexander Andres dazu, etwas im Rahmen seiner Möglichkeiten zu tun. Sein Angebot: „Ein kostenloses Shooting, das Betroffene an die Zeit der Depression erinnern soll.“

Die Aktion schlug hohe Wellen. „Es kommen Anfragen von Menschen aus halb Deutschland, die sich fotografieren lassen möchten“, erzählt Andres. Mit so viel Resonanz und Feedback habe er nicht gerechnet. Auf ihn aufmerksam wurde auch Michael Wollny, Inhaber der gleichnamigen Edeka-Filiale in Friedberg. Andres: „Er hat mich überrumpelt – aber ganz liebevoll.“ Im Gepäck die Idee, eine Ausstellung der Porträts im Supermarkt zu organisieren.

Außergewöhnliche Aktionen wie diese sind für Wollny keine Seltenheit. Bereits die Friedberger Band Wo is Kai? trat bei ihm im Edeka auf. Ein anderes Mal wurde der Supermarkt Schauplatz eines Videodrehs des Augsburger Schlagzeugers Dominik Scherer. „Seine Aktionen dienen immer den Menschen“, findet Alexander Andres. Diesmal aber geht es um eine ernste Angelegenheit: Depressionen. „Das Thema hat mich sofort gepackt, weil jeder Mensch auf irgendeine Weise davon betroffen ist“, bekräftigt Wollny. Oftmals wüssten sie das gar nicht. „Erkrankte Menschen sprechen nicht darüber. Sie tragen eine Maske“, so der Supermarktinhaber. Die Wirklichkeit sei gut verborgen, der Schmerz für andere unsichtbar.

Alexander Andres aber legte ihn frei. Bisher hat der Fotograf mit eigenem Studio in Aichach rund 25 Menschen abgelichtet. Dabei achtete er bei jedem Shooting darauf, die Person „authentisch“ widerzugeben. „Kein Glamour, keine Mords-Maske und wenn jemand Lust hat zu weinen, sind Tränen auf dem Bild.“ Gegenstand der Ausstellung sind insgesamt sechs Motive von etwa drei bis vier Personen. Einen Text mit näheren Erläuterungen wird es nicht geben. „Die Bilder sprechen für sich“, so der Künstler. Begleitet aber wird die Vernissage von mindestens einer Infoveranstaltung. Wie Michael Wollny bemerkt, sollen Interessierte, die Gesprächsbedarf oder Fragen haben, an die Hand genommen werden. „Wir möchten Wege vermitteln und die Menschen nicht alleine lassen.“ Abgerundet wird das Projekt von einer Abschlussveranstaltung, bei der Institutionen und Vertreter der Politik anwesend sind. „Außerdem können die Bilder der Ausstellung gekauft werden“, fügt Wollny hinzu. Der Überschuss geht an eine gemeinnützige Organisation, die Depressionshilfe leistet. Die Ausstellung im Supermarkt soll keinesfalls provozieren, betont der Edeka-Inhaber. Stattdessen solle sie sensibilisieren. Er sei sich bewusst, dass jeder Verkaufspsychologe von einer solchen Aktion abraten würde. „Der Supermarkt ist ein Wohlfühlort, er ist eine heile Welt.“ Und dennoch ist der Unternehmer überzeugt: „Es gibt keinen besseren Ort, um auf spezielle Themen hinzuweisen, als den alltäglichsten der Welt: den Supermarkt“, so Wollny.

Vor zehn Jahren litt Alexander Andres selbst unter Depressionen. „Es begann mit einer schlechten Phase“, erinnert er sich. Dann kam Antriebslosigkeit hinzu, er hatte keine Lust auf Arbeit, keine Lust auf Familie. Nach einem halben Jahr begab er sich in ärztliche Behandlung. „Ohne professionelle Hilfe wäre ich da nicht mehr rausgekommen“, ist er sich heute sicher. Unterstützung und Halt bekam er von Familie und Freunden. „Das Leben hat es gut mit mir gemeint“, betont der Fotograf. Und mehr noch: „Ich glaube, ein besserer Mensch geworden zu sein.“ Mit seinen Bildern möchte er diese Botschaft auch anderen mit auf den Weg geben.

Termin Die Ausstellung ist von Montag, 2. Oktober, bis Sonntag, 15. Oktober, in der Edeka-Filiale der Familie Wollny in der Bozener Straße zu sehen. Kontakt Menschen mit psychischen Erkrankungen finden Hilfe beim sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises unter Telefon 08251/873420.

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